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NDR schafft Sendung „Intensivstation“ abHirn geht, billiges Gelaber kommt

Gernot Knödler
Kommentar von Gernot Knödler

Der Radiokanal NDR Info stellt seine Satiresendung „Intensivstation“ samt Podcast ein. Ersetzt werden soll sie durch ein Talkformat. Wie bitter.

Irgendwann wächst über jede Fehlentscheidung Gras: Stele des NDR in Hamburg Foto: Markus Scholz/dpa

K nall auf Fall hat der NDR seine montägliche Satiresendung „Intensivstation“ abgeschafft. Nach der Sommerpause soll es „etwas Neues“ geben. „Seien Sie gespannt!“, teilte der NDR seinen Hörern mit. Nun ist es bis zur Sommerpause noch ein Weilchen hin und man fragt sich, was denn nun so dringlich war bei der Absetzung der „Intensivstation“, als dass das nicht noch bis zum Sommer hätte warten können.

Ersetzt werden soll die Satireshow – und das ist so ärgerlich wie bezeichnend – durch ein weiteres Quatsch-Format. Quatsch wie Quatschen, denn den Sendeplatz soll in Zukunft „Mitreden! Deutschland diskutiert“ füllen. Das ist einigermaßen erstaunlich, denn die Möglichkeiten mitzureden sind Dank des Internets ja besser als je zuvor und nicht durchgehend segensreich. Und NDR Info, der Heimatkanal der „Intensivstation“, bietet schon bisher mit der „Redezeit“ viermal die Woche ein Talk-Format zum Mitreden an.

Der Sender beschwichtigt: Es würden nur die Sendung am Montagabend und der Podcast eingestellt. Dafür gebe es tagsüber Einzelbeiträge der „Intensivstation“, „auch in der hörerstarken morgendlichen Primetime“. Zur Absetzung jetzt heißt es, ab dem 29. April kooperierten die Infowellen der ARD-Sender beim Abendprogramm. Ziel sei es, „Ressourcen für den Ausbau digital nutzbarer Angebote vor allem für jüngere Zielgruppen freizumachen“.

Die Intensivstation war eben nicht der tausendste Podcast nach dem Schema „Journalisten befragen Journalisten, was sie Tolles bei ihrer Recherche erlebt haben“

Was dabei verloren geht, ist eine Sendung die mit einigem Hirnschmalz und Kreativität von Journalisten und Kabarettisten gemacht wird; Leuten, die sich eigene Gedanken machen und diese auf professionelle, kluge und unterhaltsame Weise dem Publikum servieren. Satire zu machen, ist ein bisschen Handwerk und ein bisschen Kunst. Sie gelingt nicht immer, aber bei der „Intensivstation“ ziemlich oft. Dass das ersetzt werden soll durch ein weiteres Laberformat, entwertet den NDR und passt zur Abschaffung von so charakterbildenden Sendungen wie des „Zeitzeichens“ im linearen Programm.

Satire ist das Mittel der Wahl

Als Podcast hat sich die „Intensivstation“ von vielen anderen positiv abgehoben, weil sie eben eine Show war – einschließlich einer bemerkenswert originellen Playlist. Und sie war eben nicht das tausendste „Journalisten befragen Journalisten, was sie Tolles bei ihrer Recherche erlebt haben“. Das ist stets ein bisschen peinlich und außerdem langatmig, während die Kollegen Satiriker angenehm zackig auf den Punkt zu kommen pflegten.

Abgesehen davon wird ja gern von den multiplen Krisen geschrieben, denen die in Wohlstand und Sicherheit gewiegte Bevölkerung neuerdings ausgesetzt ist und die angeblich Mühe hat, sie zu verarbeiten. Dazu kommt die zunehmend eigenwillige Interpretation der Wirklichkeit durch viele Zeitgenossen, die vom einfachen Ignorieren des wissenschaftlichen Diskurses bis zur Lüge reicht.

In beiden Fällen ist Satire das Mittel der Wahl, um dagegen anzuarbeiten. Denn je schlimmer die Zustände, desto befreiender das Lachen; je absurder, desto notwendiger ein Mittel, das Absurde in den Griff zu bekommen. Wo Argumente an ihre Grenzen kommen, hilft nur noch der Instrumentenkasten des Satirikers.

Der Rundfunk: ein Fall für die Satire

Nun ist die Versuchung groß, zum Ende dieses Abgesangs selbst mit einer Verschwörungstheorie aufzuwarten: Könnte es sein, dass sich zu viele des handelnden Personals auf den Schlips getreten fühlten und die Sendung deshalb abgesetzt wird? Das Bedürfnis nach Humor lässt sich ja auch mit harmloser Comedy gut befriedigen.

Wie der Sender selbst nahelegt, ist die Antwort schlichter: Hier wird eine aufwendig produzierte Sendung durch ein billigeres Format ersetzt, weil viele Politiker den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Schaden der Demokratie unter Spardruck setzen. Dass sich der Rundfunk durch Qualitätsverschlechterung selbst entleibt, ist schon wieder ein Fall für die Satire.

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Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
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6 Kommentare

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  • JA: der NDR braucht nicht noch ein sinnloses Talk-Format, davon gibt es schon genug.

