piwik no script img

Verfassungsschutz arbeitet an EinstufungRechtsextrem? Na sicher!

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Laut eines Berichts bereitet der Verfassungsschutz die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ vor. Kein Wunder – die Partei dreht seit Jahren völlig frei.

Bald urteilt der Verfassungsschutz über die Einschätzung der AfD Foto: Daniel Karmann/dpa

E s dürfte ein großer Schritt in Richtung Verbotsverfahren sein: Laut eines Berichts der Süddeutschen Zeitung, der sich auf interne E-Mails des Inlandsgeheimdienstes bezieht, bereitet der Verfassungsschutz die Einstufung der AfD als gesichert extremistische Bestrebung vor. Laut der internen Kommunikation wartet das Bundesamt noch das bevorstehende Gerichtsverfahren zur Einstufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster ab, inwiefern es aus rechtlicher Sicht noch Einwände gibt.

Eine Klage gegen die Einstufung als rechtsextremistischen Verdachtsfall hat die AfD bereits vor dem Verwaltungsgericht in Köln verloren, dagegen findet im März das Berufungsverfahren statt. Die letzten Verfahren gewann das Bundesamt für Verfassungsschutz allesamt – eine weitere Klage gegen die Einstufung der Jungen Alternative als gesichert extremistisch verlor die Partei gerade mal vor drei Wochen.

Der Schritt kommt dabei nicht wirklich überraschend – die Partei hat sich seit ihrer Gründung vor rund elf Jahren fortwährend radikalisiert. Spätestens mit dem Parteitag von Riesa 2022 dominiert die völkisch-nationalistische Strömung von Björn Höcke die Partei. Die neurechten Ideologen wie Götz Kubitschek und Martin Sellner sind mittlerweile maßgebliche Taktgeber. Und deren Ideologie steht nun mal im offenen Widerspruch zu den Verfassungsprinzipien der Bundesrepublik.

Sie basiert auf der strukturell antisemitischen Verschwörungsideologie des großen Austauschs und läuft letztlich auf eine ethnische Homogenisierung der Gesellschaft hinaus. Sie artikuliert sich in Konzepten wie denen des Neonazis Martin Sellner, der sie in Konzepte für eine gewaltsame Politik gegenüber den Menschen formuliert, die nicht ins Weltbild der AfD passen: Geflüchtete, Staatsbürger mit Migrationshintergrund, die aus Sicht der AfD nicht deutsch genug seien, Journalist*innen, Antifas, missliebige Kulturschaffende, die Liste ließe sich verlängern.

Von antidemokratischem Sprech bis Bürgerkriegsaufrufen

Die Pressefreiheit sowie der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind der Partei ein Dorn im Auge, zivilgesellschaftliche Strukturen gegen Rechtsextremismus will sie zerschlagen. Zahlreiche rassistische und antidemokratische Äußerungen von AfD-Politiker*innen bis hin zum Aufruf zum Bürgerkrieg erzeugen schon heute eine gesellschaftliche Verrohung, die sich auch in Gewalt artikuliert.

Der Lübcke-Mörder hängte Wahlplakte für die AfD, spendete für die Partei und war auf der rechtsextremen AfD-Demo von Chemnitz, wo der völkische Flügel der AfD bereits 2018 den offenen Schulterschluss mit militanten Neonazis betrieb. In Thüringen arbeiten AfD-Abgeordnete mit Reichs­bür­ge­r*in­nen zusammen. Die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sitzt wegen der Beteiligung an Planungen zu einem Reichsbürger-Umsturz im Gefängnis. In der Partei werden Vertreibungspläne von Millionen Menschen diskutiert.

Gerade auch die jüngeren Entscheidungen unterstützen diesen Kurs: Der EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah schreibt extrem rechte Pamphlete in neurechten Verlagen und verbreitet Geschichtsrevisionismus an der Grenze zu Holocaust-Verharmlosung auf TikTok. Die AfD benennt Victor Orbáns Autoritarismus als Vorbild für Deutschland und wanzt sich in ekelerregender Weise sogar an Putin heran.

