piwik no script img

Berliner Wohnungsbau contra NaturschutzSchneller bauen, weniger schützen?

Umweltverband Nabu befürchtet „Anschlag auf die Stadtnatur“ durch das Schneller-Bauen-Gesetz. Er kritisiert Bausenator Christian Gaebler (SPD) hart.

Das Schneller-Bauen-Gesetz soll dazu beitragen, dass in Berlin zügig mehr Kräne für mehr Wohnungsbau zu sehen sind Foto: Florian Gaertner/Imago

Berlin taz | Führt das von der schwarz-roten Koalition geplante Schneller-Bauen-Gesetz zu weniger Artenschutz und massiver Schwächung beim Naturschutzrecht? Das befürchtet der Landesverband des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). Dem widerspricht Bausenator Christian Gaebler (SPD). „Es ist falsch, wenn der Nabu sagt, wir würden gegen Bundesrecht verstoßen“, äußerte sich der Senator vor Journalisten.

Hintergrund des Streits ist, dass CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vor elf Monaten vereinbart haben, den weithin gewünschten Wohnungsbau in Berlin zu beschleunigen. Im Koalitionsvertrag heißt es über das angestrebte Gesetz: „Dabei sollen für einen befristeten Zeitraum u. a. Regelungen zu verkürzten Fristen, schnelleren Verfahren, engerer Abstimmung und Verzahnung mit dem Baunebenrecht (z. B. Denkmalschutz, Natur- und Artenschutz, Abstimmung zwischen den Behörden, parallele Verfahrensschritte) sowie Flächenprüfungen in den Bezirken beschlossen werden“.

Nach gegenwärtiger Planung des Senats soll das Abgeordnetenhaus dieses Schneller-Bauen-Gesetz im Herbst beschließen. Gaebler sprach in der Pressekonferenz von einem „überragenden öffentlichen Interesse an Wohnungsbau und sozialer Infrastruktur“. Angesichts dessen sei wie so oft eine Abwägung von Zielen nötig. Das soll zusammen mit der von Manja Schreiner (CDU) geführten Senatsverwaltung für Umwelt geschehen.

Dem Nabu liegt nun nach eigenen Angaben ein interner Entwurf der Wohnungsbauleitstelle in Gaeblers Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vor, der 2013 eingerichteten zentralen Anlaufstelle für Wohnungsneubau. Dieser Entwurf soll vorsehen, das Mitspracherecht von Verbänden wie dem Nabu einzuschränken. „Außerdem will Gaebler geschützte Biotope wie Feuchtwiesen, Magerrasen, Feldhecken sowie naturnahe Eichenmischwälder wie in der Wuhlheide aus dem Naturschutzgesetz streichen, so dass sie ohne Genehmigung zerstört werden könnten“, kritisiert der Nabu in einem auf seiner Internetseite veröffentlichten Text.

„Überlegungen müssen erlaubt sein“

Dort ist auch zu lesen, Gaeblers Vorhaben sei „ein Anschlag auf die Berliner Stadtnatur“. Er bleibe „stellenweise sogar hinter dem Bundesrecht zurück und würde sogar die Bebauung von Flächen erlauben, die bislang nach dem Bundesnaturschutzgesetz gesichert sind“.

Dazu sagt Gaebler: „Wir können ja gar nicht gegen Bundes- und EU-Recht agieren.“ Ihm geht es nach eigenen Worten um Folgendes: zu schauen, wo das Land Berlin per Landesgesetz bisher über solche Vorgaben hinausgeht und wie sich das unter Umständen wieder zurück führen ließe um schneller bauen zu können. „Solche Überlegungen müssen erlaubt sein.“

Er habe teilweise die Erfahrung gemacht, „dass der Artenschutz missbraucht wird, um zu verzögern“, sagte Gaebler, der von 2011 bis 2016 Staatssekretär für Umwelt war. Nach seiner Darstellung würden Verbände bislang oft mehrfach beteiligt, würden danach aber doch klagen.

Vom Nabu hingegen heißt es: „Gaebler wirft leichtfertig den Biotop- und Artenschutz über Bord.“ Seiner Argumentation pro Beschleunigung folgt man nicht: „Dass der Wohnungsneubau stockt, liegt gar nicht am Naturschutz, sondern an hohen Baukosten und Zinsen, Fachkräftemangel und anderen Problemen.“

Laut Gaebler gab es von der Bauwirtschaft Vorschläge, an welchen Punkten sich beschleunigen lassen könnte. In der Pressekonferenz wies er nach einer entsprechenden Frage des RBB aber die Vorstellung zurück, das Schneller-Bauen-Gesetz würde von Lobbyisten der Bauwirtschaft formuliert: „Den Gesetzentwurf schreiben wir bei uns im Haus.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Es gibt nur drei Möglichkeiten mehr Einwohner in Berlin unter zu bringen



    1. freie Flächen bebauen ( = Natur platt machen )



    2. In die Höhe wachsen ( = bestehende Bebauung platt machen )



    3. Weniger Wohnfläche pro Person

    Das schwächste Glied ist dabei die Natur.



    Darauf wird es hinaus laufen.



    Bei jeder Partei.

    • @Rudolf Fissner:

      Oder man bebaut einfach doch mal das Tempelhofer Feld - da ist eben keine Natur sondern nur eine marode Wiese und Asphalt.

      Nebenan ist ja weiterhin eine riesige Naturerholungsfläche namens Hasenheide...

      • @Heike 1975:

        Das Tempelhofer Feld ist keine marode Wiese. Diese wurden während des Flugbetriebs extensiv genutzt, bzw. gemäht. Die Flugzeuge haben darauf ja keine Rallyes gefahren.