doppelblind
: Ehrenamt
statt Yogamatte

Worum geht’s?

Die Frage, was Angestellte wollen, treibt Arbeitgeber um – spätestens seit die Generation Z abenteuerliche Dinge wie Work-Life-Balance fordert. Da der Vorschlag, weniger zu arbeiten, für viele aber noch zu abenteuerlich klingt, sucht man stattdessen nach Wegen, um die Belastung während der Arbeit selbst zu reduzieren. Das gilt auch für die Forschung, die Arbeit längst als gefährlichen chronischen Stressfaktor identifiziert hat, bislang allerdings mit gemischten Resultaten. Deshalb werden mehr Studien benötigt, die den Erfolg verschiedener Konzepte über Firmen hinweg vergleichen.

Die Studie

Ein im Januar im Industrial Relations Journal veröffentlichtes Paper vergleicht, was 46.336 Angestellten aus 233 britischen Unternehmen in einer Vielzahl von Fragebögen berichten. Dabei findet die Studie viele unterstützende Programme: Von Achtsamkeit bis Zeitmanagement boten Unternehmen Kurse für Resilienz oder Stressbewältigung an. Ebenso wurden Termine mit Coaches und Mas­seu­r*in­nen oder Apps für Fitness und Schlaf offeriert. Doch mit Blick auf das erklärte Wohlbefinden der Angestellten stellt die Studie fest: Denjenigen in den Programmen ging es im Schnitt keinen Deut besser als den anderen. Manchmal schlechter. Dabei gab es eine bemerkenswerte Ausnahme: Angestellte mit Option zu freiwilligem Engagement waren zufriedener mit dem Arbeitgeber und dem Leben. Sie berichteten von einer besseren mentalen Gesundheit und waren mit mehr Leidenschaft im Beruf dabei.

Die Studie testete weitere Einflussfaktoren wie Alter, Arbeitspensum oder Sorgearbeit und die alternative Erklärung, dass Angestellte, die sich für Kurse zu mentaler Gesundheit eingeschrieben hatten, allgemein unglücklicher sein könnten. Die Forschenden stellten fest, dass besonders gestresste Mitarbeitende am ehesten von Interventionen profitieren und dass Engagement die Variable ist, die am ehesten wirkt. Besonders Zeitmanagement kann bei der Arbeit helfen. Was das Wohlbefinden der Angestellten angeht, blieb der entscheidende Faktor allerdings eindeutig: freiwillige Arbeit.

Was bringt’s?

Neue wissenschaftliche Studien stellen wir jede Woche an dieser Stelle vor – und erklären, welchen Fortschritt sie bringen. Sie wollen die Studie finden? Jede hat einen Code, hier lautet er: https://doi.org/10.1111/irj.12418

Was Apps und Achtsamkeit uns individuell bringen, kann diese Studie nicht beantworten. Aber sie zeigt, dass Individualisierung als Antwort auf Arbeitsstress nicht ausreicht. Unternehmen sollten es sich offenbar zum Ziel machen, mehr als nur den Arbeitsplatz zu bieten. Sinngebung. Erfahrung. Gemeinschaft. Das passt zu den Erkenntnissen der Experimente zur 4-Tage-Woche, in denen es Menschen besser geht, sobald das Arbeitsverhältnis im Leben weniger Platz einnimmt. Es zeigt auch, dass man Stress im Idealfall nicht nur Stressbewältigung entgegensetzt, sondern auch anregende Alternativen. Statt zu hoffen, dass man die Work-Life-Balance schon irgendwie mit ein paar Stunden hochkonzentrierter Entspannung erzielt, sollten wir einsehen, dass sie nun mal vor allem eins braucht: Zeit zum Leben. Franca Parianen