Vietnamesisches Exilmedium vs Facebook: Kampf gegen Hanois Zensur in Berlin

Das vietnamesische Exilmedium „Thoibao“ erhofft sich vom Digitale-Dienste-Gesetz eine Stärkung seiner Rechte. Das Ziel: die Zensur umgehen.

Ein Screenshort der Startseite von thoibao.de

Die Webseite von thoibao.de war schon mehrmals Ziel von Cyberangriffen Foto: Screenshot thoibao

BERLIN taz | „Facebook (FB) hat stets nur langsam reagiert, wenn ich die Zensur unserer Beiträge angesprochen habe. Längst reagiert FB gar nicht mehr“, sagt Trung Khoa Lê, Chefredakteur des vietnamesisch-deutschen Webportals thoi­bao.de in Berlin. „Beschwerden sind nutzlos geworden. YouTube informiert mich immerhin noch, wenn sie auf Druck der Regierung Vietnams einen Beitrag von uns zensieren.“

Lê kämpft seit Jahren gegen die Zensur des Regimes, die ihn im fernen Berlin trifft. Thoibaos Berichte und Videos stoßen in Vietnam, wo die Regierung die Medien kontrolliert, auf großes Interesse. Zunächst publizierte Thoibao vor allem per Webseite. Doch wurde diese immer wieder von Vietnam aus mit sogenannten DDoS-Angriffen lahmgelegt, weshalb FB und YouTube wichtiger wurden. In Vietnam ist FB Hauptnachrichtenquelle. 75 Prozent der 100 Millionen Vietnamesen nutzen es, was auch an der geringen Glaubwürdigkeit zensierter offizieller Medien liegt. Ein Vorteil für Thoibao: FB platziert dort automatisch Werbung. Bei früher 20 Millionen monatlichen Zugriffen auf allen Kanälen kamen pro Monat allein 10.000 Euro von FB.

Doch stören Hanoi Thoibaos kritische FB-Beiträge, weshalb das Regime Druck auf FB und seinen Mutterkonzern Meta macht. Weigern sie sich, dürften sie in Vietnam nur noch mit dort platzierten Servern arbeiten, was der Zensur direkten Zugriff ermöglichen würde, soll Hanois Drohung sein. Ab 2017 gab FB immer mehr nach. Laut Washington Post ist Vietnam sein siebtgrößter Markt. Die FB-Whistleblowerin Frances Haugen sagte 2021 dem US-Senat, Meta-Chef Mark Zuckerberg persönlich habe angewiesen, Hanoi nachzugeben. Denn ein zensiertes FB sei für die Meinungsfreiheit in Vietnam besser als keins. Dem stimmt Lê zu: „In China ist es ohne FB schlimmer.“

Ein neues Software schützt Thoibao vor Angriffen

Auch Thoibaos FB-Seiten wurden immer wieder gehackt, mutmaßlich von Vietnams auf 10.000 Personen geschätzte Cyberarmee, die dem Ministerium für öffentliche Sicherheit untersteht. Oder Unbekannte meldeten FB-Seiten auf Lês Namen an, die massiv Community-Standards verletzten. Auch Lês Tod wurde vermeldet. Stets sperrte FB Thoibaos Seiten. Es dauerte Wochen, bis FB sie wieder zugänglich machte. Einnahmen hatte Thoibao in der Zeit nicht.

„Unsere Aufrufe bei FB gingen inzwischen um 70 Prozent zurück“, sagt Lê. Seit einem halben Jahr schützt eine neue Software Thoibaos Webseite wirkungsvoll vor Angriffen. Die gesamten Zugriffszahlen stiegen auf 45 Millionen im Monat, FB wurde unwichtiger. „Ich hoffe, das neue Digitale-Dienste-Gesetz zwingt FB, unsere Rechte künftig stärker zu schützen und unsere Beschwerden nicht mehr zu ignorieren.“

Helene Hahn, Digitalexpertin von Reporter ohne Grenzen, ist optimistisch. Das deutsche Digitale-Dienste-Gesetz und der Digital Services Act der EU stärkten Beschwerdemechanismen von Nutzern und Journalisten gegenüber den Konzernen. Diese müssten ihre systemischen Risiken verringern: „FB muss sich mehr nach den Menschenrechten richten und nicht nur nach Vorgaben lokaler Regierungen.“

Journalistin in Berlin

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Dieser Artikel ist am 3. Mai 2024 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit erschienen. Weitere Infos hier.

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