: Billiger geht‘s nicht
Gewerkschaft warnt vor Honorardumping durch Ein-Euro-Jobs in Medien. Behörde alarmiert. GAL sieht Missbrauch des Hamburger Modells
von Alexander Diehl und Eva Weikert
Kritiker hatten es von Anfang an bemängelt, zunehmend scheint es sich zu bewahrheiten: Die neuen Ein-Euro-Jobs, wie sie Beziehern des Arbeitslosengelds II angeboten werden, sind nicht nur kein taugliches Mittel zur Wiedereingliederung der Betroffenen in den ersten Arbeitsmarkt. Darüber hinaus gefährdet die Maßnahme zunehmend reguläre Beschäftigungsverhältnisse: Man prüfe derzeit mehrere Fälle, in denen solcher Verdacht besteht, so Wirtschaftsbehördensprecher Christian Saadhoff gestern zur taz.
Darunter sei auch das Projekt „Hamburger Medienpool e. V.“. Dieser Träger gibt an, Arbeit Suchende auf die Selbständigkeit im Medienbereich vorzubereiten. Seit vergangenem Monat verweist die Arbeitsgemeinschaft (Arge) von Behörde und Arbeitsagentur die ersten Betroffenen an den Medienpool. 120 sollen zur Bewerbung eingeladen werden, 20 „erwerbsfähige Hilfebedürftige“ will man „in journalistischen Disziplinen“ schulen und „für Erfolg am Arbeitsmarkt“ ausstatten, heißt es in der Selbstdarstellung.
Das soll „praxisnah“ geschehen, und so werden bereits erste richtige Aufträge akquiriert. Das sei „gesetzeswidrig“, teilte gestern die Journalistengewerkschaft dju mit. Sie spricht von einem „skandalösen Honorardumping gegenüber hunderten freien Journalisten, Grafikern und Mediengestaltern in der Stadt“.
Zu Unrecht, findet Medienpool-Leiter Peter Kasperek: Die Aufträge, Medienprodukte oder auch Internetseiten zu gestalten, würden ausschließlich „im Non-Profit-Bereich“ akquiriert, wo für freie Anbieter nichts zu holen sei. Insofern seien die vorgeschriebenen Kriterien der Zusätzlichkeit und Gemeinnützigkeit erfüllt. Die dju bezweifelt das vehement und fordert die Arge auf, die Vermittlung zu stoppen.
Scharfe Kritik musste die Arge gestern auch für ihr Bemühen einstecken, ihren Vermittlungserfolg durch massenhafte Ausgabe von Gutscheinen für das „Hamburger Modell“ zu steigern. Dies ist eine Fördermaßnahme, bei der Arbeitnehmer und -geber einen Lohnzuschuss erhalten. So soll Anreiz zur Etablierung zusätzlicher sozialversicherungspflichtiger Jobs gegeben werden. Arbeitslose können selbst mit dem Schein auf Jobsuche gehen, den die Arge bei Erfolg einlöst.
Wie die GAL warnt, erhalten derzeit „wahllos“ und „ohne Profiling“ alle erwerbslosen ALG-II-Empfänger, die persönlich in der Arge vorstellig werden, den Gutschein. „Statt die Zuschüsse gezielt dort einzusetzen, wo zusätzliche Arbeit entsteht“, rügen die Grünen, „wird den Mitnahmeeffekten Tür und Tor geöffnet, wenn faktisch bei jeder Arbeitsaufnahme ein Gutschein eingelöst wird.“ Zugleich drohten bei 67.000 Langzeitarbeitslosen die Kosten „zu explodieren“. Das Modell sehe 3.750 Förderfälle vor.
Die Aufsicht führende Wirtschaftsbehörde ist indes nicht beunruhigt. Den Gutschein einlösen könnten ja nur Arbeitslose, die einen Job fänden. „Wie es auf dem Arbeitsmarkt aussieht“, so Sprecher Saadhoff, „werden das sicher nicht mehr als die geplanten Förderfälle sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen