Bebauungspläne für das Tempelhofer Feld: „Das gebietet der Respekt“

Oliver Wiedmann vom Verein Mehr Demokratie kritisiert Senatspläne zum Bürgerdialog in Sachen Tempelhofer Feld – und die SPD-Idee einer Volksbefragung.

Halfpipe mit Graffiti auf dem Tempelhofer Feld

Wohnen statt Skaten? Ja, wenn's nach CDU und SPD ginge Foto: IMAGO / Schöning

taz: Herr Wiedmann, der Verein Mehr Demokratie hat einen Beschluss des Senats veröffentlicht, in dem dieser seinen Plan erläutert, mit einer BürgerInnen-Werkstatt und einem internationalen Ideenwettbewerb eine Teilbebauung des Tempelhofer Feldes vorzubereiten. Sie kritisieren das. Warum?

Oliver Wiedmann: Grundsätzlich haben wir nichts gegen ein Dialogverfahren wie z.B. BürgerInnenräte, die per Losverfahren einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Nur findet das vorgesehene Verfahren nicht in einem luftleeren Raum statt, sondern setzt am Ergebnis des Volksentscheids von 2014 an. Das kann man aus unserer Sicht nicht einfach mit einem Dialogverfahren aushebeln. Entscheidend wird auch sein, wie dieser Dialog ausgestaltet ist. Etwa auch darüber ob diskutiert wird und ob überhaupt gebaut werden soll. Aus der Senatsvorlage geht nicht klar hervor, dass die Nicht-Bebauung eine Option ist. Ob diese Nullvariante – also der Status quo – Raum bekommen wird, hängt im Übrigen auch sehr von den ExpertInnen ab, die dazu geladen werden.

Dass dieser Senat eine Teilbebauung will, ist klar. Da ist doch folgerichtig, wenn das Dialogverfahren die Option „Status quo“ nicht vorsieht.

Das würde ich nicht sagen, und ich bin auch gar nicht sicher, dass es so kommt. Wir lesen diese Absicht aus dem Beschluss heraus, aber man kann es ja auch anders machen und Entwicklungsvarianten im Rahmen des bestehenden Gesetzes diskutieren. Das gebietet der Respekt vor dem Volksentscheid. Übrigens hat sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in der letzten Wahlperiode Beteiligungsleitlinien gegeben, wenn es um die Entwicklung bestimmter Flächen geht. Da steht drin, dass schon bei der Konzeption des Beteiligungsverfahrens BürgerInnen beteiligt werden. Aber diese eigenen Regeln hat man nicht ernst genommen.

(48) ist Sozialwissenschaftler, leitet das Hauptstadtbüro von Mehr Demokratie e. V. und ist Sprecher des Landesverbands Berlin/Brandenburg.

Ist es nicht positiv, dass der Senat sich überhaupt die Mühe macht, die BürgerInnen einzubeziehen?

Der Senat hat zum Glück verstanden, dass man über einen Volksentscheid nicht einfach hinweggehen kann, und das ist gut. Auch die Debatte über eine Volksbefragung zeigt ja im Grunde, dass man den Dialog suchen und nicht einfach im Alleingang die Senatslinie durchziehen will. Das sagt aber noch nichts darüber aus, wie fair das jetzt geplante Verfahren ist.

Warum kritisieren Sie immer wieder die Idee einer Volksbefragung, wenn die Alternative ist, dass die aktuelle Parlamentsme hrheit auch ein per Volksentscheid beschlossenes Gesetz einfach so aufhebt?

Wir fordern einen anderen Mechanismus: Ja, das Abgeordnetenhaus kann Gesetze, die per Volksentscheid zustande gekommen sind, aufheben oder verändern – aber es muss die Möglichkeit geben, darüber zeitnah und mit abgesenkten Hürden einen Volksentscheid durchzuführen. In Hamburg gibt es dieses „fakultative Referendum“ schon. Wenn es zu diesem neuen Entscheid nicht kommt, weil es in der Bevölkerung das Bedürfnis nicht gibt, tritt die Gesetzesänderung eben nach ein paar Monaten in Kraft. Eine Befragung von oben ist dagegen ein Instrument, dass der Regierung dient und strategisch verwendet werden kann – über die Fragestellung oder den Zeitplan.

Ob so eine Befragung vom Senat oder vom Parlament angestoßen werden müsste, macht keinen Unterschied?

Doch, natürlich – wenn der Senat es allein machen würde, wäre es ja ein klassisches Plebiszit. Da wäre es auf jeden Fall vorzuziehen, wenn es vom Parlament ausginge. Wir müssten uns dann über qualifizierte Mehrheiten unterhalten, die dafür notwendig wären, vielleicht Zwei Drittel oder noch mehr. Aber wir sind der Meinung, dass wir dieses Instrument grundsätzlich nicht brauchen.

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