Coach Christian Streich tritt zurück: Die Zeitenwende
Christian Streich hört zum Saisonende als Trainer des SC Freiburg auf. Seit 1995 ist er mit dem Verein verwachsen, doch nun geht ihm die Energie aus.
Das wohl einschneidendste Ereignis der jüngeren Freiburger Vereinsgeschichte wurde per Videobotschaft verkündet. Und in der erklärte Christian Streich, dass er zum Saisonende als Trainer aufhören werde. Er tue das „sehr schweren Herzens“, glaube jedoch, dass es „nach 29 Jahren jetzt der richtige Zeitpunkt“ sei, um „neue Energie, neue Leute, neue Möglichkeiten hereinzulassen.“ Auch „unsere Spieler bei den Profis und die Menschen drumherum,“ bräuchten nun „diese neue Energie“.
Daran, dass er selbst die noch übers Saisonende hinaus ausstrahlen könnte, glaubt der 58-Jährige, der beim 2:3 gegen Bayer Leverkusen am Sonntag sein 711. Pflichtspiel als SC-Cheftrainer bestritt, zuletzt nicht mehr. Tatsächlich hat Streich im privaten Rahmen zuweilen durchblicken lassen, dass ihm Politiker und andere Prominente, die den Zeitpunkt verpassen, selbstbestimmt abzutreten, leidtun. Er selbst wollte es anders machen. Das hat er jetzt getan.
Streich, der als Spieler nicht dauerhaft über die zweite Liga (Freiburg, Homburg, Stuttgarter Kickers) hinauskam, arbeitete seit 1995 in diversen Funktionen im Nachwuchsbereich seines Herzensvereins. Cheftrainer wurde er im Januar 2012 – vor mehr als zwölf Jahren. Seither hat er den Verein von einer Fahrstuhlmannschaft zu einem Team gemacht, das sich zumindest in der oberen Tabellenhälfte etabliert hat und zum zweiten Mal hintereinander in der Europa-League spielte. In dieser Saison schied man erst vergangene Woche mit einem 0:5 gegen West Ham United aus. In dieser Spielzeit rangiert der SC derzeit auf Platz sieben, das internationale Geschäft ist immer noch drin.
Beruf als Berufung
Wenn sowohl die Fans als auch die meisten Spieler bis zuletzt hofften, dass Streich auch dieses Mal wieder um ein Jahr verlängern würde, liegt das nicht nur an seinen unbestreitbaren Erfolgen. Seine Art, die durchaus polarisieren kann, kommt rund um Freiburg gut an, wo der Rennrad-fahrende Trainer ein gewohnter Anblick ist. Es ist noch gar nicht lange her, dass ein Vereinsmitarbeiter, der es wissen muss, über Streich gesagt hat, er sei der Einzige im Verein, der sich mit wachsendem Erfolg nicht verändert habe. Auch der wird nun umdenken müssen, wie seine mittlerweise dutzenden Kollegen allein im sportlichen Bereich, die keinen anderen Chef kannten als Streich.
Wenn der Coach nun in seiner Videobotschaft sagt, er sei „außergewöhnlich dankbar für die große Unterstützung und für die Zuneigung, die ich immer erfahren habe“, ist das ebenso wenig geheuchelt wie die Aussage, der Verein sei sein Leben. Menschen wie sein einstiger WG-Kollege und heutige Sportdirektor Klemens Hartenbach sind seit Jahrzehnten enge Freunde. Auch deshalb, weil der private und berufliche Bereich sich in seiner Vita schwer trennen lassen, hat Streich in den vergangenen Jahren immer wieder seinen Vertrag verlängert.
Diesmal hat er sich anders entschieden, auch aus Rücksicht auf seine Gesundheit. Streich war als recht sensiblem Menschen stets klar, dass die Art und Weise, wie er den Trainerjob nicht nur am Spieltag lebte, Jahr für Jahr mehr Substanz kostete. Auch weil er ihn nie als rein sportliche Aufgabe begriff und sich immer wieder auch zu politischen Fragen klar positionierte. Zuletzt ließ er keinen Zweifel an seiner Haltung in der Flüchtlingspolitik und seiner Gegnerschaft zur AfD.
Sportvorstand Jochen Saier, auch er ein Streich-Vertrauter, wusste seit Jahren, dass der 58-Jährige mit dem Gedanken liebäugelte aufzuhören – weshalb man in den letzten drei Jahren bei jeder Verlängerung die Formulierung wählte, man fahre in der Zusammenarbeit „auf Sicht.“ Saier ließ sich nun mit der Aussage zitieren, am Ende stehe „eine Entscheidung, die wir bedauern, aber in vollem Maße respektieren und nachvollziehen können.“
Schon vor längerer Zeit hatte Streich ausgeschlossen, dass er nach einem Ende seiner Freiburger Zeit ein anderes Team in Deutschland trainieren wird. Intern galt ein anderes Engagement in der Bundesliga sowieso immer als unwahrscheinlich. Über die Nachfolgelösung, die intern wohl feststeht, will der Verein „zeitnah“ informieren.
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