Rechtsruck bei Kommunalwahl in Thüringen: Uni besetzt, Frosch abgesprungen

Wegen des Rechtsrucks in Thüringen besetzen Studierende einen Hörsaal in Jena. Die AfD in Saalfeld-Rudolstadt zerlegt sich in einem Machtkampf.

Montage von zwei Wahlplakaten von Karlheinz Frosch und Björn Höcke

Wenn die AFD zum Froschbrei wird Foto: Funke/imago [M]

BERLIN taz | Der Hörsaal 4 der Universität Jena ist seit Montagnachmittag besetzt. Das Bündnis „Rechtsruck Stoppen“ hält seit einer Demo am Nachmittag hier eine „ständige Versammlung“ ab, um nach den AfD-Wahlerfolgen einen Ort für antifaschistische Vernetzung zu schaffen – „gegen die rechtsextreme Landnahme“, wie das Bündnis auf Social Media schreibt.

Die rechtsextremen Wahlerfolge seien eine Gefahr für die Universität als Ort des freien Forschens – man wolle auch gemeinsam mit der Hochschulleitung in den Dialog treten, um gemeinsam Strategien gegen den Rechtsruck auszuarbeiten. Die Nutzung sei friedlich und es gebe Absprachen mit der Hochschulleitung. Am Dienstag organisierten die Studierenden erste Veranstaltungen.

Tatsächlich gibt es dafür allen Anlass: Denn wie verfestigt rechtsextremes Gedankengut in Teilen der Wählerschaft Thüringens ist, kann man nicht nur in vielen relativen AfD-Kreistagsmehrheiten und neun Stichwahlen ablesen, in welche die extrem rechte AfD zumeist als Zweitplatzierte gekommen ist. Sondern ganz besonders auch im Landkreis Hildburghausen, wo es sogar der gewalttätige und offene Neonazi Tommy Frenck in die Stichwahl zum Landrat geschafft hat. Frenck ist bekannt für Hitler-Shirts und verkauft in seiner Gaststätte in Kloster Veßra an Adolf Hitlers Geburtstag Schnitzel für 8,88 Euro. Als sich die halbe Republik über die „Ausländer raus“-Rufe von Sylter Schnöseln aufregte, postete er einen Tag vor der Wahl einen Wehrmachtssoldaten auf einem Motorrad mit der Überschrift „Auf nach Sylt“.

In Kloster Veßra kam Frenck damit auf 31,5 Prozent, insgesamt erreichte er im Landkreis Hildburghausen 24,9 Prozent. Damit steht ein Verfassungsfeind, dessen Zulassung zur Wahl umstritten ist, in der Stichwahl gegen einen Kandidaten der Freien Wähler, Sven Gregor. Ein Demokratie-Bündnis aus Kloster Veßra will auf einer Veranstaltung am Donnerstag in der 300-Seelen-Gemeinde auf die Gefahren des möglichen Neonazis-Landrats hinweisen. Weitere Aktionen vor der Stichwahl am 9. Juni sind bereits in Planung.

Eskalierter Machtkampf in der Höcke-AfD

Ein Nachspiel haben die Kommunalwahlen auch für die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. Der Abgeordnete Karlheinz Frosch verkündete am Montag seinen Austritt aus der AfD und begründete das mit Höckes uneingeschränkten Führungsambitionen. „Höcke ist gerne groß, er ist ein Machtmensch. Andere Meinungen beißt er weg“, schimpfte Frosch auf dem Sprung nach draußen. „Das System Höcke darf keine Risse bekommen. Die können mit starken Leuten nicht umgehen. Für den rechtsradikalen Teil der Partei ist Höcke wie ein Gottvater.“

Im Fall von Frosch hat das System Höcke tatsächlich Risse bekommen: Die Kandidatenaufstellung für die Kommunalwahl in Saalfeld-Rudolstadt hatte einen parteiinternen Machtkampf ausgelöst. Höcke passte die regulär im Herbst 2023 aufgestellte AfD-Liste von Frosch personell nicht, er klagte dreimal erfolglos vor Gericht gegen die Kandidaturen. Dann ließ er kurzerhand seine Leute mit einer eigenen Liste antreten, die sie „Alternative für den Landkreis“ nannten, überzog die unliebsamen Abtrünnigen mit Parteiausschlussverfahren und entzog ihnen die Mitgliedsrechte. Von Wahlplakaten in Saalfeld-Rudolstadt machte Höcke lächelnd Werbung gegen die offizielle AfD-Liste – und für die „echte Alternative“.

Die Frosch-Fraktion quakte ihrerseits zurück, nannte Höcke einen „Narzissten“, der mit demokratischen Gepflogenheiten wenig am Hut habe. „Nicht wir müssen aus der Partei geworfen werden – wenn dann er.“ Höcke umgebe sich mit Ja-Sagern, „die morgens mit Bier an der Tankstelle stehen“, schimpften die Kandidaten ganz unverblümt und lieferten einen seltenen Blick hinter die sonst eher monolithisch-geschlossen wirkende AfD Thüringen.

Am Ende nahmen sich beide Listen bei der Wahl im Landkreis gegenseitig die Stimmen weg – allerdings interessanterweise mit dem schlechteren Ende für den Landesvorsitzenden Höcke. Die offizielle AfD-Liste von Frosch kam auf 18,5 Prozent und 9 Sitze im Kreistag, die Höckeliste auf 13,7 Prozent und 6 Sitze. Frosch, der sich selbst – trotz jahrelanger Tätigkeit in der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD Thüringen – immer „bürgerlich-konservativ“ nennt, führte als Austrittsgrund auch an, dass die AfD immer weiter nach rechts gerutscht sei.

„Eine absolute Niederlage für Höcke“

Die AfD-Fraktion verliert mit dem 73-jährigen nun auch den Alterspräsidenten im Thüringer Landtag. Sein Mandat wolle er als Fraktionsloser bis zur Landtagswahl im Herbst aber behalten, sagte Frosch. In Richtung Höcke trat er nochmal nach: Das Ergebnis der Kommunalwahl sei „eine absolute Niederlage für Höcke“, der sein ganzes Gewicht reingelegt und doch verloren habe.

Tatsächlich zeigt die Posse um die Liste, dass der Erfolg der AfD in Thüringen weit weniger personalisiert ist, als der Rechtsextremist Höcke gerne glauben machen will. Der Fall Frosch hat gezeigt, dass Höckes Hinterland durchaus auch parteiintern streitig gemacht werden kann. Das passt im Übrigen zu einer Umfrage aus dem März von Infratest Dimap: Während die AfD Thüringen landesweit bei 30 Prozent lag, würden nur 16 Prozent Höcke direkt wählen.

Die Gefahr der weiteren Normalisierung der extrem rechten AfD schmälert das allerdings nicht. Im Gegenteil: Der Gewöhnungseffekt an die Antidemokraten dürfte gerade mit ihrer Präsenz in den Kreistagen und Stadträten nach den Kommunalwahlen deutlich größer werden – denn in vielen Kommunalparlamenten ist die Höcke-AfD nun stärkste Kraft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Veranstaltung zur Frage, was in diesem Wahljahr auf dem Spiel steht. Vor Ort in Erfurt, Chemnitz und Cottbus. Alle Infos und Anmeldung: taz.de/panterforen

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.