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Einigung auf europaweite AkteGesundheitsdaten EU-weit verfügbar

Die EU-Gremien haben sich auf eine gemeinsame Patientenakte geeinigt. Kritiker warnen vor negativen Folgen für die Patienten.

Demnächst EU weit verfügbar: Patientenakten in einer Arztpraxis Foto: imago

Brüssel taz | Die EU steht für Datenschutz, aber sie fördert auch die Datennutzung. Das gilt künftig auch für den sensiblen Bereich der Gesundheit. Das Europaparlament und die EU-Staaten melden eine vorläufige, politische Einigung auf den europäischen „Gesundheitsdatenraum“, mit dem Patientendaten EU-weit verfügbar gemacht werden sollen. Kritiker warnen vor einem Kontrollverlust.

Der Deal sieht vor, dass Vorerkrankungen, Röntgenbilder oder Medikamentenverschreibungen digital in elektronischen Patientenakten gespeichert werden. Damit sollen sie Patienten, aber auch dem ärztlichen Personal in der gesamten EU zur Verfügung stehen. Für Forschungszwecke soll es zudem möglich sein, dass die Daten pseudonymisiert herausgegeben werden. Für Werbezwecke, Versicherungen oder Kreditvergabe soll das aber tabu sein.

Auch bei der Jobsuche sollen die Gesundheitsdaten nicht genutzt werden. Die Patienten sollen bei jeder Erfassung informiert werden und die Daten bei Bedarf korrigieren können. Außerdem soll es die Möglichkeit geben, gegen eine etwaige „Zweitverwertung“ einen Widerspruch einzulegen. Auch die Datenschutzbeauftragten sollen eine Rolle spielen; bei Verstößen können sie Strafen verhängen.

Die EU-Kommission lobte die Einigung als „zentralen Baustein der Gesundheitsunion“, die seit der Coronakrise aufgebaut wird. Allerdings ist die Rechtsgrundlage wacklig; die Gesundheitspolitik ist eine Domäne der EU-Staaten. Auch für die Erfassung und Speicherung der Patientendaten gibt es bisher keine EU-weiten Regeln. In einigen Länder wie Belgien werden die Daten bereits genutzt, in anderen wie Deutschland steht das noch am Anfang.

Aus dem Europaparlament kommen gemischte Kommentare. Die Verhandlungsführer loben den Kompromiss. „Die Bürger erhalten die Kontrolle über ihre Daten“, sagte der konservative EU-Abgeordnete Tomislav Sokol aus Kroatien. Der Deal stelle sicher, dass die Gesundheitsversorgung in der gesamten EU auf der Höhe der Zeit sei, sagte Annalisa Tardino von der rechtsextremen Lega aus Italien.

Wesentlich kritischer äußerte sich Patrick Breyer von der Piratenpartei. Ein europaweiter Zwang zur elektronischen Patientenakte sei zwar verhindert worden. Wer der elektronischen Patientenakte oder ihrer Auswertung nicht insgesamt widerspricht, ermögliche jedoch auch einen grenzüberschreitenden Zugriff durch ausländische Behandler, Forscher und Regierungen.

Breyer kritisiert das scharf: „Das widerspricht dem Interesse der Patienten, von denen laut einer Meinungsumfrage nur eine Minderheit einen grenzüberschreitenden europaweiten Zugriff auf ihre Patientenakte wünscht.“ Ähnlich äußerte sich der europäische Verbraucherverband BEUC: Es sei „eine Schande“, dass Patienten nicht einfach Nein sagen könnten.

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7 Kommentare

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  • "Auch die Datenschutzbeauftragten sollen eine Rolle spielen; bei Verstößen können sie Strafen verhängen."

    Dann ist das hier aus Lauterbachs Gesetzentwurf vom letzten Jahr vom Tisch?



    "Mit seinen Gesetzes­vorhaben vergrößert Lauterbach nun den Konflikt: Er plant, den Bundesdatenschutzbeauftragten bei dem Digitalisierungsprozess zu entmachten. Dessen Vetorecht soll fallen, ebenso das des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)."



    taz.de/Elektronisc...ntenakte/!5918459/

  • Endlich mal positive Ansätze in diesem Bereich. Viel zu häufig werden die Vorteile der europäischen Lösung ignoriert.

    • @1Pythagoras:

      Ist mir egal, welche Vorteile das hat. Ich möchte widersprechen können, gerade bei einem so immensen Datenaustausch.

  • Um es noch einmal deutlich zu machen:

    Pseudonymisierung ist nicht Anonymisierung!

    D.h. (vereinfacht) hier wird "Müller" durch "Meier" ersetzt. Und gerade durch den Rest der Daten. Aus Wikipedia:

    "Je aussagekräftiger die Datenansammlung ist (z. B. Einkommen, Krankheitsgeschichte, Wohnort, Größe), desto größer ist die theoretische Möglichkeit, diese auch ohne Code einer bestimmten Person zuzuordnen und diese identifizieren zu können."

    Und die Erfahrung zeigt: diese Datensammlung ist für viele interessant. Wenn das nur pseudonymiert wird, können wir unsere Patientenakte auch gleich in die Zeitung setzen.

  • Das ist ja super.



    Hervorragend.

    Die Stasi und die Gestapo hätten sich gleichermaßen über einen so reichhaltigen Datenfundus gefreut.

    Denn "legal" ist ja eine Frage der Definition.



    Und das Recht auf informelle Selbstbestimmung offenbar auch.

    Selbst wenn die Daten noch so gut verschlüsselt wären (wenn sie es denn wären!) wäre das noch lange keine Garantie dafür dass diese Daten nicht missbraucht werden.

    Zu verlockend für die Versicherungsindustrie, für Arbeitgeber, die Kreditwirtschaft und nicht zu letzt für die Werbewirtschaft.

    Dass es längst keine Grenzen mehr gibt was die Verknüpfung von Datentöpfen angeht und die damit verbundene Glasifizierung der Menschen ist eine eine Binse.

  • Würden Sie Ihren Nachbarn erzählen, dass Sie einmal Tripper gehabt haben? Oder dass Sie AIDS haben? Wohl kaum.



    Um ein solches Ausmaß an Sensibilität von Daten geht es aber.

    Und die einzige Garantie, dass hier nichts schief geht, eine Zusage von Amtsseite.



    Wohlgemerkt, eine Zusage zu einer Regel, die sich morgen auch wieder ändern könnte, auch zum Schlechteren.



    Sind ersteimmal die Datenpfade geschaffen, ist spaeteren Änderungen auch zum Datenmissbrauch Tür und Tor geöffnet.

    Was dürfte einer Versicherung wohl der gesamte Datenbestand der 80 Millionen Deutschen oder aller Europäer wert sein? Wie will man hier langfristig eine Bestechung der verantwortlichen Administratoren der Server vor einer Bestechung in Höhe von Millionen Euro bewahren?

    Dies ist ein aberwitziger Skandal, was hier gemacht wird. Wann wird hier endlich Datenschutz FÜR die Verbraucher gemacht und nicht gegen sie?

    • @Werner2:

      Tripper?



      Wieso gehabt ?