haushalt
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Schulze kriegt
die Krise

Um Kürzungen in der humanitären Hilfe und Entwicklungspolitik abzuwenden, betont das BMZ zunehmend deutsche Interessen

Von Leila van Rinsum

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will sparen. Besonders hart soll es im Haushalt 2025 das Auswärtige Amt und das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) treffen, fast 2 Milliarden Euro weniger sollen sie bekommen – ein Zehntel ihres Etats.

Die beiden Ministerien meldeten hingegen Mehrbedarf an. Lindner forderte die Ministerien in den Medien daraufhin auf, Sinn und Zielgenauigkeit ihrer Ausgabenpolitik zu überprüfen. Als Beispiel nannte er ein Projekt des BMZ aus Zeiten Gerd Müllers (CSU), das Fahrradwege in Peru finanziert. Die AfD hatte das Projekt als Symbol für verschwendete Steuergelder in den sozialen Medien lanciert. Angeblich habe Deutschland dafür 350 Millionen Euro gezahlt – tatsächlich waren es 44 Millionen in Form von Krediten und Zuschüssen.

„Es ist wichtig, einzelne Projekte anzuschauen und zu hinterfragen, aber daran die Notwendigkeit von Entwicklungspolitik festzumachen, folgt populistischer Rhetorik“, sagt Stephan Klingebiel, der zu Wirksamkeit von Entwicklungspolitik am Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit in Bonn (IDOS) forscht.

Auffällig ist, dass Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) im Haushaltsstreit zunehmend die Eigeninteressen der Bundesrepublik betont: „Entwicklungszusammenarbeit ist gut investiertes Geld“, betonte sie in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Samstag. „Jeder zweite Euro wird im Export verdient, deswegen müssen wir uns auch mit unseren Partnerländern beschäftigen.“ Um die Abhängigkeit von China zu reduzieren, müsse in die Rohstoffproduktion in anderen Ländern investiert werden. Es gehe um Sicherheit und Geopolitik, Schutz vor der nächsten Pandemie und Begrenzung von Fluchtbewegungen.

Auch Klingebiel betont die strategische Funktion von Entwicklungspolitik. Die meisten Mittel in der Entwicklungsarbeit sind langfristige Investitionen über mehrere Jahre. Ganz pragmatisch gebe es zwei Möglichkeiten zu kürzen: erstens, „der Rasenmäher“ – überall wird ein bisschen gekürzt – oder zweitens, Gelder für bestimmte Themen oder Länder zukünftig zu streichen. Beide Methoden wären nicht schnell umsetzbar aufgrund bestehender rechtlicher Verpflichtungen und kämen mit Kosten, wie einem Vertrauensverlust der Partnerländer in Deutschland. Man könne über „kluge Einsparungsstrategien nachdenken“, sagt Klingebiel, aber nicht in diesen „überproportionalen Größenordnungen“, wie sie Christian Lindner vorschlägt.

Technisch leicht kürzbar sind vor allem die Mittel der humanitären Hilfe im Auswärtigen Amt und die Krisenbewältigung im BMZ. Dort fielen bereits im letzten Etat die meisten Kürzungen an. Zum Beispiel: 2023 erhielt das Welternährungsprogramm der UN (WFP) rund 250 Millionen Euro weniger vom BMZ als im Vorjahr. Die Organisation hatte insgesamt einen Bedarf von 24 Milliarden US-Dollar angemeldet, davon kamen durch internationalen Geber 8,5 Milliarden zusammen. In der Konsequenz musste die Hilfsorganisation in all ihren Operationen kürzen, etwa im Jemen, Syrien, Südsudan oder Haiti. „Das heißt, wir können nur noch die besonders vulnerablen Menschen versorgen. Viele Menschen bekommen dann von einem auf den anderen Tag keine Versorgung mehr“, sagt WFP-Pressesprecher Martin Rentsch. Das führe zu anderen „Bewältigungsstrategien“ wie Kinderehen oder Betteln. Es destabilisiere die Regionen weiter, führe zu mehr Fluchtbewegung. „Wir befürchten, dass mit weiteren Kürzungen 2025 auch kritische Infrastruktur abgebaut wird“, sagt Rentsch. Dann müssten etwa Logistikzentren geschlossen werden. „Aus Erfahrung wissen wir, dass, wenn wir uns einmal zurückgezogen haben und lokale Akteure nicht mehr unterstützen können, es schwer ist, diese Strukturen später wieder aufzubauen.“ Die Lücke würde von anderen Akteuren geschlossen, die sich weniger für die humanitäre Lage interessieren.

Nicht nur Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Linken haben sich gegen Kürzungen ausgesprochen. Auch der entwicklungspolitischer Sprecher der CDU, Volkmar Klein, warnt vor Kürzungen, die „zu einem Minus von dann mehr als 30 Prozent in drei Jahren“ führten. „Zeitenwende sieht anders aus.“