Belagerte Stadt Goma in Kongo: Eingekesselt und genervt
Seit Monaten ist die Provinzhauptstadt Goma durch den Krieg mit den M23-Rebellen vom Rest des Landes abgeschnitten. Spannungen und Elend nehmen zu.
Flucht und Hunger: Das UN-Welternährungsprogramm WFP schlägt Alarm wegen der humanitären Krise im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Der Krieg mit den M23-Rebellen habe 1,7 Millionen Menschen in die Flucht getrieben, 200.000 mehr als Ende Januar, meldete WFP am Dienstag. In den Konfliktgebieten leide die Hälfte der Bevölkerung an „chronischer Unterernährung“.
Krieg und Frieden: Das deutsche kirchliche Netzwerk ÖNZ (Ökumenisches Netz Zentralafrika) warnt ebenfalls vor einer Zuspitzung der humanitären Lage in und um Goma. Deutschland solle sich „bilateral und multilateral für direkte Verhandlungen über einen Waffenstillstand“ und „effektive Friedensverhandlungen unter Einbindung der Zivilgesellschaft“ einsetzen, erklärte das ÖNZ am Dienstag.
Gomas Lebensmittelversorgung aus dem fruchtbaren und dicht besiedelten Umland ist schwer eingeschränkt, da alle wichtigen Zufahrtsstraßen entweder unter M23-Kontrolle stehen oder ins Kriegsgebiet führen und für den zivilen Verkehr gesperrt sind. Waren kommen nicht mehr durch, die Preise auf den städtischen Märkten gehen durch die Decke. „Seit die Straßen nach Masisi und Rutshuru blockiert sind, gibt es kaum noch Gemüse auf dem Markt und wenn, dann doppelt so teuer wie früher“, sagt Gorette Byanze, die eine neunköpfige Familie zu versorgen hat.
Die Straße aus Goma nach Norden in den Agrardistrikt Rutshuru in Richtung der ugandischen Grenze steht seit fast zwei Jahren unter M23-Kontrolle und die Straße ist nur noch für Motorräder passierbar, die nur wenig Waren transportieren können.
Nach Westen in die Masisi-Berge, sehr fruchtbar und sehr mineralienreich zugleich, ist ebenfalls kein sicheres Durchkommen mehr, seit die Rebellen strategische Positionen auf den Hügeln rings um den Verkehrsknotenpunkt Sake 27 Kilometer westlich von Goma besetzt halten, von wo aus es entweder in die Berge oder nach Süden Richtung Bukavu geht; auf dem Weg dorthin kontrollieren die Rebellen die Hügel um Shasha. In östlicher Richtung grenzt Goma direkt an Ruanda. Freien kongolesischen Verkehr nach Goma gibt es nur noch auf dem Kivu-See, wo die Bootskapazität allerdings nicht ausreicht und der Verkehr zu hoch besteuert wird.
Eine beispiellose humanitäre Krise
In Goma selbst wird es auch immer schwieriger, sich zu bewegen. Motorräder, das wichtigste Verkehrsmittel der Bevölkerung und auf den meisten unbefestigten Wohnstraßen das einzige, dürfen seit über einem Monat nicht mehr nach 18 Uhr fahren. Damit soll die zuletzt stark angestiegene Zahl von Morden eingedämmt werden, die in dieser Krisenzeit schon fast Normalität geworden sind. Es mindert aber die täglichen Einnahmen der Motorradtaxifahrer und beeinträchtigt den Alltag der Menschen extrem, da sie nun alle viel früher aus der Stadt nach Hause fahren müssen.
In diesem Kontext fordern die Menschen vor allem eines: Steuersenkungen auf Güter des täglichen Bedarfs, damit zumindest Grundnahrungsmittel erschwinglich bleiben. „Die Bevölkerung kann nicht mehr“, erklärte der zivilgesellschaftliche Aktivist Rodriguez Katsuva in einer Videobotschaft an Kongos Präsidenten Félix Tshisekedi: „Sie erstickt in Steuern und Übergriffen im Rahmen des geltenden Kriegsrechts“.
Das Leid in Goma ist nicht nur ökonomisch. Auch militärische Angriffe zielen seit Januar immer wieder auf die Stadt. Rund ein Dutzend Bomben- oder Granateneinschläge haben viele zivile Verletzte gefordert und darüber hinaus die ohnehin von zwei Jahren Krieg gezeichneten Menschen terrorisiert. Die unbewaffnete Zivilbevölkerung sollte im Namen des humanitären Völkerrechts von Angriffen verschont bleiben, appelliert Christian Kalamo, Leiter der organisierten Zivilgesellschaft im Stadtteil Karisimbi, an die Kriegsparteien.
Die Armee, die an der Kriegsfront unter Druck steht, wirft der M23 vor, angesichts ihrer eigenen Schwierigkeiten an der Front auf die brutale Kriegstaktik der Angriffe auf Zivilisten zurückzugreifen. Doch für die Menschen in Goma reicht diese Erklärung nicht aus. Sie wünschen sich auch konkrete Maßnahmen zu ihrem Schutz und auch zum Schutz der Kriegsvertriebenenlager, die gefüllt sind mit Geflohenen aus Rutshuru und Masisi.
Über eine Million Vertriebene haben sich im Umland von Goma niedergelassen, und das sorgt für eine beispiellose humanitäre Krise. In ihrem täglichen Überlebenskampf in einem zunehmend schwierigen Umfeld wünschen sich diese Menschen auch ein verstärktes internationales Eingreifen zum Schutz der Bevölkerung gegen die Gewaltspirale und zugunsten eines dauerhaften Friedens: diplomatische, humanitäre und sicherheitspolitische Maßnahmen.
Ein Punkt dabei, der immer wieder zur Sprache kommt, ist Ruandas Rolle auf der Seite der M23. Ruanda unter Präsident Paul Kagame macht geltend, es sei nötig, die Tutsi in der Demokratischen Republik Kongo zu schützen. Doch Emmanuel Kamanzi, ein Würdenträger der Tutsi, erklärte am vergangenen Freitag in Goma nach einem Treffen mit der Militärverwaltung der Provinz, er habe keinen Schutz durch Kagame bestellt. „Wir haben ihn nicht gebeten, für uns zu sprechen“, sagte er. „Er hat seine Sicht auf die Dinge. Wir wollen, dass unser eigenes Land uns schützt und verteidigt.“
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