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Büroroman von Fien VeldmanAllergisch gegen Anstrengung

Diese Angestellte möchte einem Laserdrucker ihre Kindheit erzählen: „Xerox“ von Fien Veldman ist ein absurder Parcours durch die Arbeitswelt.

Alltag im Büro: Drucken, drucken, drucken Foto: imago

Fien Veldmans Roman „Xerox“ arbeitet sich an dem langweiligen Ort par excellence ab: dem Büro. Als Schauplatz öder, sinnentleerter, unerträglich repetitiver und generell nervtötender Arbeit, an dem ein erheblicher Teil moderner Ar­beit­neh­me­r*in­nen einen Großteil ihrer Wach­zeit verbringen, ist das Büro Schauplatz der heftigsten Konflikte, die man abseits des Liebes- oder Familienlebens überhaupt noch so erleben kann.

Da in der Regel von vornherein feststeht, dass es dabei aber eher um zwischenmenschliches Kleinklein als die ganz großen Fragen geht, liegt auch die Komik als Register nahe, um vom Büroalltag zu erzählen.

Veldman steht dabei als Niederländerin in einer großen Tradition: J.J. Voskuil hatte mit seinem siebenbändigen „Das Büro“-Roman schließlich in proustschen Dimensionen vom Drama der Angestelltenexistenz berichtet. „Xerox“ braucht hingegen nur 223 Seiten, um einen Lebensabschnitt der namenlosen Erzählerin zu schildern, die in einem namenlosen Start-up mit ungenannten Geschäftsfeld in einer namenlosen Großstadt arbeitet: „So fühlt es sich ungefähr an: Ich werde von einer schweren, durchsichtigen Schleimschicht erdrückt, die unseren Planeten bedeckt, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich ersticke.“

Die Geschichte dieses Ichs ist eine für ihre Generation exemplarische: Ein Arzt diagnostiziert bei ihr eine Al­lergie gegen übermäßige Anstrengung, viele ihrer 25- bis 30-jährigen Altersgenossen litten daran, teilt er ihr mit. Ungünstig: Denn sie möchte ihre Arbeit doch zumindest so gut machen, dass sie sie nicht verliert und auf ihre Herkunft in einem Vorort zurückgeworfen wird, in dem Sozialkontakte nicht in heiteren Gesprächen wie die zwischen „Sales“ und „Produktmanagement“ bestehen und von interessanten Businesskonzepten handeln.

Der Roman

Fien Veldman: „Xerox“. Aus dem Niederländischen von Christina Brunnenkamp. Hanser, München 2023, 224 Seiten, 23 Euro

Die Kindheit und Jugend, die es abzuwerfen gilt, ist offen gewalttätig: „Wir reißen einander die Haare büschelweise aus, beschimpfen die Mutter der anderen als Hure, kratzen einander mit scharfen Nägeln, und alles ist Wettkampf: wer zuerst eine Zahnspange bekommt, wer zuerst ihre Tage hat und wer zuerst vergewaltigt wird.“ Die Büroarbeit attackiert die Erzählerin immerhin nur mit langsam zermalmender Geistlosigkeit, der sie lange Gespräche mit einem Drucker entgegensetzt, auf dem sie als Kundendienstmitarbeiterin irgendwelche Briefe ausdruckt.

Strebsame Start-up-Pflanze

Diese Gespräche, aus denen sich der Roman teils zusammensetzt, führt sie jedoch nicht nur für den von ihr animistisch geliebten Drucker gut hörbar, sondern auch für ihre Kolleg*innen. In der Annahme, dass nur jemand, der nicht gut beieinander ist, an einem wunderbaren Kundendienstjob leiden könne, wird eine Freistellung ausgesprochen. Aber es nützt nichts, aus dem Büroweirdo wird keine strebsame Start-up-Pflanze mehr.

Schwer vorzustellen: Nicht mehr davon zu wollen. Aber die Erzählerin möchte einfach nur einem Laserdrucker ihre Kindheit erzählen: „Ich sehe mich nirgend in zehn Jahren, ich habe keine Zukunftsträume, ich habe kein Ziel außer der Wiedervereinigung mit meinem Gerät. Ich möchte mich nicht verbessern. Ich möchte nur sein. Ich hatte die vage Ambition, irgendwann den Ort zu verlassen, wo ich herkomme, und das ist mir gelungen.“

Veldman gestaltet ihren Roman als absurden Parcours durch eine Arbeitswelt, von der gar nicht mehr erwartet wird, dass sie mehr sein könnte als der Ort, in dem man seine Lebenszeit für das Recht eintauscht, sich als Mitglied der Gesellschaft zu betrachten, die sich anscheinend nur aus Ar­beit­neh­me­r*in­nen zusammensetzen soll.

Wie bei Hitchcock

Dabei schickt Veldman ihre Erzählerin auf eine schier unendliche Suche nach dem Verbleib eines Pakets unklaren Inhalts, das zu ihren Händen ans Büro geliefert wurde. Dieses Paket ist ein wahrer McGuffin, wie Alfred Hitchcock in seinen Filmen mysteriöse Objekte nannte, die die gesamte Handlung antreiben und mit der Psyche der Figuren aufreibende Spiele treiben.

Wie in einem Hitchcock-Thriller verliert Veldmans Protagonistin bei der Suche nach dem Paket mehrfach beinahe komplett die Nerven. Darüber nachzudenken, dass noch schlechter bezahlte Arbeitskräfte mit noch mehr Mühe an der Auslieferung des Pakets (es enthält Druckertinte) beteiligt sind, erlaubt Veldman der Erzählerin nicht mehr, legt es aber dafür ihren Le­se­r*in­nen umso geschickter nahe.

„Xerox“ ist ein kurzer Roman über die Arbeitswelt, der mit maliziösem Lächeln erzählt, das niemals zu einer Grimasse wird. Die Festanstellung gerät zum Urteil „lebenslänglich“, und Arbeit wird als ein Prozess kenntlich, der vor allem deshalb belohnt wird, weil man nicht benennt, worum es sich dabei handelt: Bullshit.

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