Koalitionsstreit in der Ampel: Scholz drängt sich ans Steuer
Der Kanzler sucht Bürgernähe, um Führungsstärke zu zeigen. In Sindelfingen sprach er ein Machtwort zum Taurus und äußerte sich zu Julian Assange.
Olaf Scholz sucht derzeit die Nähe zu Bürgerinnen und Bürgern, um seine Politik zu erklären. Er nutzt die Gelegenheit aber auch, um gezielte Botschaften zu senden und Führungsstärke zu demonstrieren. Beim Besuch der Mercedes-Teststrecke in Sindelfingen wollte er sich deshalb partout nicht von einer Ingenieurin kutschieren lassen, sondern setzte sich spontan selbst hinters Lenkrad. „Ich möchte selbst fahren“, sagte er. Mercedes-Chef Ola Källenius nahm derweil auf der Rückbank Platz.
Letzte Woche hatte Scholz auf einer Konferenz mit Chefredaktionen in den Räumen der Nachrichtenagentur dpa bereits Akzente gesetzt. Seine Weigerung, Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern, begründete er damit, dass Deutschland sich nicht selbst an diesem Krieg beteiligen dürfe. In Sindelfingen bekräftigte er diese Haltung noch einmal – und demonstrierte Stärke.
Das Risiko, Kriegspartei zu werden
„Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland“, sagte Scholz wörtlich. Es könne nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr weit reicht, und dann nicht darüber nachdenke, wie die Kontrolle über das Waffensystem stattfinden kann – „und wenn man die Kontrolle haben will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das völlig ausgeschlossen.“
Grüne und FDP hatten Scholz dafür scharf kritisiert. „Niemand, der Taurus für die Ukraine fordert, will, dass Deutschland zur Kriegspartei wird“, sagte etwa Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen. Die Vorsitzende des Bundestag-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), warf Scholz vor, er würde ein fragwürdiges Argument vorschieben. Die Behauptung, es müssten Bundeswehrsoldaten in die Ukraine, um diese Waffe vorzubereiten, sei falsch.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bekräftige am Montag noch einmal ihre Haltung, die Lieferung aller zur Verfügung stehenden militärischen Mittel für die Ukraine zu prüfen. „Wir werden alles tun, damit die Ukraine ihr Land … verteidigen und damit schützen kann“, sagte sie bei einem Besuch in Montenegro.
Scholz zweifelt an Auslieferung von Assange
In Sindelfingen sprach sich Scholz auch gegen eine Auslieferung von Julian Assange an die USA aus. „Ich bin der Meinung, dass es schon gut wäre, wenn die britischen Gerichte ihm den notwendigen Schutz gewähren, weil er ja doch mit Verfolgung in den USA rechnen muss, angesichts der Tatsache, dass er amerikanische Staatsgeheimnisse verraten hat“, sagte der Bundeskanzler. Er gehe davon aus, dass Assanges Chancen, in Großbritannien zu bleiben, gewachsen seien. „Denn die Vertreter der Vereinigten Staaten konnten den britischen Richtern in der letzten Verhandlung nicht zusichern, dass sich die mögliche Bestrafung in einem aus der Sicht Großbritanniens vertretbaren Rahmen bewegt“, sagte Scholz.
Die US-Regierung will dem Australier in den USA wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Washington wirft ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assange sieht sich hingegen wegen seiner journalistischen Tätigkeit strafrechtlich verfolgt und wehrt sich in Großbritannien juristisch gegen seine Auslieferung an die USA.
Zu dem abgehörten Gespräch von hochrangigen Bundeswehr-Offizieren über Taurus äußerte Scholz sich in Sindelfingen nicht. Am Freitag hatte Russland ein mitgeschnittenes Gespräch veröffentlicht, in dem hohe Luftwaffen-Offiziere verschiedene Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörterten, falls dieser doch an die Ukraine geliefert würde. Scholz wurde von den Schülerinnen und Schülern in der Runde aber auch nicht danach gefragt. Es war aber eben auch keine Pressekonferenz.
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