Vorgezogenen Parlamentswahl in Kroatien: Europa oder lieber Putin?
In Zagreb wäre eine linksnationale Regierung vorstellbar. Damit einher ginge ein EU- und Nato-kritischer Kurs, ähnlich wie in Ungarn.

A m Mittwoch finden vorgezogene Parlamentswahlen in Kroatien statt. Der jetzige konservative Regierungschef, Andrej Plenković, hat gute Chancen, auch zum dritten Mal die Wahlen mit seiner Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) zu gewinnen.
Staatspräsident Zoran Milanović ist sein großer Kontrahent. Nach der Selbstauflösung des kroatischen Parlaments kündigte er an, bei den Parlamentswahlen als sozialdemokratischer Kandidat antreten zu wollen. Das Verfassungsgericht verbot ihm eine Kandidatur, weil sie gegen die Neutralität des Staatspräsidentenamtes verstoßen würde. Milanović beschimpfte daraufhin die Verfassungsrichter*innen als „Analphabeten“.
ist promovierter Jurist und Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) in Wien.
Trotz der brutalen Sprache hat er allerdings recht, wenn er den großen Einfluss der Regierungspartei über die Institutionen beklagt: Der Vorsitzende des Verfassungsgerichtshofs, Miroslav Šeparović, ist ein ehemaliger HDZ-Minister, und der neue Staatsanwalt, Ivan Turudić, dessen Ernennung dieses Jahr große Proteste auslöste, pflegt nicht nur zur HDZ, sondern auch zum wegen Steuerhinterziehung verurteilten Ex-Chef von Dinamo Zagreb, Zdravko Mamić, gute Kontakte.
Auch wenn Milanović offiziell nicht antreten darf, wirbt die oppositionelle Sozialdemokratische Partei (SDP) mit ihm. Sein Erfolg hängt davon ab, ob die kleineren rechtsnationalistischen Parteien bereit wären, mit ihm eine Koalition zu bilden. Eine solche linksnationalistische Regierung in Zagreb wäre keinesfalls unvorstellbar. Milanović vertritt als Staatspräsident auch nationalistische, populistische, EU-kritische und prorussische Positionen.
Die Rückkehr von Milanović in das Ministerpräsidentenamt, das er von 2011 bis 2015 bereits bekleidete, würde zwar innenpolitisch eine gewisse Erneuerung in einem Land bedeuten, das fest im Griff der Langzeitregierungspartei HDZ ist. Außenpolitisch würde er aber einen EU- und Nato-kritischen Kurs verfolgen – ähnlich dem des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, dem Milanović auch persönlich nahesteht.
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