„Greenpeace Magazin“ wird eingestellt: „Plattform für Debatten sein“

Das „Greenpeace Magazin“ wird durch „atmo“ ersetzt. Redakteurin Frauke Ladleif über zeitgemäßen, engagierten Umweltjournalismus.

Baumfrosch in Costa Rica

„atmo“ will einen ganzheitlichen Blick auf Umweltthemen einnehmen Foto: Jeff R Clow/getty images

taz: Das Greenpeace Magazin wird mit der Septemberausgabe 2024 eingestellt. Mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion basteln Sie an einer neuen Umweltzeitschrift namens atmo. Wieso dieser Name?

Frauke Ladleif: Weil er so viel ausdrückt. Einerseits atmo als unsere Atmosphäre, als Synonym für unsere Existenz, unsere Lebensgrundlage. Andererseits atmo auch im Sinne von Stimmung. Die öffentliche Debatte ist sehr aufgeheizt, dem möchten wir etwas Positives entgegensetzen.

Wann und wie oft soll atmo erscheinen?

Voraussichtlich Anfang 2025. Und wohl sechsmal im Jahr, als Printmagazin und digital. Auch möchten wir unsere Inhalte online, über Messenger und themenspezifische Newsletter veröffentlichen.

geboren 1983, ist seit 2016 Redakteurin beim „Greenpeace Magazin“. Davor hat sie bei der „Financial Times Deutschland“ schon einmal miterlebt, was es bedeutet, wenn ein Printmedium eingestellt wird. Zwischenstopp beim German Institute of Global and Area Studies.

Umwelt- und Klimaschutz stehen zurzeit nicht vorn auf der politischen Agenda. Die Angst vor dem Klimawandel ist auf der Prioritätenliste der meisten Bürger von ziemlich weit oben nach hinten gerutscht. Andere Umweltpublikationen wie Umwelt aktuell sind in den letzten Jahren gescheitert. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für ein neues Ökomagazin?

Gerade weil das politisch nicht so auf der Tagesordnung steht, braucht es unabhängigen Umweltjournalismus. Kürzlich kam heraus, dass die Bahn ihre Neubauprojekte einstampfen muss, weil die Ampel spart. Auch der Radwegeausbau fällt dem Sparen zum Opfer. Ein Hitzejahr jagt das nächste, eine Überflutung folgt auf die nächste. Und trotz dieses offensichtlichen Handlungsdrucks ist Umweltpolitik das erste, was wieder zurückgedreht wird. Stattdessen beherrschen alte Lobbyinteressen den Diskurs. Klima und Umweltschutz sind derzeit in eine Art Kulturkampf verwickelt, in dem selbst eine Wärmepumpe zur Chiffre für ideologische Zwangspolitik erklärt wird. Oft wird den Lautsprechern die Bühne geboten, während sich die leise Mehrheit ärgert, dass zu wenig passiert.

Ist das zurzeit nicht eher eine Minderheit?

Könnte man meinen. Aber es gibt zahlreiche Umfragen, die zeigen, dass sich ein Großteil unserer Gesellschaft um den Erhalt der Lebensgrundlagen sorgt und da auch der Informationsbedarf groß ist. Umwelt und Klima sind zum Glück nicht mehr Nischenthemen wie noch vor 30 Jahren. Sie sind aber aus unserer Sicht noch längst nicht da angekommen, wo sie hingehören – nämlich an die Basis jeder politischen und wirtschaftlichen Entscheidung. Die Dringlichkeit ist da und diese Themen müssen in die Öffentlichkeit. Und dafür braucht es eine starke journalistische Stimme.

Wie sieht das inhaltliche Konzept aus, welche Schwerpunkte sind geplant?

Schwerpunkte sind ganz klar Umwelt, Klima, Natur, Menschenrechte als Themen, die überall hineinwirken. In die Politik, in die Wirtschaft, in den Alltag. Es geht dabei auch um Gerechtigkeit und Frieden, um Rassismus und das Erbe des Kolonialismus, um Gesundheit, Chemikalien, die Plastikflut. Und um Artensterben natürlich, um schwindende Ressourcen, um Flächenfraß. Im Grunde geht's darum, wie eine lebenswerte Zukunft möglich wird. Wir setzen also auf einen umfassenden Blick, der bei Umweltthemen oft zu kurz kommt. Das Ganze kombiniert mit tollen Fotostrecken und Infografiken.

Was heißt das konkret?

