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Laut France Info (öffentlich-rechtliches Nachrichtensender), französische militärische Quellen hätten bestätigt, dass die Ukrainische Armee den Flugzeug abgeschossen hätte, mittels "une batterie de défense aérienne de fabrication américaine" (übersetzt: Patriot Flugabwehrraketen-System).
Quelle: www.francetvinfo.f...caise_6324126.html
Nun die Erklärung einiger ukrainischer Journalisten:
Das Patriot-Flugabwehrsystem ist die teuerste und gleichzeitig die effektivste westliche Militärausrüstung, die die Ukraine besitzt. Die russische Armee hat eine Jagd gegen Patriot-Systeme organisiert. Die Ukraine kann nicht ihr gesamtes Territorium mit Patriot-Systemen verteidigen und konzentriert die Mehrheit in Kiew. Allerdings werden ein oder zwei Systeme streunend in der Nähe russischer Stellungen eingesetzt, um russische Flugzeuge, die an Raketenstarts beteiligt sind, aus dem Hinterhalt anzugreifen. Die für diese Patriot-Systeme gewählten Routen werden von einer Handvoll Militärangehörigen streng geheim gehalten und sie schalten das Radar so kurz wie möglich ein, um Informationslecks oder eine Verfolgung durch russische Systeme zu vermeiden. Auf banalste Weise stellt sich heraus, dass die beteiligten Betreiber des Patriot-Systems nicht wussten, dass ein Gefangenenaustausch vorbereitet wurde. Niemand hätte sie über die Route und den Zeitplan des russischen Fluges informiert, die zwischen beiden Parteien vereinbart worden wären. Der Abschuss hat so Kiew überrascht, dass das es sogar für eine russische Provokation hielt. Der Gefangenenaustausch war für Kiew wichtig, da heute (25. Januar) Selenskyjs Geburtstag ist und eine öffentliche Veranstaltung mit den ausgetauschten Gefangenen vorbereitet worden war.
Die Ukraine hat ja, soviel steht definitiv fest, ganz schnell, nach dem Absturz, für sich verbucht, dass sie es waren. Nachdem Russland erklärte, dass da Ukrainer an Bord waren, war die Meldung des Abschusses in der Ukraine plötzlich nicht mehr vorhanden. Fakt ist auch, dass an diesem Tag ein Austausch von Gefangenen stattfinden sollte. Dazu kam es dann nicht mehr. Der Rest ist Spekulation.
@Frankenjunge Ist es nicht irrelevant, ob diese IL-76 nun durch eine russische S-300 oder ein ukrainische Patriot-Rakete abgeschossen wurde?
Im ersteren Fall wäre es klassisches Friendly Fire, im letzteren ein normaler Vorgang, ein legitimes Ziel des Gegners im Krieg zu vernichten.
Dass die Ukraine mit ausreichend Vorlaufzeit gewusst haben soll, dass es sich um die eigenen POWs handelt, ist bis jetzt eine russische Behauptung ohne Beleg.
Dieses Mal sollen Funkgeräte der Hisbollah-Miliz detoniert sein, in mehreren Gebieten auch Solaranlagen. Die Extremisten kündigen Vergeltung an.
Absturz der russischen Militärmaschine: Fatale Spekulationen
Über das abgestürzte russische Flugzeug tobt ein Informationskrieg mit unterschiedlichen Absichten – unabhängig vom tatsächlichen Hergang.
Blumen zum Gedenken an die 74 Toten des russischen Militärtransporters, der in der Grenzregion nahe der Ukraine abgestürzt ist Foto: ap
Der Absturz einer russischen Militärmaschine am vergangenen Mittwoch in der Region Belgorod an der Grenze zur Ukraine ist derzeit in den Schlagzeilen. Aber auch über 24 Stunden später wissen wir lediglich, dass das Flugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 vom Himmel gefallen ist – mehr nicht. Weder ist bislang klar, welche Fracht genau der Flieger geladen hatte und warum es zu dieser Bruchlandung kam, noch wer dafür die Verantwortung trägt.
Ein derartiger „Stoff“ bietet den idealen Nährboden für Spekulationen und Gedankenspiele aller Art, an denen sich auch Medien gern beteiligen. So wenig das der Wahrheitsfindung dient, so fatal können die Folgen sein.
Wie immer in solchen Fällen – und noch dazu in Zeiten des Krieges – beschuldigen sich beide Seiten gegenseitig. Die Adressat*innen dieses Informationskrieges sind an der jeweiligen Heimatfront und im Ausland zu suchen. Nehmen wir Moskaus unbestätigte Behauptung, dass sich an Bord des angeblich von der Ukraine abgeschossen Jets über 60 für einen Austausch vorgesehene ukrainische Kriegsgefangene befunden haben sollen.
Die Kategorie „Kriegsgefangene“ ist dabei ein Trigger schlechthin. Der Austausch von Gefangenen ist nämlich derzeit der einzige Bereich, in dem überhaupt noch ein Dialog stattfindet. Zudem dürfte dem Kreml nicht entgangen sein, dass der Unmut in der ukrainischen Gesellschaft ob des Schicksals von Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft wächst und bei Protesten entsprechend artikuliert wird. Last but not least: Sollte der Absturz ein Abschuss sein und auf das Konto der Ukraine gehen, würde das erneut Diskussionen über die (Nicht)-Lieferung bestimmter Waffengattungen befeuern.
Vielleicht wird die Wahrheit über das, was im Mittwoch in Belgorod passiert ist, nie ans Licht kommen. Gleichzeitig sollten wir gelernt haben, dass auch das unmöglich Erscheinende als reale Möglichkeit gedacht werden muss. Allein diese Erkenntnis ist schon erschreckend genug.
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kommentar von
Barbara Oertel
Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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