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Rechte Regierung in den NiederlandenGefährlicher Modellversuch

Kommentar von Tobias Müller

Mit einem Kabinett vermeintlicher Technokraten will der Populist Geert Wilders die Niederlande auf rechten Kurs bringen. Das Experiment könnte Schule machen.

Geert Wilders bei der Pressekonferenz Foto: Robin van Lonkhijsen/imago

S o sieht es also aus, wenn Rechts­po­pu­lis­t*in­nen „im Zentrum der Macht“ angekommen sind. Diese politische Standortbestimmung stammt von Geert Wilders, Chef, Galionsfigur und einziges Mitglied seiner Partij voor de Vrijheid (PVV).

In dieser Funktion präsentierte er am Donnerstag den neuen Koalitionsvertrag der niederländischen Rechts-Regierung. Martin Bosma, PVV-Ideologe und Parlamentsvorsitzender, hatte diesen bereits in der vorigen Nacht in Empfang genommen. „Die Sonne wird wieder scheinen in den Niederlanden“, kommentierte Wilders die künftige politische Agenda, und hängte noch an, das Land werde nun „wieder uns gehören“.

Ein Tag wie dieser zeigt, wie weit sich die Niederlande von der liberalen, progressiven Reputation, die dem Land lange anhaftete, entfernt haben. Dass der Rechtspopulist Wilders aus strategischen Gründen nicht Premierminister werden will, ändert an dieser Tatsache nichts.

Ob die erst noch zu benennenden „außerparlamentarischen“ Mi­nis­te­r*in­nen sich in dieser Konstellation behaupten und Akzente setzen können, wird sich zeigen. Der Koalitionsvertrag muss im Detail noch ausformuliert werden, die Grundrichtung indes ist schon klar: die zeitgemäße Variante eines mitfühlenden Konservatismus, der sozial-ökonomische Probleme mit ein paar Umverteilungen verknüpft und trotzdem klimaskeptisch bleibt und vor allem zuwanderungsfeindlich ist.

Das avisierte Modell eines vermeintlich technokratischen Kabinetts kann dabei durchaus ein interessantes politikwissenschaftliches Experiment sein. Wobei man das nicht mit einem vermeintlich moderateren Kurs einstiger rechtsextremer Lautsprecher verwechseln sollte. Denn die PVV ist nach wie vor Teil der identitären Parteiengruppe im Europaparlament, gemeinsam mit der deutschen AfD, der österreichischen FPÖ, dem Rassemblement National in Frankreich oder Vlaams Belang in Belgien.

Ein Politikmodell, wie es in den Niederlanden nun bevorsteht, stellt vor allem einen (neuen) Weg dar, entsprechende politische Inhalte und Ideologie in offizielle Regierungspolitik umzumünzen. Je nach Verlauf könnte es durchaus Nachfolger in anderen Ländern finden.

Gerade in Deutschland, wo die AfD in einzelnen Kommunen bereits regiert, gilt es Entwicklungen wie die aktuelle in den Niederlanden im Blick zu behalten. Und nicht nur dort: Auch im Nachbarland Belgien, wo Anfang Juni gewählt wird, steht mit dem Vlaams Belang eine verwandte rechte Partei vor dem Wahlsieg. Auch andernorts könnte die Brandmauer schneller eingerissen werden, als man heute glaubt.

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11 Kommentare

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  • Na ja, ein Sozialdemokrat soll womöglich Ministerpräsident werden, was wieder mal zeigt, dass Sozialdemokraten heute lediglich so heißen, aber längst keine mehr sind.

    Ansonsten sollen "neutrale" Experten die Ministerrieg stellen, im Klartext also Wirtschaftsvertreter, Militärs, Millionäre, etc. - so wie halt auch in den USA und zum Teil auch hier in D-Land.

    Und das Motto der neuen "demokratischen" Regierung lautet dann selbstverständlich:

    "Alles für die Niederlande!" ;-)

  • Es werden Geflüchtete in den Niederlanden schlecht behandelt werden. Die Niederlande werden vermutlich das dänische Modell mit mehr Härte einführen.



