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Zeitverträge in der Wissenschaft Schluss mit der Befristung?

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen hangeln sich von Kurzzeitvertrag zu Kurzzeitvertrag. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll die Arbeitsbedingungen verbessern.

Demonstration der Gewerkschaft ver.di am Campus Poppelsdorf der Universität Bonn Foto: Rainer Unkel/imago

BERLIN dpa | Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen besser vor kurz laufenden Arbeitsverträgen und immer neuen Befristungen geschützt werden. Das Bundeskabinett in Berlin hat dazu am Mittwoch über Änderungen des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf den Weg gebracht. Die Pläne werden von Betriebsräten, Gewerkschaften und Studierendenvertretern zwar teilweise unterstützt, aber auch scharf kritisiert. Sie bezweifeln, dass sich für Nachwuchswissenschaftler dadurch spürbar etwas ändert.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt seit 2007 die Frage von Befristungen von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Es steht schon lange in der Kritik, weil sich in der Praxis viele junge Forscherinnen und Forscher von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten hangeln müssen. Wer sich in einer bestimmten Zeit keine der begehrten Professuren oder eine der anderen unbefristeten Stellen gesichert hat, muss anderswo unterkommen. Unter dem Hashtag „IchBinHanna“ machen Betroffene seit längerem im Netz auf ihre Situation aufmerksam.

Befristungen an sich hält das Bundesbildungsministerium zwar für sinnvoll, damit junge Wissenschaftler nachrücken können und es eine gewisse Fluktuation gibt. Aber, so argumentiert es in seinem Gesetzentwurf auch: Der Anteil an Kurzzeitverträgen sei immer noch hoch. Mindestens jeder dritte befristete Vertrag an Hochschulen und jeder vierte an außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat demnach sogar nur eine Laufzeit von weniger als einem Jahr. Für Betroffene bedeutet das fehlende berufliche Sicherheit und keine Planbarkeit auch mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besonders attraktiv sind Arbeitsplätze in der Wissenschaft in Zeiten des Fachkräftemangels damit auch nicht.

Mit der Reform sollen nun Mindestvertragslaufzeiten eingeführt werden. Der erste Arbeitsvertrag vor der Promotion – also vor dem Dr.-Titel – muss in der Regel eine Laufzeit von mindestens drei und nach der Promotion in der sogenannten Post-Doc-Phase von mindestens zwei Jahren haben. Post-Docs sollen außerdem künftig für maximal vier Jahre befristet beschäftigt werden dürfen. Bisher waren es sechs Jahre. Weitere zwei Jahre sollen dann nur noch mit verbindlicher Zusage für eine anschließende unbefristete Stelle zulässig sein. Innerhalb dieser zwei Jahre müssen vorher gemeinsam definierte Forschungsziele erreicht werden.

Verbesserung auch für Studierende

„Attraktive Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind ein entscheidender Faktor dafür, im Wettbewerb um die klügsten Köpfe talentierte junge Menschen für Wissenschaft und Forschung zu gewinnen. Das Gesetz ist dafür ein wichtiger Baustein“, sagte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Mittwoch.

Auch für studentische Beschäftigte soll sich etwas ändern: Sie dürfen künftig bis zu acht Jahre (bisher maximal sechs) befristet beschäftigt werden, damit sie sich bei Überschreitung der Regelstudienzeit zum Studienende nicht noch einen neuen Nebenjob suchen müssen. Und eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr soll mehr Verlässlichkeit schaffen. Bisher liefen Verträge nach Ministeriumsangaben im Schnitt über ein knappes halbes Jahr und wurden immer wieder verlängert.

Das Gesetz muss nach dem Kabinettsbeschluss noch durch Bundestag und Bundesrat, was mehrere Wochen dauern dürfte. Zustimmungsbedürftig ist es im Bundesrat nicht. Termine für die Beratungen in Parlament und Länderkammer stehen noch nicht fest. In Kraft treten soll das Gesetz erst ein halbes Jahr nachdem es beschlossen und im Bundesgesetzblatt verkündet ist, damit die Hochschulen sich darauf einstellen können. Laufende Verträge bleiben außerdem unberührt von den Neuregelungen, heißt es.

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Betriebsräten und Studierendenvertretern begrüßt zwar die geplanten Mindestvertragslaufzeiten, kritisiert aber die geplante Verkürzung der Befristungsdauer nach der Promotion von sechs auf vier Jahre. Dies schade den Wissenschaftlern, „die in der Rush Hour des Lebens in höchstem Konkurrenzdruck von Befristung zu Befristung eilen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem von Deutschen Gewerkschaftsbund, Verdi und den Gesamtbetriebsräten der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaften. Sie fordern eine unbefristete Beschäftigung nach der Promotion oder eine verbindliche Zusage zur Entfristung bei Erfüllung festgelegter Kriterien.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Beschäftigten im Wissenschaftsbetrieb bei Tarifverträgen größtenteils außen vor bleiben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt zwar Abweichungen von seinen Regeln durch Tarifverträge. Die Möglichkeiten bleiben aber auch nach der Reform begrenzt. „Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen Verbesserungen für die Beschäftigten aushandeln dürfen – so wie in anderen Branchen auch“, fordern die Arbeitnehmervertreter. Sie nennen sprechen von einer „Tarifsperre“.