Wir wollen immer ein aktuelles Thema herauspicken und dazu Fakten und Hintergründe liefern, aktuell wäre das etwa der Sparplan der Bundesregierung und welche Folgen der für den Umwelt- und Klimaschutz hat. Oder die Bauernproteste, die Agrarwende, die Interessen der Gaslobby bei der Wärmewende, das wären weitere aktuelle Themen. Gleichzeitig möchten wir respektvoll streiten lassen in Streitgesprächen, um Argumenten in dieser aufgeheizten Zeit wieder mehr Raum zu geben, um einander zuzuhören. Neue Gentechnik, E-Autos, Fleischkonsum, es gibt ja auch bei Umweltfragen ganz viele Streitthemen.

Wir möchten auch zeigen, wie die ökologischen Wenden gehen, sagen, wer und was den Wandel bremst, dabei die Lobbyinteressen klar benennen. Gleichzeitig möchten wir die Leute nicht mit einem Gefühl der Apokalypse zurücklassen, sondern zeigen, wie Zukunft geht. Egal, wie schlimm die Lage ist, es gibt immer einen Weg daraus. Wir sehen es als unsere Aufgabe, diesen Weg zu suchen und zu zeigen. Zusammengefasst, wir wollen eine bunte Tüte anbieten aus politisch und lebensnah, aus radikal und inspirierend.

Kann man mit einem zweimonatlichen Erscheinen journalistisch intervenieren?

Unser Vorteil ist, dass wir mit dem täglichen Grundrauschen nicht konkurrieren müssen, so dass wir den Leuten eine Schneise durch den Informationsdschungel schlagen und Themen wirklich einordnen und Zusammenhänge aufzeigen können. Als Oase in dieser täglichen Nachrichtenflut.

Was wäre das Alleinstellungsmerkmal dieses neuen Umweltmagazins atmo?

Das Magazin soll erst der Anfang sein. Wir möchten eine Plattform für Debatten und Austausch schaffen. Wir lernen in unserer Arbeit seit Jahren so viele engagierte Menschen kennen, die sich auf vielfältige Weise für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einsetzen. Und das möchten wir auch anderen ermöglichen, indem wir diese inspirierenden Menschen zusammenbringen mit engagierten Menschen, die selber was machen wollen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel wenn wir mit einer Ingenieurin sprechen, die Plastikflaschen entwickelt hat aus recycelten Kunststoffen aus der Region. Das interessiert auch andere: Wie hast du das gemacht? Wie geht das vielleicht in unserem Landkreis? Oder dass wir eine Genossenschaft vorstellen, die für Ökobauern Land kauft und günstig verpachtet. Lässt sich das nachmachen? Solche Initiativen möchten wir über Gesprächsformate und Workshops mit Interessierten zusammenbringen. Dieser Mitmachgedanke, diese Lust am Selbermachen, diese Erfahrung von Selbstwirksamkeit, das ist, glaube ich, in diesen Krisenzeiten so wichtig.

Wie wollen Sie das Vorhaben einer Magazinneugründung finanziell stemmen?

Es ist eine enorme Herausforderung, noch mal neu zu starten. Wir als Gründungsteam gehen dabei auch ins eigene finanzielle Risiko. Aber wir möchten den 53.000 Greenpeace Magazin-Abonnent:innen ein neues geliebtes Umweltmagazin, eine publizistische Heimat anbieten. Wir hoffen, dass sie sich auch für atmo entscheiden. Das wäre schon eine gute Basis. Aber darüber hinaus möchten wir ein Magazin für die Breite werden. Wir haben in unserem atmo-Newsletter gerade eine Umfrage gemacht, wie viel die Leute bereit wären zu zahlen – ein gestaffelter Abopreis käme demnach gut an. Von 59 Euro als Basisabo bis hin zu 89 Euro, für sechs Ausgaben im Jahr.

Wollen Sie auch an die Kioske gehen?

Das wäre natürlich schön. Aber leider ist das sehr teuer. Es kann sein, dass das am Anfang noch nicht klappt.

Reicht es, nur auf Abos zu setzen?

Wer uns lieber online liest, soll die Möglichkeit erhalten, atmo über ein voraussichtlich freiwilliges Bezahlsystem zu unterstützen. Wir können uns auch vorstellen, mittelfristig als eine gemeinnützige GmbH zu firmieren, um mit Stiftungen zusammenzuarbeiten und uns auch über Spenden zu finanzieren, wie das zum Beispiel Correctiv sehr erfolgreich macht. Eine andere Variante wäre ein Genossenschaftsmodell à la taz, was eine Mitgliedschaft und mehr Teilhabe an dem ganzen Projekt ermöglichen würde. Es gibt ja wirklich tolle Medienprojekte, die genau an der Frage der Finanzierbarkeit von unabhängigem Qualitätsjournalismus arbeiten und das bereits vormachen. Mit denen wollen wir auf jeden Fall zusammenarbeiten. Wir sehen große Chancen, gemeinsam etwas Neues aufzubauen. So eine Art Plattform für unabhängigen Umweltjournalismus.

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