Kinder fragen, die taz antwortet: Jesus – auch als Mädchen berühmt?
Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Lia, 9 Jahre alt.
Das ist eine interessante Frage, liebe Lia! Solange aber niemand in die Vergangenheit reisen kann, um den kleinen Jesus mit einem Mädchen zu ersetzen, werden wir es nicht ganz sicher wissen können. Aber wir können ja mal überlegen.
Es ist denkbar, dass Jesus als Mädchen genauso berühmt geworden wäre. Manche Menschen argumentieren damit, dass Jesus ja wegen seiner Wundertaten berühmt geworden ist. Wenn eine Frau diese Wundertaten vollbracht hätte, dann stehen die Chancen nicht schlecht, oder?
Stellen wir uns also mal vor, Jesus kommt als Mädchen auf die Welt. Wir sagen jetzt mal, Maria und Josef nennen das Kind Jess. Die kleine Jess darf genauso, wie es Jesus getan hat, in die Schule gehen und lesen und schreiben lernen. Sie beginnt, Jünger:innen um sich zu scharen, heilt Kranke und kann über Wasser gehen. Weil sie diese Wunder vollbringt, wird sie von ihren Anhänger:innen verehrt. Jess wird berühmt, die Menschen sehen in ihr die Tochter Gottes.
Wer weiß, vielleicht hätte sich das Christentum dann ganz anders entwickelt. Vielleicht hätte sich eine katholische Kirche etabliert, in der Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer. Bis heute dürfen sie zum Beispiel nicht Priesterinnen werden und keine Weihe empfangen. Mit Jess statt Jesus wäre das heute vielleicht nicht so.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Es hätte aber auch anders laufen können. Vor 2.000 Jahren hatten oft die Männer das Sagen. Das war sehr unfair. Es wäre dann vielleicht so gewesen, dass unsere Jess gar nicht in die Schule hätte gehen dürfen. Vielleicht hätte sie früh heiraten müssen, um sich um Haus und Kinder zu kümmern. Und vielleicht hätte sie auch gar nicht so viele Anhänger:innen gefunden, einerseits, weil sie vor lauter Care-Arbeit gar keine Zeit für Wundertaten gehabt hätte, und andererseits, weil viele Männer sie als Frau gar nicht ernst genommen hätten.
Leider gibt es immer noch Männer, die Frauen nicht ernst nehmen. Aber es werden weniger. Wir sind schon weit gekommen, dank vieler starker, mutiger Frauen, die für ihre Rechte gekämpft haben. Von diesen Frauen wirst du vielleicht noch in der Schule lernen.
Es ist noch ein weiter Weg, bis alle Menschen gleichberechtigt sind, niemand mehr diskriminiert wird und alle dieselben Chancen im Leben haben. Egal, welches Geschlecht man hat oder wo man herkommt. Vielleicht hätte Jess den Weg beschleunigt. Livio Koppe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland