Vermeintlicher Doppelagent beim BND: Er will unschuldig sein

Im Prozess zur Spionageaffäre des BND bricht der Hauptangeklagte sein Schweigen und weist die Vorwürfe von sich. Ein Mitangeklagter belastet ihn.

Blick in den Gerichtssaal mit den Verteidigern, den richtern und der Staatsanwaltschaft, alle tragen ihre schwarzen oder roten Roben

Wechselseitige Vorwürfe: Carsten L. belastet Arthur E., der wiederum ihn belastete Foto: Bernd von Jutrczenka/picture alliance/

BERLIN taz | Anfangs sei ihm Arthur E. sympathisch gewesen, dessen Vita sei interessant gewesen, sagt Carsten L. Ein Geschäftsmann, der durch die Welt reise, mit Diamanten in Afrika handele, sich in Kryptogeschäften auskenne, mit Kontakten bis in die hohe Politik. „Du wärst der richtige Mann für uns“, habe er zu Arthur E. gesagt, erinnert sich Carsten L. Und tatsächlich vermittelte der BND-Mann seinen damals neuen Bekannten später zu dem Dienst. Heute aber ist Arthur E. für Carsten L. nur noch ein „Betrüger und Hochstapler“, der sich an seine Familie „rangewanzt“ habe, um vermeintlich Geschäfte zu machen.

Carsten L. erzählt all dies am Mittwoch im Berliner Kammergericht, indem seit Dezember ein Prozess gegen ihn und Arthur E. läuft – über den wohl schwersten Spionagefall der jüngsten Zeit in Deutschland. Im Herbst 2022, mitten im Angriffskrieg auf die Ukraine, soll Carsten L., BND-Referatsleiter für technische Aufklärung und personelle Sicherheit, Interna des deutschen Geheimdiensts ausgerechnet an Russland weiter gereicht haben.

Im Dezember 2022 erfolgte die Festnahme des 53-Jährigen, wenig später auch die von Arthur E., der das Material – abgefangene Kommunikation der Wagner-Gruppe – zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gebracht haben soll. BND-Chef Bruno Kahl nannte den Fall „eine Katastrophe“. Der Vorwurf lautet auf schweren Landesverrat.

Während Arthur E. schon vor den Ermittlern alle Vorwürfe eingeräumt und Carsten L. schwer belastet hatte, schwieg der einstige BND-Mann bisher. Am Mittwoch aber nicht mehr. Gleich zu Beginn des Prozesstages verliest sein Anwalt Johannes Eisenberg, der auch die taz presserechtlich vertritt, eine Erklärung im Namen von Carsten L., in der dieser alle Vorwürfe zurückweist. „Der Angeklagte wollte und hat den BND nicht verraten“, verliest Eisenberg. Weder habe Carsten L. BND-Interna an Russland weitergegeben, noch sich sonst irgendwelcher Pflichtverletzungen schuldig gemacht.

Windige Geschäfte

Der BND war über einen Partnerdienst darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich interne Papiere beim russischen Geheimdienst befanden. Der BND stieß dann bei eigenen Nachforschungen auf Carsten L. Am Mittwoch erklärt der 53-Jährige aber nun, er habe die fraglichen Dateien zwar mal abgerufen oder von einer Kollegin geschickt bekommen, aber nie weitergegeben. Auch ein Umschlag mit entsprechenden Ausdrucken, der in seinem Büro gefunden wurde, sei nicht von ihm gewesen. Er wisse nicht, wer den Umschlag ihm ins Arbeitszimmer gelegt habe.

Das Büro aber sei zwischenzeitlich offen gewesen und er habe bemerkt, dass jemand an seinem PC gesessen habe, behauptet Carsten L. Auch die angeblichen Übergaben des Materials an Arthur E. habe es nie gegeben – zu den behaupteten Zeitpunkten sei er im Dienst, beim Fußballtraining oder mit Kollegen auf dem Oktoberfest gewesen.

Carsten L. trägt all dies abgeklärt vor, mit gefalteten Händen, akkurat im Anzug gekleidet. Der Mitangeklagte Arthur E. dagegen schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf. Denn nun ist er es, den Carsten L. belastet, den er im Sommer 2022 über einen Freund kennenlernte. Arthur E.s Geschäfte seien „windig“ gewesen, berichtet Carsten L. Aber dessen Reisetätigkeiten und Kontakte seien beim BND „genau die Klientel, nach der sie Ausschau halten“. Und so sei Arthur E. über seine Vermittlung schließlich tatsächlich als Quelle des BND angeworben worden – unter anderem nach einem Kennlerntermin im Berliner Bordell Artemis.

Informationen aus Russland habe Arthur E. aber nie geliefert, sondern nur „Ausflüchte“, berichtet Carsten L. Dass E. angeblich für ihn interne BND-Dokumente nach Russland gebracht habe, davon habe er das erste Mal nach seiner Festnahme gehört.

Und Carsten L. verneint auch, dass er ein Motiv für die Tat gehabt habe. Den Vorwurf, er habe den Verrat aus Unzufriedenheit über seine Versetzung vom Dienststandort Pullach nach Berlin getan, weist er zurück – er sei damit einverstanden gewesen. Und die 400.000 Euro, die in einem Münchner Schließfach gefunden wurden und laut Anklage von Russland als Entlohnung gezahlt wurden, seien Ersparnisse von ihm und seiner Frau gewesen.

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