Reaktionen auf „Remigrations“-Treffen: Protest und Verharmlosung
Nach dem geheimen „Remigrations“-Treffen rufen linke Gruppen im Norden zu Demonstrationen auf. Hamburgs AfD redet derweil die Ereignisse klein.
Auch der Kieler Heilpraktiker Henning Pless, der „auf eine lange Biografie in der extremen Rechten zurückblickt“, wie Julia Schmidt von der Autonomen Antifa Koordination Kiel sagt, dürfte dazugehören. Wie jetzt bekannt wurde, nahm Pless an den geheimen Treffen in Potsdam teil. Dort soll der Szenepublizist Martin Sellner aus Wien im Beisein von AfD- und CDU-Mitgliedern sowie Unternehmer*innen konkrete Remigrationspläne vorgestellt haben.
Schon 1996 wurde Pless als einer der Bundesvorsitzenden der „Heimattreuen Jugend“ (DHJ) erwähnt – des Vorläufers der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Gernot Mörig, der mit zu dem geheimen Treffen geladen hatte und laut dem Recherchezentrum Correctiv die Gäste ausgewählt haben soll, war in den 1970er Jahren Bundesführer dieses rechtsextremen Netzwerks.
Die DHJ unterstützte auch die Aktivitäten des extrem rechten Verlegers Dietmar Munier in Osteuropa. Munier, der aus Martensrade bei Kiel das Verlagsnetzwerk „Lesen und Schenken“ verantwortet, wollte eine Wiederansiedlung von Deutschen in Russland vorantreiben. Pless habe vor Ort viele Aufgaben übernommen, da Munier nicht mehr einreisen dürfe, so Schmidt. Schon 2013 und 2014 demonstrierte die Antifa deshalb vor Pless’ „Heilcentrum“.
Kiel: Fr, 17 Uhr, Bootshafen;
Hamburg: Fr, 15:30 Uhr, Rathausmarkt;
Husum: Sa, 13 Uhr, Kreishaus;
Braunschweig: Sa, 14 Uhr, Schlossplatz vor der Bibliothek;
Oldenburg: Sa, 16 Uhr, Schlossplatz;
Bremen: So, 12 Uhr, Marktplatz
Die Hamburger AfD versucht derweil, ihre eigene Position zu relativieren. Die Fraktion um Dirk Nockemann bemüht sich, bürgerlich und moderat zu erscheinen. In einer aktuellen Stunde in der Hamburger Bürgerschaft bewertete Nockemann am Mittwoch das Potsdamer Treffen als eine „private Veranstaltung“. „Weder gab es ein Geheimtreffen der AfD noch einen Geheimplan und erst recht keine Deportationspläne“, sagte er.
Dabei hatte der Thüringer AfD-Landtagsfraktionschef Björn Höcke bereits 2018 offen über ein „großangelegtes Remigrationsprojekt“ gesprochen. Und auch der aktuelle Hamburger Kandidat der AfD für das Europäische Parlament, Michael Schumann, erklärte bei seiner Kandidatur vergangenes Jahr, dass er Teil der „letzten Generation (…) junger Europäer“ sei, die sich nicht gefallen lassen wolle, eine „Minderheit im eigenen Land“ zu werden. Die „Ersetzungsmigration“ sei „keine Verschwörungstheorie“.
Schumann forderte, Airbus solle „Pläne für die Remigrationsflotte“ vorlegen, die Rückführung sei nötig, um die „europäische Völkerfamilie, das deutsche Volk“ zu schützen. Nockemann distanzierte sich im NDR nicht von Schumanns Aussage.
Für den kommenden Freitag um 17.00 Uhr rufen linke Kieler Gruppen unter dem Motto „Rassistische Deportationsstrateg*innen zur Rechenschaft ziehen“ zu einer Kundgebung am Bootshafen auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos