Polizei Berlin: Abrüstung nicht in Sicht
Berliner Polizist:innen leisteten am 1. Mai über 46.000 Einsatzstunden. Linkenpolitiker Niklas Schrader moniert den teuren Kräfteverschleiß.
Berlin taz | Die Zahlen der bei Demonstrationen am 1. Mai erfassten Straftaten ist seit Jahren rückläufig – und zwar richtig massiv. Zählte die Polizei 2021 noch 472 Ermittlungsverfahren, waren es in diesem Jahr gerade mal 42, davon lediglich 25 bei der in der Vergangenheit als besonders krawallträchtig geltenden „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“. Das geht aus zwei noch unveröffentlichten Antworten der Innenverwaltung auf Anfragen des Linke-Abgeordneten Niklas Schrader hervor, die der taz vorliegen.
Auffällig an der Aufschlüsselung des Einsatzgeschehens ist dabei, dass das berlinweite Polizeiaufgebot am 1. Mai von der offenkundig nachlassenden Militanz der Demonstrierenden weitgehend unberührt bleibt. Ob mehr oder weniger Krawall: In den vergangenen sechs Jahren wurden jeweils zwischen 5.500 und 6.600 Polizist:innen aus Berlin und anderen Bundesländern eingesetzt, Bundespolizei inklusive.
Zum diesjährigen Maifeiertag leisteten allein die Berliner Beamt:innen über 46.000 Einsatzkräftestunden. Das waren zwar rund 1.000 weniger als im Vorjahr, sogar 10.000 weniger als 2021, unterm Strich aber eben enorm viel für einen einzigen Tag.
Für Niklas Schrader ist das alles in allem ein „wahnsinniger Einsatzkräfteverschleiß“, der kaum zu rechtfertigen sei. „Wer das so beibehalten will, soll mir nichts mehr über Personalmangel erzählen“, sagt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion zur taz. Schrader fordert dann auch, dass zum 1. Mai „endlich abgerüstet“ wird. Für ihn steht fest: „Wenn die Gefahrenprognose regelmäßig ergibt, dass 5.000 bis 6.000 Polizeikräfte gebraucht werden, am Ende aber kaum etwas passiert, sollte man vielleicht mal seine Maßstäbe überdenken.“
Im Haus von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) gibt man sich davon unbeeindruckt. Stattdessen verweist man vage auf „sämtliche relevanten Einflussfaktoren und Erkenntnisse“, die im Vorfeld bei der Einsatzplanung berücksichtigt würden. Und sollte „die Erkenntnisgrundlage einen hohen Kräfteansatz erforderlich machen“, werde man daran auch nichts ändern.
Leser*innenkommentare
Schapur Ahmadi
Was ein ordentlicher Polizeistaat werden will, braucht eben (zu) viel Polizei, um jeden Protest gleich im Keim zu ersticken.
tomás zerolo
@DIMA
Kunstvoll, wie Sie etwas sagen, ohne es zu sagen: Sie suggerieren, dass der Rückgang der Gewalt eine Folge des massiven Polizeieinsatzes sei.
Ohne einen Funken eines Anhaltspunktes dafür zu haben.
Bravo.
Erfahrungssammler
Es wird einfach zu viel Polizeiarbeit "ergebnislos" und daher wirkungslos geleistet.
DiMa
Eine präventive Maßnahme zeigt größtmöglichen Erfolg und wird deshalb kritisiert? Verkehrte Welt.