piwik no script img

Auf zum letzten Gefecht

Nur noch einmal, sagt Lance Armstrong. Was meint er damit? Nur noch mal teilnehmen oder nochmals siegen bei der Tour de France? Sein angeblich schärfster Konkurrent ist so gut drauf wie immer – was bei ihm allerdings nichts zu bedeuten hat

VON JÜRGEN FRANCKE

Wenn man Andreas Klöden glauben darf, dann ist ohnehin bereits alles entschieden. Der Zweitplatzierte der vorjährigen Tour de France hat kürzlich erklärt: „Diesmal wird Lance Armstrong Zweiter. Entweder Jan Ullrich oder Alexander Vinokourov gewinnt das Rennen.“ Mit beiden gemeinsam fährt Klöden im T-Mobile-Team. Insofern schwingt in seinen Worten jede Menge Corporate Identity mit, und doch dürften sie ein Fünkchen Wahrheit enthalten. Klar ist: Nie hat Armstrong eine dermaßen unstrukturierte Vorbereitung hingelegt. Wollen wir nicht hoffen, dass er seine letzte Tour de France im Besenwagen beendet. Schon bei der Fernfahrt Paris–Nizza Anfang März gab der sechsmalige Tour-Gewinner entnervt auf. Zu kalt und zu ungemütlich. Wie bitte? Sonst ist der Radsport-Wahnsinnige aus Texas in der Vorbereitung immer wieder die kommenden Pyrenäen-Etappen hoch- und runtergefahren – gern auch unter übelsten Wetterbedingungen. Nach seinem Ausstieg begab sich Armstrong aufs Heimterrain zur Georgia-Rundfahrt. Mit mäßigem Erfolg. Das oft gerühmte Armstrong’sche Selbstbewusstsein hat auch schon mal überzeugender gewirkt.

Gut gefühlt reicht nicht: üben, üben, üben!

Und der Dauerkonkurrent Jan Ullrich? Gut trainiert soll er ja haben. Wenig krank soll er gewesen sein. Und sein Gewicht sei sensationell niedrig, wird allenthalben berichtet. Ja, toll! Und wenn der frisch gebackene Single Ullrich beim Bergzeitfahren bei der Katalonien-Tour mal eben 3 Minuten auf 17 Kilometer gegen Iñigo Cuesta López De Castro verliert (Cuesta who?), dann kommentiert das der „Merdinger“ so: „Ich habe mich gut gefühlt“ (das sagt er immer), „und ich habe so um die 95 oder 96 Prozent gegeben.“ Lassen wir diese Erbsenzählerei und gehen mal von gnädigen 90 Prozent aus (vom absoluten Leistungsvermögen zum Zeitpunkt der Erhebung auf der Basis von 3 Minuten zu 17 Kilometer).

Das bedeutet: Herr Ullrich muss noch sehr viel üben, um Spezialisten wie Oscar Sevilla, Roberto Heras oder Ivan Basso das Wasser reichen zu können. Basso von CSC allerdings hat sich beim Giro d’Italia sehr verausgabt. Nachdem er in den Alpen um die 30 Minuten verlor und sich dann an das Versprechen an seine im Sterben liegende Mutter erinnerte und die Bergetappe nach Limone Piemonte dann doch noch gewann, muss gefragt werden, ob der Italiener überhaupt noch ausreichend Kräfte für die Tour besitzt.

Die Tour de France 2005 wird im Uhrzeigersinn gefahren, zunächst sind also die Alpen und erst dann die Pyrenäen zu überqueren. Neun Flachetappen, neun Bergetappen (davon sechs der höchsten Kategorie), zwei Einzelzeitfahren sowie ein Mannschaftszeitfahren bilden das Etappenprogramm vom 2. bis 24. Juli. Auf den 3.600 Kilometer nach Paris werden am 7. und 8. Juli auch Karlsruhe und Pforzheim angefahren. 21 Teams (darunter „Gerolsteiner“ und „T-Mobile“ als deutsche Teams) mit jeweils neun Fahrern bilden das Einladungsfeld der Tour. Denn eingeladen werden müssen alle Rennställe; sich einfach anzumelden, reicht da nicht.

Erst die „Wasserträger“ machen den Champion

Wer das Rennen schließlich gewinnen wird, hängt letztendlich von der Form der Mitstreiter (auch „Helfer“ oder „Wasserträger“ genannt) der Favoriten ab. Ein Jens Voigt aus der „CSC“-Mannschaft wird sicherlich wieder häufig im Alleingang sein Heil suchen, als Windschattengeber für Bobby Julich oder Ivan Basso allerdings unersetzlich sein. Die „US-Postal“-Nachfolger von „Discovery Channel“ müssen ihre mannschaftliche Stärke noch beweisen. Lance Armstrong hat auf Levy Leipheimer zu verzichten (der fährt jetzt bei den hellblauen „Gerolsteinern“), dafür wird der Nochfreund von Cheryl Crow von so illustren Namen wie Vjatceslav Ekimow, George Hincapie oder Paolo Savoldelli unterstützt. Im Mannschaftszeitfahren wird diese Equipe nur ganz schwer zu schlagen sein.

Beim T-Mobile-Team wurden offensichtlich schon früh die Weichen für die Tour gestellt. Anders ist die recht kurzfristig erfolgte Meldung von Erik Zabel für den Giro d’Italia nicht zu erklären. Für beide Rennen, Giro und Tour, ist der verdiente Meister des gepflegten Sprints mittlerweile zu alt. Es macht ja auch keinen Spaß, nur noch Vierter oder Fünfter im Massensprint zu werden. Also geben die TMO-Schützlinge von Walter Godefroot offensichtlich das grüne Trikot dran und konzentrieren sich ganz auf das Gesamtklassement.

Sollen sie doch! Lüttich–Bastogne–Lüttich-Gewinner Alexander Vinokourow wird aller Voraussicht nach die geballte Unterstützung der Mannschaft am besten nutzen können. Auch die von Jan Ullrich. Dann gewinnt halt diesmal ein Kasache. Und Andreas Klöden behält Recht. Basta.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen