Rechte Regierung in den Niederlanden: Gefährlicher Modellversuch
Mit einem Kabinett vermeintlicher Technokraten will der Populist Geert Wilders die Niederlande auf rechten Kurs bringen. Das Experiment könnte Schule machen.
S o sieht es also aus, wenn Rechtspopulist*innen „im Zentrum der Macht“ angekommen sind. Diese politische Standortbestimmung stammt von Geert Wilders, Chef, Galionsfigur und einziges Mitglied seiner Partij voor de Vrijheid (PVV).
In dieser Funktion präsentierte er am Donnerstag den neuen Koalitionsvertrag der niederländischen Rechts-Regierung. Martin Bosma, PVV-Ideologe und Parlamentsvorsitzender, hatte diesen bereits in der vorigen Nacht in Empfang genommen. „Die Sonne wird wieder scheinen in den Niederlanden“, kommentierte Wilders die künftige politische Agenda, und hängte noch an, das Land werde nun „wieder uns gehören“.
Ein Tag wie dieser zeigt, wie weit sich die Niederlande von der liberalen, progressiven Reputation, die dem Land lange anhaftete, entfernt haben. Dass der Rechtspopulist Wilders aus strategischen Gründen nicht Premierminister werden will, ändert an dieser Tatsache nichts.
Ob die erst noch zu benennenden „außerparlamentarischen“ Minister*innen sich in dieser Konstellation behaupten und Akzente setzen können, wird sich zeigen. Der Koalitionsvertrag muss im Detail noch ausformuliert werden, die Grundrichtung indes ist schon klar: die zeitgemäße Variante eines mitfühlenden Konservatismus, der sozial-ökonomische Probleme mit ein paar Umverteilungen verknüpft und trotzdem klimaskeptisch bleibt und vor allem zuwanderungsfeindlich ist.
Das avisierte Modell eines vermeintlich technokratischen Kabinetts kann dabei durchaus ein interessantes politikwissenschaftliches Experiment sein. Wobei man das nicht mit einem vermeintlich moderateren Kurs einstiger rechtsextremer Lautsprecher verwechseln sollte. Denn die PVV ist nach wie vor Teil der identitären Parteiengruppe im Europaparlament, gemeinsam mit der deutschen AfD, der österreichischen FPÖ, dem Rassemblement National in Frankreich oder Vlaams Belang in Belgien.
Ein Politikmodell, wie es in den Niederlanden nun bevorsteht, stellt vor allem einen (neuen) Weg dar, entsprechende politische Inhalte und Ideologie in offizielle Regierungspolitik umzumünzen. Je nach Verlauf könnte es durchaus Nachfolger in anderen Ländern finden.
Gerade in Deutschland, wo die AfD in einzelnen Kommunen bereits regiert, gilt es Entwicklungen wie die aktuelle in den Niederlanden im Blick zu behalten. Und nicht nur dort: Auch im Nachbarland Belgien, wo Anfang Juni gewählt wird, steht mit dem Vlaams Belang eine verwandte rechte Partei vor dem Wahlsieg. Auch andernorts könnte die Brandmauer schneller eingerissen werden, als man heute glaubt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“