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Yaya Beys neues AlbumEindeutig zweideutig

Emotionales Panorama: US-R&B-Sängerin und Rapperin Yaya Bey findet auf ihrem Album „Ten Fold“ einen eleganten Umgang mit der Familiengeschichte.

Cool mit viel Gefühl: Yaya Bey Foto: Nikita Freyermuth

R&B wird traditionell von starken Frauenstimmen geprägt, was daran liegt, dass Musikerinnen aus diesem Genre oft schon früh ihre Gesangsschulung beim Engagement in einem Kirchenchor erhalten haben – so heißt es. Diesem Klischee will die Laufbahn von Hidaiyah Bey allerdings so gar nicht entsprechen.

Im Gegenteil. Die 35-jährige New Yorkerin, die als Yaya Bey mit „Ten Fold“ gerade ihr drittes Album veröffentlicht hat, zweifelte lange an ihren stimmlichen Fähigkeiten. Aufgewachsen im Bezirk Queens, wollte Yaya als Kind am liebsten Sängerin werden. Ihr Vater Ayub Bey hingegen vermutete bei seiner Tochter einfach kein Talent.

Dieses Urteil muss umso härter geklungen haben, da er selbst künstlerisch tätig war. Unter dem Namen Grand Daddy I.U. war Ayub Bey Ende der 1980er Jahre Mitglied der Juice Crew, einem Zusammenschluss von Rap­pe­r*in­nen wie Biz Markie, Big Daddy Kane und Roxanne Shanté. Dahinter stand die Handschrift des Produzenten Marley Marl, dessen Tracks damals neue Maßstäbe im Umgang mit Samples setzten.

Mit der eigenen Stimme singen

Vater Bey war zwar wenig beeindruckt von der Stimme seiner Tochter, dafür erkannte er, dass sie gut mit Worten umgehen konnte, und so ließ er sie an seinen Stücken mitwirken. Später trat sie auf der Bühne zunächst mit eigenen Gedichten auf. Weiterhin an Musik interessiert, fremdelte Yaya jedoch auch mit der Rolle als Komponistin für andere. Erst als sie schließlich die Songs mit ihrer eigenen Stimme sang, passte beides zusammen – da war Yaya Bey Mitte 20.

Yaya Bey

Yaya Bey: „Ten Fold“ (Big Dada/GoodtoGo/Rough Trade)

Ihre Debüt-EP „The Many Alter-Egos of Trill’eta Brown“ (2016) ist von Audre Lorde geprägt, der schwarzen US-Schriftstellerin und Feministin, die auch eine Zeit in Westberlin gelebt hat und wichtig für die afrodeutsche Szene wurde. Auch Werke der US-Nobelpreisträgerin Toni Morrison haben Yaya Bey beeinflusst.

Den Durchbruch schaffte Yaya Bey 2022 mit ihrem zweiten Album, „Remember Your North Star“, das sie beim britischen HipHop-Label Big Dada veröffentlichte. Auf diesem Werk verbindet Yaya Bey Jazz, Soul, HipHop und Reggae so elegant wie mühelos miteinander, dass der Ernst ihrer Songtexte einen Kontrast zur Leichtigkeit des Sounds bildet.

Falsches Versprechen

Häufig grundiert von biografischen Erlebnissen, thematisiert Bey in einer Mischung aus Singen und Sprechen Feindlichkeit gegenüber Frauen und Traumata, die über Generationen vererbt werden; sie reflektiert Beziehungen zu Partnern und ihrer Familie und entlarvt das neoliberale Versprechen von Leistung, die sich lohne, als Mythos kapitalistischer Ausbeutung.

Der Erfolg von „Remember Your North Star“ ermöglichte es Yaya Bey, endlich von ihrer ­Musik leben zu können. Ökonomische Bedingungen beschäftigen sie auf dem neuen Album „Ten Fold“ jedoch weiterhin. Etwa die Gentrifizierung in New York in dem Stück „Eric Adams in the Club“, wobei Bey dieses Thema wie so oft über eine Metapher anspricht. Im Refrain imaginiert sie den schwarzen Bürgermeister der Stadt in einem Club tanzend, während um ihn herum die Welt zusammenbricht.

Das Leitmotiv, das sich durch die 16 reduziert arrangierten Stücke zieht, ist jedoch ein Schicksalsschlag. Im Dezember 2022 verstarb Yaya Beys Vater im Alter von nur 54 Jahren. Schon das erste Stück „Crying Through My Teeth“ setzt den Ton. Unterlegt von langgezogenen Orgelakkorden singt Bey von der Last des Lebens, der Beerdigung des Vaters und der Erinnerung an ihn.

Daddys Voicemail

Im Verlauf des Albums tauchen immer wieder Sprachnachrichten von ihm auf. Während Bey in „So Fantastic“ die Aufnahme seines Sprechgesangs zu einem Duett verwebt, huldigt sie in dem Video zur Single „Me and All My N****S“ den für Rapper ungewöhnlichen Kleidungsstil von Grand Daddy I.U., der für seine Anzüge aus feinstem Zwirn und üppige Krawatten bekannt war.

Gegen Ende der Songs spricht sie ihn in „Yvette’s Cooking Show“ schließlich direkt an, erzählt ihm stolz von ihren Erlebnissen auf einer Tournee und schildert mit brüchiger Stimme ihre Trauer und Einsamkeit: „Griefs a heavy meal when its on your plate / Loneliness’ a monster too and it’s all our fate“.

Diesen wolkenverhangenen Liedern voller Schmerz und Verlustgefühlen stehen viele hell strahlende Momente entgegen. Der ungewohnt dancefloorlastige und so an die alte Eintracht von House und HipHop erinnernde Track „Sir Princess Bad Bitch“ strotzt vor Selbstbewusstsein. Hedonistisch geht es auch in „All Around Los Angeles“ zu.

Das dem charismatischen Soulsänger (und Mastermind der Funkband Maze) Frankie Beverly gewidmete Stück „Ilove­you­frankie­beverly“ ist eine Ode an den Müßiggang. Und was ein Lied mit einem leicht federnden Reggae-Groove und dem flirtenden Titel „Slow Dancing in the Kitchen“ im Sinn hat, ist eindeutig zweideutig.

„Ten Fold“ eröffnet ein ganzes Panorama an Emotionen, die sich durch die bildliche Sprache und die eindringliche Stimme von Yaya Bey auf uns übertragen. Diese Kraft ist es, die R&B auszeichnet.

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