Tagebuch zwischen Isfahan und Berlin: Fragmente komponieren

Mit Schnipseln aus Skype-Gesprächen erzählt der iranische Filmemacher Faraz Fesharaki in „Was hast du gestern geträumt, Parajanov?“ (Forum).

Zwei Gläser Tee stehen auf felsigem Grund

Zwei Gläser Tee in einem ausgetrockneten Flussbett Foto: S. Fotouhi

In Pixel zerbröselnde Videotelefongespräche, in denen es um Alltag, Wetter, Philosophisches und immer wieder auch Essen und Trinken geht. Die Sprache ist Farsi. Mal ist die Bühne flach, mal öffnet sie sich tief in den Raum und Unschärfe wird zum Hintergrund. Aus dem tritt vielleicht hinter der im Bild angeschnittenen Frau vorne ein Mann mit einem Tablett voller Persimonen vor die Kamera. Ein junger Mann erzählt Träume und werkelt an einem Regal. Ein anderer musiziert.

Frotzeleien entstehen, aber auch ernsthafter Streit etwa (mit Einbeziehung von Karl Marx), um das Rollenbild der Frau. Gespräche um Liebe und Distanz. Dazu Erinnerungen an einen Gefängnisaufenthalt und verlorene politische Schlachten. Und der paternalistische Rat eines alten Autors an einen jungen Filmemacher, dass Beobachtung zu wenig für ein künstlerisches Programm sei und eine Botschaft Pflicht.

Die auftretenden Personen sind die Eltern des Regisseurs im iranischen Isfahan, sein in Wien studierender Cousin Rahi und Faraz Fesharaki selbst, der 2014 als ausgebildeter Kameramann für ein Regiestudium an die Berliner Filmhochschule DFFB kam und von Rahi neckisch nach dem legendären Regisseur Sergei Paradschanow benannt wird. Als Bildgestalter war Fesharaki schon erfolgreich, etwa für Alexander Koberidzes „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“.

Die Ferne überwinden

Jetzt kommt er als Regisseur eines Films in die Sektion Forum, bei dem am Ende die Montage fast alles ist. Denn „Wovon hast du geträumt, Parajanov?“ besteht über die größte Strecke aus automatisch generierten Mitschnitten von Skype-Gesprächen des Filmemachers aus seiner Berliner Wohnung mit der Familie in der Ferne. Die waren ursprünglich als Tagebuch gedacht, die Idee zu einem Film kam erst nach dem Scheitern eines anderen Projekts.

20. 2., 13 Uhr, Arsenal 1

23. 2.,16 Uhr, Cubix 7

25. 2., 12.30 Uhr, Silent Green

So fand die wesentliche schöpferische Leistung im Schneideraum statt, wo in fünf Jahren Fleißarbeit aus den achtzig Stunden gesammelter Daten (ein eigenes Archiv!) eine etwa 80-minütige fragmentarische Komposition entstand. In der wird nicht nur der immer wieder aufblitzende Humor Fesharakis sichtbar, welch großes Vergnügen ihm die selbst gesetzte Aufgabe bereitet, aus dem vorgefundenen Material im Spiel mit Wiederholung und Variation einen eigenen künstlerischen Ausdruck zu finden. („Wie kann man in Bildern, die bereits existieren, eine Poesie finden?“ heißt es im Forum-Bonusmaterial).

Dabei fügen sich auch unterschiedlichste visuelle Artefakte, digitale Aussetzer oder Tonstörungen mit rhythmisierend dazwischengesetzten kunstvoll gestalteten Texttafeln zur filigranen Form.

Gerahmt ist der Film von den patriotischen Gesängen eines folkloristisch kostümierten Kinderchors, der wie TV-Propaganda aussieht, aber aus Fesharakis eigener Kindergartenzeit im Iran stammt. Und dann geht es doch noch aus dem Archiv hinaus in die filmische Gegenwart zu Berliner Lieblings- und Liebesplätzen. Einem in Echtzeit verfertigten handschriftlichen Brief an die Mutter. Und zwei Gläsern Tee am fast ausgetrockneten Fluss Zayandeh Rud in Isfahan. Wäre das die Botschaft, die der Vater meint?

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