Streit um Haushalt in Schleswig-Holstein: Opposition prüft Verfassungsklage

Weil die schwarz-grüne Regierung den Haushalt mit drei Notkrediten finanzieren will, prüfen SPD und FDP eine Verfassungsklage.

Zwei Männer in Anzügen sprechen mit einer Frau mit einem rosa Schal

Ole-Christopher Plambeck (l, CDU), Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und die grüne Finanzministerin Monika Heinold Foto: Frank Molter/dpa

RENDSBURG taz | „Armselig“, schimpfte Tobias Koch, CDU-Fraktionschef am Mittwoch im Kieler Landtag in Richtung von FDP und SPD. „Realsatire“ nannte Christopher Vogt (FPD) den Haushaltsentwurf aus dem Ministerium der grünen Finanzministerin Monika Heinold, die sich entnervt an die SPD-Fraktion wandte: „Nicht lang schnacken, eigene Vorschläge machen!“ Die Debatte bildete den Höhepunkt eines Streits, der sich seit Wochen zwischen der schwarz-grünen Regierung und der Opposition zuspitzt.

Es geht um den Landeshaushalt, in dem Ausgaben von über 17 Milliarden Euro vorgesehen sind. Heinold will 1,5 Milliarden Euro davon aus Notkrediten finanzieren. Das ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur unter sehr strengen Regeln möglich. CDU und Grüne gehen davon aus, dass sie diese Regeln einhalten, die Minderheitenpartei SSW stimmt ihnen zu. Die FDP lehnte den Vorschlag sofort ab, die SPD zögerte lange, sich festzulegen. Auch bei der Landtagsdebatte am Mittwoch blieb die Fraktionsvorsitzende und Oppositionsführerin Serpil Midyatli vage: „Wir haben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Wir prüfen“, sagte sie.

Erst in der Debattenpause erklärte sie sich deutlicher: Gemeinsam mit der FDP habe die SPD den Bielefelder Rechtswissenschaftler Simon Kempny als Prozessbevollmächtigten beauftragt, der ein Gutachten erstellen soll. Wenn es vorliegt, „werden wir entscheiden, ob und gegen welche Teile des Haushalts wir klagen“, sagte Midyatli der Deutschen Presse­agentur. Spätestens im Juni könnte es so weit sein. Für eine Verfassungsklage braucht es zwei Fraktionen oder ein Drittel der Abgeordneten des Parlaments.

Notkredite will die Landesregierung wegen der Ostsee-Flut im Jahr 2023, dem Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 und der Corona­pandemie von 2020 aufnehmen. Das ist einzigartig: Zwar nutzen auch Brandenburg, Bremen, das Saarland und Sachsen-Anhalt Notkredite, aber nur Schleswig-Holstein macht gleich drei Töpfe auf. Das Land ist bereits mit fast 32 Milliarden Euro verschuldet.

Keine Vorschläge von SPD und FDP

Dass die Flut eine akute Notlage darstellt und es Geld braucht, um die Schäden zu beseitigen, diese Ansicht teilen alle Fraktionen. Aber Corona? Ausgerechnet in Schleswig-Holstein, das vergleichsweise gut durch die Pandemie kam? „Sie wollen über diesen Kredit Radwege bauen, weil Radfahren das Immunsystem stärkt – das klingt nach Loriot“, sagte Christopher Vogt. „So plump kann man nicht argumentieren.“

Heinold widersprach: „Die Kosten sind die Folge älterer Beschlüsse.“ Der Staat müsse handlungsfähig sein, es brauche mehr Geld für Kommunen oder für Kitas. Die meisten Ausgaben, die die FDP nun kritisiere, seien noch von der Jamaika-Koalition, also mit der FDP, beschlossen worden. Das Land müsse verlässlich sein und halten, was versprochen wurde.

Während der SSW über 150 Anträge zum Haushalt gestellt und einige Änderungen durchgesetzt hatte – unter anderem mehr Geld für die dänische und friesische Minderheit und für ein Kulturfest –, gab es von SPD und FDP gar keine Vorschläge, wie das Land seine Aufgaben erfüllen und dennoch im Schuldenrahmen bleiben könnte. Dafür gab es Kritik, unter anderem von der Grünen Eka von Kalben: „Die Menschen sollen wissen, wer wofür steht. Das schadet der Demokratie.“

SPD will Debatte über Schuldengrenze

Die SPD hält den Haushalt auch durch Änderungen für „nicht heilbar“ und hatte sich stattdessen eine Debatte über die Schuldenbremse gewünscht: „Wir sehen den dringenden finanziellen Handlungsbedarf für die Zukunft Schleswig-Holsteins“, sagte Mid­yatli. Doch die „strukturellen Fragen können nur beantwortet werden, wenn sich gerade die Kolleginnen und Kollegen der CDU ehrlich machen und sich zu einer notwendigen Reform der Schuldenbremse bekennen“. Gerade von Ministerpräsident Daniel Günther wünschte sie sich Klarheit: „Er soll sich nicht immer wegducken.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch nannte die Verknüpfung von Landeshaushalt und Schuldenbremse auf Bundesebene einen „Kuhhandel“ und ein „parteipolitisches Spielchen“. Wenn der Haushalt verfassungswidrig sei, werde er nicht durch einen Antrag im Bundesrat geheilt.

Monika Heinold sieht es ähnlich: „Lücken in der Finanzplanung lassen sich nicht mit politischen Debatten über die Schuldenbremse lösen“, sagte sie. Angesichts der angespannten Haushaltslage gebe es aktuell keine Alternative zu Notkrediten. In den kommenden Jahren werde die Lage eher noch schwieriger werden, warnte die Finanzministerin. Schwarz-Grün habe daher einen Konsolidierungskurs vereinbart. Sie verwies darauf, dass das Land es bereits 2009 geschafft hatte, den Haushalt zu sanieren.

Trotz der drohenden Verfassungsklage konnten die Regierungsparteien mit ihrer Mehrheit und den Stimmen des SSW den Haushalt verabschieden. Am Nachmittag diskutierten die Abgeordneten die einzelnen Posten – mit ebenso scharfen Wortwechseln wie am Vormittag.

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