Dass das angebliche Frühwarnsystem Verfassungsschutz allerdings erst jetzt anschlägt, dürfte indes auch ein Verdienst der schützenden Hand des ehemaligen Leiters Hans-Georg Maaßens sein, der mittlerweile selbst als Rechtsextremist geführt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Wenn da jetzt an dem was das Team von Böhmermann über diesen Krah rausbekommen hat, dann geht es ja auch eher um Landesverrat und ähnliches.



    Traurig ist allerdings, dass sowas im Rahmen von Satiresendungen recherchiert wird. Warum kommt da nichts aus den demokratischen Parteien? Was wäre wenn nach den Lügengeschichten der Nazis dann einfach mal die traurige Wahrheit über deren Protagonisten in Tiktok aufploppen ?

  • Aber hallo! Na klar - und nicht erst seit gestern. Vor Jahren schon hat Höcke Polizisten aufgefordert, die Seite zu wechseln, andernfalls könne sich das beim Machtwechsel negativ für sie auswirken (--> Wikipedia). Mich wunderte zuvor schon, was man ihm und Konsorten alles durchgehen ließ unter dem Feigenblatt der Meinungsfreiheit.

    Mindestens genau so viel Sorgen macht mir die Wählerschaft: 25%? Die wollen alle ein Spektrum von Orban über Trump bis zu Putin? Wissen die nicht, was mit Mitläufern passiert, die ein einziges Mal eine geringfügig andere Meinung vertreten? Trump und Orban sägen solche Leute bislang ab und verleumden sie aufs Schmutzigste. Putin wiederum... da fällt man gern mal aus dem Fenster.

    Und wenn es einen selbst nicht trifft, dann den Nachbarn, Freund oder Kollegen, die Familie... wollen die das wirklich?

    • @Trolliver:

      Anhänger extremistischer Parteien und Bewegungen sind merkwürdigerweise IMMER der Ansicht, dass ausgerechnet ihnen nach einer Machtergreifung nichts passiert, denn sie sind ja konform.



      Dass das ein Trugschluss ist, zeigt die Geschichte - aber Menschen sind in der Breite nicht lernfähig.

  • Traurig aber wahr, die Verbindung Maaßen mit dem Aufstieg der Neuen Rechten. Und Seehofer als Innenminister stützte ihn noch, als die Blindheit auf dem rechten Auge schon klar war. Aber CDU/CSU-Minister, die riesige Fehler begingen, mussten halt zu dieser Zeit nie von ihrem Posten zurücktreten. Siehe Verkehrtminister (kein Tippfehler) Scheuer.

  • Na eeeeendlich...hoffen wir mal, dass das durchgeht und sich kein rechter Richter dagegen auflehnt mit irgendwelchen fadenscheinigen Bedenken.

  • Wenn schon nicht gleich ein Verbotsantrag gestellt wird, sollte er zumindest geprüft werden. Worauf will man denn eigentlich warten? Auf einen Fackelmarsch durchs Brandenburger Tor am Wahlabend?

    Das Grundgesetz sieht nun einmal die Möglichkeit eines Parteiverbotes vor, und zwar aus sehr gutem Grund. Die AfD "inhaltlich zu stellen" oder der Hinweis auf die Tatsache, dass "der Rechtsextremismus mit einem Verbot ja nicht aus der Welt ist", ist doch kein Selbstzweck. Dann könnte man ja gleich der AfD die Bundesregierung übertragen, nach dem Motto "Dann sehen alle, dass die es auch nicht kann." Das wird nicht funktionieren. Ein Verbot, dass diese Partei auf einen Schlag aller Mandate beraubt und ihr gesamtes Vermögen an den Staat fallen lässt, ist dagegen eben sehr wohl effektiv. Von der Sozialistischen Reichspartei redet schließlich auch keiner mehr.