Neue Ernährungsempfehlungen der DGE: Aus Angst zu viel Fleisch

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hätte geringere Mengen des Klimakillers Fleisch empfehlen können. Aber sie steht unter Druck von Rechts.

Kühe im Sonnenschein hinter Gittern vor einem neu erbauten Kuhstall.

Die Tierhaltung verursacht 14 Prozent der deutschen Treib­hausgase Foto: imago

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beeinflusst maßgeblich, was hierzulande gegessen wird. Wenn Deutschlands wichtigste Vereinigung von ErnährungswissenschaftlerInnen zu weniger Fleisch rät, dann orientieren sich daran zum Beispiel Kantinen. ErnährungsberaterInnen lernen die Ratschläge teils auswendig. Die Medien haben die kürzlich veröffentlichten Empfehlungen der DGE weit verbreitet.

Deshalb können die neuen Orientierungswerte des Vereins Gesundheit und Umwelt nützen. Denn sie beziehen stärker als bisher ein, dass tierische Lebensmittel mehr Umwelt- und Klimaschäden sowie auch von der Ernährung bedingte Krankheiten verursachen als pflanzliche. Aber die DGE hätte weiter gehen können – und müssen.

Das zeigt sich besonders am Beispiel Fleisch: Ab sofort rät die DGE gesunden Nicht-VegetarierInnen im Alter von 18 bis 65 Jahren mit einem täglichen Energiebedarf von 2000 Kilokalorien, höchstens 300 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche zu essen. Bisher hatten die Experten maximal 300 Gramm bei geringem und 600 Gramm bei hohem Kalorienbedarf empfohlen.

Dabei lässt sich nach Berechnungen der DGE der Nährstoffbedarf auch bei einem Speiseplan mit zum Beispiel lediglich 119 Gramm Fleisch decken – also mit rund 60 Prozent weniger als der nun empfohlenen Menge.

Klimakiller Fleisch

Für die Umwelt wäre das besser. Denn vor allem die Tierhaltung ist dafür verantwortlich, dass die Landwirtschaft laut Umweltbundesamt 14 Prozent der deutschen Treib­hausgase verursacht. Sie trägt auch maßgeblich zum Artensterben bei. Und viele Nutztiere werden unter ethisch nicht vertretbaren Bedingungen gehalten.

Deshalb hätte die DGE ebenfalls weit mehr als wöchentlich nur eine Portion Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen empfehlen sollen. Sie können dazu beitragen, zum Beispiel tierisches Eiweiß zu ersetzen. Auch Alternativprodukte wie Tofu oder Sojamilch mit Calcium müssten eine größere Rolle spielen.

Die DGE begründet ihre Zurückhaltung damit, dass sie „eine höhere Akzeptanz“ erreichen wolle. Die ExpertInnen mussten tatsächlich mit einer Kampagne der Fleischbranche rechnen. Deren inoffizielles Zentralorgan Bild-Zeitung, rechtsradikale Medien und CDU/CSU-Politiker hatten schon gegen angebliche Fleischverbote gewettert, als die DGE über geringere Mengen auch nur diskutierte. Ähnlich nutzt die AfD die jetzt beschlossenen Empfehlungen. Aber von Propaganda sollten sich WissenschaftlerInnen nicht einschüchtern lassen. Von einer überwiegend vom Staat finanzierten Institution wie der DGE darf man mehr Mut zugunsten von Klima und Umwelt erwarten.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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