CO2-Ziele der Ampelregierung: Klimaschutz auf Sand gebaut

Die Bundesregierung ging davon aus, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 einhält. Das wird schwierig, sagt ein Expertengremium.

leere Autobahn

Leere A9: Nach einem Dammbruch im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm war die Autobahn für viele Stunden am Sonntag gesperrt Foto: Armin Weigel/dpa

BERLIN taz | Dieses Frühjahr war das wärmste, das jemals in Deutschland registriert wurde. Nach Auswertung der Daten des Deutschen Wetterdienstes war es 3,1 Grad wärmer als im Mittel von 1961 bis 1990. Die Periode wird international gerne als Referenzwert herangezogen, um das Wetter zu vergleichen.

Dass wärmere Luft wiederum mehr Wasser speichern kann, ist simple Physik: Der Wetterdienst bilanzierte deshalb auch mehrere Niederschlagsrekorde zwischen Märzanfang und Juni. Und nach dem schweren Weihnachtshochwasser 2023 vor allem im Norden Deutschlands und den Überflutungen zu Pfingsten im Saarland und in Rheinland-Pfalz gibt es nun im deutschen Süden schon wieder vielerorts ein „HQ 100“ – wie eine Jahrhundertflut im Fachdeutsch heißt.

Im Fachdeutsch hat auch der Expertenrat für Klimafragen an diesem Montag seine Bewertung für die Klimapolitik der Ampel vorgelegt. Das wichtigste Gremium der deutschen Klimapolitik teilte eine Ohrfeige aus: Weder das kurzfristige Ziel bis 2030, noch das langfristige bis 2045 haben mit dem aktuellen politischen Instrumentarium eine Chance, erreicht zu werden. Brigitte Knopf, Physikerin und stellvertretende Ausschussvorsitzende konstatiert „Handlungsbedarf“ und zwar vor allem in den Sektoren Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr.

Für sein „Gutachten zur Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten 2024“ arbeitet der Expertenrat mit sogenannten „Prognosedaten“ des Umweltbundesamtes. Nach diesen könnte Deutschland sein Klimaziel 2030 zwar knapp schaffen. „Die Projektionsdaten gehen aber von falschen Voraussetzungen aus“, erklärte der Ausschussvorsitzende Hans-Martin Henning. Beispielsweise rechne das Umweltbundesamt mit Milliardeninvestitionen aus dem Klima- und Transformationsfonds, die es nach dem Gerichtsurteil zum Haushaltsstreit im vergangenen Jahr gar nicht mehr gibt.

Das Klimaschutzgesetz hat die Ampel zuletzt verwässert

Gesetzlich hat sich Deutschland verpflichtet, seine Treibhausgas-Produktion bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 zu reduzieren. Und bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Das aktuelle deutsche Klimaschutzgesetz besitzt drei Kernelemente: Erstens das sogenannte Klimaschutzprogramm, also konkrete politischen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass jeder einzelne Sektor seine Emissionen senkt. Zweitens gibt es diesen Expertenrat, der regelmäßig prüft, ob das Regierungshandeln ausreicht. Falls dem nicht so ist, gibt es drittens Sofortprogramme, zu denen die einzelnen Ministerien verpflichtet sind, wenn in ihrem Bereich nicht genügen Treibhausgase eingespart werden.

Im vergangenen Herbst hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung verurteilt, „gesetzeskonforme Klimaschutz-Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr“ auf den Weg zu bringen. Denn hier sei die Ampel-Politik mangelhaft, so das Gericht. Passiert ist allerdings noch nichts: Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) ging gegen dieses Urteil für mehr Klimaschutz vor das Bundesverwaltungsgericht in Revision.

Im Mai hatte das Gericht dann die Bundesregierung verurteilt, konkretere Klimaschutzprogramme vorzulegen. Ausschussvize Brigitte Knopf, die als Zeugin geladen war, illustrierte, dass aus Maßnahmen wie „Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs“ nicht abzulesen sei, wie viel Treibhausgas dadurch eingespart werden kann. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe.

Zwar hat die Ampelregierung ein neues Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, das die Sektorengrenzen aufgehoben hat. Hans-Martin Henning fordert aber dennoch ein Nachsteuern: „Je später zusätzliche Maßnahmen beschlossen werden, umso wahrscheinlicher wird das Klimaziel verfehlt.“

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