Ausstellung über Kunstfälschung: Der Wunsch, sich täuschen zu lassen

Das Kurpfälzische Museum Heidelberg widmet den Fälschungen von Kunstwerken eine Ausstellung. Sie gehören zur Geschichte der Kunst.

Ein Holzschnitt in Rot, Schwarz und Weiß zeigt in Aufsicht die Gestalt eines liegenden Mädchens

Edgar Mrugallas „Fränzi liegend“ (Fälschung nach Erich Heckel), Holzschnitt auf Papier Foto: HeFäStuS, Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg, Leihgabe: Berlin, Landes­kriminalamt, 1970–1987

Danksagungen an wichtige Leihgeber sind im Ausstellungsbetrieb nicht ungewöhnlich. Das Landeskriminalamt findet man allerdings eher selten gelistet. Eine Tafel am Eingang zur aktuellen Sonderschau im Kurpfälzischen Museum Heidelberg klärt auf: Etliche der gezeigten Werke stammen aus den Asservatenkammern der LKAs Berlin, Bayern und Baden-Württemberg. Sie sind als Dauerleihgabe seit 2021 Teil der Heidelberger Fälschungs-Studien-Sammlung.

„Kunst und Fälschung“ präsentiert nun nicht allein konfiszierte Bilder, um sie ihren Originalen oder deren Abbildern gegenüberzustellen. Die von Studierenden der Uni Heidelberg rund um den Professor für Europäische Kunstgeschichte Henry Keazor konzipierte Ausstellung will eine Kontinuität aufzeigen: Die Geschichte der Kunst (womit man sich hier auf Malerei und Druckgrafik konzentriert) sei immer schon auch eine ihrer Fälschungen gewesen.

Erst die Absicht zur Täuschung macht allerdings die Straftat, von einer kopierten Unterschrift bis zur kompletten Neuerfindung, von komplexen Kopien bis zur „Hall of Shame“ der weniger gelungenen Bilder-Fakes. Mal stimmt der Pinselduktus nicht, mal erscheint das gefälschte Motiv als spiegelverkehrte Version eines bestehenden Bildes – so bei der Sommerwiese von Otto Modersohn.

Schwieriger wird es da schon beim vermeintlichen Knabenbildnis von Lucas Cranach, das sich als 2007 angefertigte Fälschung von Christian Goller herausstellen sollte. Der Teufel liegt beim Erkennen des Falschen im Detail.

„Kunst und Fälschung“: Kurpfälzisches Museum Heidelberg, bis 30. Juni 2024

„Mein Triumph als Fälscher war meine Niederlage als schöpferischer Künstler,“ wird der niederländische Kunstfälscher Han van Meegeren (1889–1947) zitiert. Bei manchem mag es nicht für eine eigene künstlerische Laufbahn gereicht haben, andere waren wohl schlicht zu schnell erfolgreich. Bei aller Anerkennung von Kunstfertigkeit und Einfallsreichtum der Blender ist diese Ausstellung fraglos ein Plädoyer für die Autorenschaft: Jede Fälschung zieht ihre Daseinsberechtigung allein aus dem Wissen um ein Original.

Fachkundige Seitenhiebe

Auch der 2011 verurteilte Wolfgang Beltracchi, der in hier gezeigten Filmausschnitten das eigene Können beschwört (Vermeer, Leonardo? – „Gar nicht schwierig!“), erfährt manch fachkundigen Seitenhieb. „Vergleichsweise nachlässig,“ attestieren die KuratorInnen seinem gefälschten Molzahn. Und Heinrich Campendonk, der Farbe und Form einander ebenbürtig einsetzte, erscheint im direkten Vergleich deutlich innovativer als die eigenmächtige Beltracchi-Neuerfindung, die den Maler mit Konturierungen regelrecht „ent-modernisierte“.

Ein nie zuvor gesehener Rembrandt thront hinter einer Absperrung

Im Blending verschiedener Stile mag man manche Parallele entdecken: Erscheint nicht die künstliche Bildgenerierung heute als eine zeitgenössische (wenngleich derzeit noch reichlich ungelenke) Form des Pasticcio?

Tatsächlich ist ein Ausstellungsbesuch auch in ganz anderer Hinsicht aufschlussreich. Denn das Angebot, sich täuschen zu lassen, trifft selbstredend auf einen Bedarf.

Beileibe nicht nur in der Kunst, wie die bisweilen autoritär-romantischen Utopien aus Deutschland, Nahost, China oder den USA belegen, die in den letzten Monaten das Internet fluteten. Sie sind ästhetisch oft unfreiwillig komisch, motivischer Unsinn. Und doch verfangen die offenkundig ausgedachten Bildwelten bei nicht wenigen Menschen. Das feeling, die Bestätigung der gefühlten Wirklichkeit, geht vor.

Das Finale der Ausstellung bildet denn eine beachtliche Bildneuschöpfung: Ein nie zuvor gesehener Rembrandt thront hinter einer musealen Absperrung. 2016 ließ eine niederländische Werbeagentur für eine Kampagne das echt-unechte Gemälde von einer KI generieren, die zuvor mit 346 Rembrandt-Gemälden aus dem Bestand namhafter Museen gespeist wurde. Das Motiv ließ man anschließend für ein möglichst authentisches Resultat in zahlreichen Schichten mit Ölfarbe auf Leinwand drucken.

Die perfekte Fälschung, lehrt diese Schau, gibt es so nicht. Das gilt bis auf Weiteres auch für die KI. Sobald die künstlich generierten Bilder den virtuellen Raum verlassen, müssen sie sich in der stofflichen Realität behaupten. Mindestens für die Kunst gibt es noch Hoffnung durch diese Rückbindung an die Welt: Der neue, alte Rembrandt würde wohl spätestens dann auffliegen, wenn Bildrückwand, Rahmen oder sonstige Parameter Zweifel aufkommen lassen. So müsste händisch und gedanklich eine ganze Menge unternommen werden, um die motivische auch in eine materialtechnisch überzeugende Fälschung zu übersetzen.

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