    Auch andere Migranten müssen mit mehr Härte rechnen, etwa Bürger der Türkei oder Marokko werden bei Arbeitsverlust wahrscheinlich mehr Ärger haben.



    Dann könnten Sozialleistungen eingeschränkt werden. Für arme Migranten wird es eine harte Zeit werden. Die Bekämpfung von Drogenhändlern wird groß angekündigt werden, aber vermutlich auch nur heiße Luft bleiben, schlicht weil Rotterdam zu groß ist und zu viele Menschen diese Drogen haben wollen.



    In der NATO und EU wird es wahrscheinlich zu Problemen kommen, bzw.Meloni darf sich freuen. Insgesamt wird es viele Ankündigungen geben, umgesetzt wird es aber (fast nur) bei der armen Bevölkerung, besonders bei Migranten und Menschen einer Nicht-EU-Staatsbürgerschaft. Die werden das alles bezahlen.

    • @Andreas_2020:

      Sehr realistische und kenntnisreiche Einschätzung von Rechtsaußenpolitik, wenn sie sich an die Arbeit macht den Staat als Beute auszunehmen.

      Italien mit der Rechtsregierung aus FI (Meloni) - Lega (Salvini) und den Restbeständen der ebenso rechtspopulistischen Forza (Berlusconis langjährige Regierungspartei) zeigen, dass wenig von den Ankündigungen umgesetzt wird. Die Zahlen der Geflüchteten waren in den ersten 18 Monaten nach Amtsantritt noch höher als unter den demokratischen Koalitionen zuvor.

      Da weicht man auf Kulturkampfthemen aus, hetzt gegen Queere und erreicht, dass Lesben in Sachen Sorgerecht/Adoption der Kinder allen Familienangehörigen das Leben vermiest wird. Da freut sich der Menschenfeind im Gewand des wildgewordenen Kleinbürgers. Ob in NL auf dem Feld was passiert, ist eher nicht erwartbar.

      Rechtsaußen kann oft nur großspurig was ankündigen, dass administrativ in einem noch existierenden Rechtsstaat von jedem Gericht kassiert würde. Und deren Wähler*innen lassen sich gern anlügen von diesen Figuren. AfD und auch PVV erwecken den Eindruck sie könnten illegale Einwanderung "stoppen". Selbst Merz und die neue alte CDU tönt fahrlässig mit "Stopp"

      Wie will man eine.globale Migrations- u. Flüchtlingskrise vor dem Hintergrund von Klimakatastrophe mit Wassermangel, Hungersnöten, Überschwemmungen mit Grundsatzprogramm und Sprüchen wie "alle abschieben nach irgendwo?" denn genau lösen?

      Keine Antwort. Deswegen, Rechtsaußenfans lassen sich gern belügen. Ihre Höckes, Wilders zu befragen, wie das Entfernen von Millionen von Menschen denn konkret vonstatten gehen soll, dazu trauen sie sich nicht und sind schlicht zu dumm sich um Sachrhemen zu kümmern.

      Das Modell Tories - Ruanda ist rechtswidrig, genau wie das von Meloni mit Albanien (Genfer Flüchtlingsvontion etc). Es endet allenfalls mit Deportationschaos, Milliarden von Kosten (die Kosten pro Deportiertem sind horrend). Da freue ich mich schon auf Schwarze-Null-Merz, Linnemanns u. Lindners Begründung.

      • @JuPa:

        Rechtsextreme sind bei echten Lösungen schwach, aber die Schwachen einer Gesellschaft knüpfen sie sich vor und sie schaffen meist die Voraussetzungen für höhere Profite, in dem sie arme Arbeitnehmer unterdrücken und deren Entgelte senken.

  • Herrn Wilders nur das eigene Potential der Rechtsaufhebung abzusprechen halte ich einigermassen aussichtslos im Bezug zur EU Ebene.