    NEIN: die NDR-Intensivstation ist eher zweitklassige Unterhaltung, wenn man sie mit "Satire Deluxe" von WDR 5 vergleicht.

    Habe 2023 mal eine Zeitlang beide parallel gehört - und dann enttäuscht nach einigen Wochen das Intensivstation-Abo in meiner ARD Audiothek gelöscht.



    Die Mischung aus Promi-Stimmen-Imitatoren, fehlendem Sprachwitz und schlaffen Pointen war mir meine Zeit nicht mehr wert!

    Bei Satire Deluxe gefällt mir außerdem, dass die nicht nur ihre immergleichen Haus- und Hof-Sprecher wie bei der Intensivstation auffahren, sondern immer auch einen Live-Gast haben, der dann zeitnah (in NRW) auf Tournee geht. So lernt man stets neue Leute und/oder Programme kennen, anstatt vor Ödnis zu verzweifeln ...

    • @Macsico:

      Vielleicht haben Sie ja Recht mit Ihrer Kritik, aber das war ja nicht der Grund, warum das Format ,,gecancelt" wurde, wenn man dem Artikel folgt!

      WIR (Zitat eines aktuellen Buchtitels vom Bundespräsidenten) brauchen Deluxe-Satire UND die ,,Intensivstation'' !!



      Und viele Formalte mehr, deren satirische Küchemsser nicht scharf genug gewetzt werden können, wenn wir unsere Jugend und alle, die an das Gute im Menschen letztlich glauben,

      NICHT



      den Populisten überlassen wollen!! (siehe z.B. Bosettis Kritik an Merz und Söder):



      www1.wdr.de/mediat...opulismus-100.html

      NICHT



      den ,,AfD-Tiktok-Formaten" (siehe auch die Kritik des ,,Stoersenders" unten im Kommentar) überlassen wollen!!

      ... oder siehe die Kritik von Böhmermann am ,,Zeit-Podcast für die Jugend'' am Anfang dessen letzter Sendung zu Hanau:



      www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale



      !

    • @Macsico:

      Nachtrag:



      Ja, Axel Naumer ist an _beiden_ Sendungen bei NDR und WDR beteiligt, trotzdem "funktioniert" es beim NDR nicht wirklich, was ich schade finde.

      Es wirkt weniger scharf, weniger pointiert und verkrampft lustig.

  • Schade, hoffentlich gibt es Abschiedstournee. Ich würde mich freuen die Sendung noch mal hier vor Ort erleben zu können. In Zukunft bleibt dann nicht mehr viel politisches Kabarett übrig.

  • Sehr intelligente Sendungen, Kritik, gar Satire im NDR-Hörfunk (Henning Venske lässt grüßen!) hatten es beim NDR schon immer schwer.



    1974 schasste der NDR eine Sendung von Venske, weil der es wagte, eine TV-Show als "eine Sendung für Blöde" zu bezeichnen. Heute rüstet der NDR mit eben einer solchen Sendung auf und schafft eine Satiresendung ab.

    www.ndr.de/geschic...ningvenske101.html

    Im Sender NDR zählt bis heute bei den Hierarchien der rechts, links Abzählreim, meistens ganz rechts, zuletzt zu besichtigen bei einem Tagesthemen-Kommentar in dieser Woche, der die Atomkraft in den Himmel lobte und die Grünen verdammte, so dass man glaubte, in die NDR-Zeit des seligen Henning Venske zurückversetzt zu sein, wo Venske einer der wenigen kritischen Geister beim NDR war und den Sendergewaltigen beim NDR mit seinen frechen kritischen Sendungen mit Humor und Satire regelmäßig den Schweiß auf die Stirn trieb.



    Ein Böhmermann ist beim NDR deshalb unmöglich! Der unberechenbare Witz des Hamburger Urgesteins Olli Schulz ist deshalb in der NDR-Unterhaltung ein no go!



    .



    Vom NDR-Rausschmiss von Venske hat sich der Sender NDR intellektuell bis heute nicht erholt.



    Direkte Kritik der Zuschauer und Zuhörer mag der NDR gar nicht und schaffte deshalb alle NDR-Online-Kommnentarforen der NDR-Landesfunkhäuser ab. Kein Mucks, bei den Redakteuren angesichts der ihnen und den Kunden des NDR auferlegten medialen Zwangsjacke!

  • Der Verlust eines aufklärerischen Anspruchs der Massenmedien, ist kein neues Phänomen. Ich würde bezweifeln, dass die gängigen Formate wie Nachrichten, Reportage und Dokumentation in der gebotenen Kürze jemals einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung geleistet haben. Aber seit dem der Markt für private Medien geöffnet wurde und neue Technologien das Angebot schnell produzierten Infotainments aufgebläht haben, ist auch bei den Medien, von denen man anderes gewohnt war und erwarten könnte, das allgemeine Niveau gesunken. Die sensorische Erregung von Affekten steht im Vordergrund und für die Aufbereitung von Hintergrundwissen und diskursive Einordnung von ’Meldungen’ bleibt kein Raum mehr. Bestes Beispiel dafür ist der Grimme-Preis 2024 für 'heute – in Europa’: 4 – 5 Themen in knapp 14 Minuten abgehakt. Aus heutiger Sicht muss man sagen: Die 'Bild' war das Vorbild.