Nach Daten des Bundesbildungsministeriums waren 2022 an staatlichen Hochschulen von insgesamt 227.000 hauptberuflich wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten 178.000 befristet angestellt.

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6 Kommentare

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  • Was Hiwis angeht, bringt die Neuregelung wahrscheinlich mehr Probleme, als sie löst - An dem Institut, an dem ich arbeite, hat ein Bachelor-Studiengang eine Regelstudienzeit von 6 Semestern. In den vorlesungsfreien Zeiten gibt es ein mindestens 6-wöchiges Berufspraktikum und mehrwöchige (Pflicht)Exkursionen und ggf. Laborpraktika o. ä. und Auslandsaufenthalte sind auch erwünscht - da noch einen 1-Jahres-Block von Hiwi-Vertrag einzubauen, ist sicher eine Herausforderung. Attraktive Kurzzeit-Arbeitsverträge, die nach der Neuregelung nicht mehr möglich sind, waren z. B. 1-3 Monate Helfer bei Geländekampagnen z. B. in Ecuador, Fahrer bei Exkursionen (nur Mitarbeiter oder Hiwis dürfen die Unibusse fahren), Mithilfe bei Lehrveranstaltungen im Gelände u. ä.



    Für die Institutsstellen ist eine Mindestlaufzeit von einem Jahr noch relativ einfach zu realisieren, für Drittmittelprojekte wird das ein bürokratischer Alptraum - Sagen wir einmal, im Topf sind Hiwi-Mittel für 9 Monate - und nu? Weitere Projekte sind vielleicht beantragt, aber noch nicht genehmigt, also kann kein Arbeitsvertrag aus diesem Projekt ausgestellt werden - dann wird im Institut selber das fröhliche Stückeln losgehen. Ein Interessent will vielleicht im Labor arbeiten - würde er noch ein Vierteljahr Bibliothekswache mitmachen? Und was, wenn die aus einem anderen Topf zusammengekratzten Stellenanteile zeitlich oder räumlich oder thematisch nicht passen?

  • Wie kann es sein, dass der Bund das jetzt regelt, wenn doch Berlin die Gesetzgebungskompetenz bereits für sich in Anspruch genommen hat? Oder hat der Vorgängersenat erneut gegen die Verfassung verstoßen? Mal wieder Neuland betreten? Schon merkwürdig, dass Kritiker genau darauf hingewiesen hatten.

  • In den Niederlanden gibt es das Problem so nicht, die habe viele feste Stellen im Mittelbau. Warum übernimmt man nicht das System?

  • Dieses Gesetz verschlimmert es nur.



    Die Zeit nach der Promotion wird von 6 auf 4 Jahre verkürzt. Dh der Stress um sich für eine Professur zu qualifizieren wird höher, da der Zeitdruck größer wird. Forschungsanträge dauern schon mal 1 Jahr und länger, und von abgeschlossenen Projekt ganz zu schweigen.

    Und der Aufhänger, zuviel kurzfristige Verträge, hat auch eine andere Seite: viele der kurzfristigen Verträge waren zum Vorteil der jungen Leute. Wenn das Promotionsprojekt nicht wie vorgesehen in drei Jahren abgeschlossen werden konnte, wird ein halbes Jahr oder so der Abschluss finanziert. Wenn die Möglichkeit wegfällt, heisst es, sorry, und vielleicht ist damit die Promotion futsch. Also, wieder mehr Stress, zB auch bei allen die ein Stipendium (zählt meist nicht für die Befristungsregelung) bekommen haben. Wenn die Zeit des Stipendiums nicht ausreicht, wird denen keiner eine Stelle anbieten, weil die dann mindestens drei Jahre laufen muss.

    Kettenverträge von jeweils einem Jahr oder so, sind auch heute schon verboten und werden selbst bei wechselnden Geldquellen oft nicht genehmigt.

  • Echt jetzt, wer will den ewig Hiwi oder Wissenschaftlicher Mitarbeiter sein? Die bisherige Regelung ist doch klar ausgelegt um ein Sprungbrett zu schaffen - nicht einen Dauerjob zu schaffen.

    • @Lars Sommer:

      Hiwi und wiss. MA sind zwei grundverschiedene Positionen und es gibt sehr Viele, die letzteres gerne dauerhaft machen würden - bzw. das gerne ohne ständiges patchwork machen würden. Nur mit Profs und Hiwis kann man keine qualitativ hochwertige Fﹰorschung und Lehre betreiben.