  • Nun muss ich aber doch mal unsere Nachbarn ein wenig in Schutz nehmen. Ich habe einige Zeit in den Niederlanden gewohnt und habe nie Diskriminierung erfahren, weil ich Ausländer war. Ganz im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, daß die Niederländer es mit Begeisterung goutiert haben, daß ich ihre Sprache spreche. Negative Erfahrungen auf Grund meiner Herkunft habe ich zum Glück nie erfahren müssen.

    • @Nobodys Hero:

      Die Niederlande sind schon ein liberales und soziales Land, aber es gibt auch viele Vorurteile gegen Deutsche. Das würde ich zwar nicht pauschalisieren, aber die Niederlande sind kein Paradies für Migranten. Die Menschen aus Indonesien und der Karibik berichten auch von Schwierigkeiten.

    • @Nobodys Hero:

      Guten Morgen



      Welche Nationalität haben Sie denn?

      Ich als Italiener habe auch kaum Diskriminierung in Hamburg erlebt. Habe da über 25 Jahre verbracht.



      Der Italiener ist ja auch im Gegensatz zum Albaner oder Araber ein willkommenen Ausländer in Deutschland gewesen.



      La Bella Italia eben, mit ihrer haute couture Mode, das kulinarische Essen und so charmant;)



      Im Endeffekt habe ich nichts anderes als eine (art) positiver Diskriminierung erlebt.

      Wohne aber jetzt sein ca. 6 Monaten in Stralsund (MV). Im Zug bin ich der einzige der sein Ausweis vorzeigen muss, wenn ich mit meinem Deutschland Ticket unterwegs bin, und wehe mein Hund hat kein Maulkorb, Obwohl im gleichen Waggon andere Deutschgelesene Fahrgäste mit Hunden ohne Maulkorb mitfahren. Habe mir glatt eine Anzeige eingefangen.



      Im Park musste ich als einziger die Steuermarke meines Hundes vorzeigen, wenn die Jungs von Ordnungsamt ihre Runden drehen.



      Werde am Telefon bei Ärzten gefragt ob ich denn überhaupt Versichert wäre, wenn ich beim Versuch einem Termin zu bekommen mein Nachname buchstabiere. Beim Zahnarzt wurde ich sogst gefragt ob ich vom Zirkus käme.

      Ausländer sind eben nicht gleich Ausländer. Und die Zeiten verändern sich rasant.

      Gruß Roberto

    • @Nobodys Hero:

      Danke für deine Geschichte von früher. Lt. diesem aktuellen Artikel hat sich in den NL aber etwas verändert, hm? ich würde übrigens als Deutscher früher mal angepöbelt oder auch im Restaurant nicht bedient. Die NL waren für mich immer beides: liberales Drogenland und spießbürgerlich ...

    • @Nobodys Hero:

      Hatten Sie das Fahrrad vorher zurückgegeben?

      Wenn Sie ein klassischer "mof" sind, war Niederländisch die einfachste Sprache für Sie nach Deutsch. Wenn Sie dabei kein Niederbayer oder Lausitzer sind, sondern gar Münsterlandblondschopf o.ä., sehen Sie womöglich noch halbwegs 'autochthon' aus.

      Haben Sie dort wirklich nie gehört, wenn jemand über die buitenlanders = mit etwas mehr Teint durchstartet - Sie als Abendländer sind da nicht gemeint, sondern die gute Ausnahme, aber die da ...



      Und das gilt für Niederländer mit Kolonialhintergrund und frisch Zugewanderte gleichermaßen.

      Auch wenn man das als Deutscher gegenüber Niederländern aus gewissen Gründen kaum kann, gebe ich höflich klares Kontra zu Protokoll, wie ich es hierzulande auch tue

  • Wilders ist in der Tradition anderer rechter Populisten ein begnadeter Dagegen-Redner und Rebell, aber letztlich chaotisch.



    Wer jetzt Merz, Westerwelle oder Lindner hineinruft: Ich meinte härtere Nummern à la Haider.

    Das heißt aber: Wilders profitiert von scheinbaren "Experten"-Regierungen und der Nicht-Verantwortung. Regieren ist aber politisch, ist Entscheidung, ist der Streit um Werte und Wege.