Gute Bauern, schlechte Bauern: Bauer mit Hand und Herz

Bauer Matthias Stührwoldt hat ein großes Herz für Bauern. Er ist einer von ihnen. Von Bauern, die mit Alice Weidel Selfies machen, hält er aber nichts.

An den Händen eines Bauern kleben Erdkrumen

Haben die größten: Bauern Foto: Astrakan/DEEPOL/plainpicture

Es ist dieser Tage nicht ganz einfach, Sympathie für die Bäuerinnen und Bauern zu haben. Und daran zu glauben, dass der Wutbauer nicht der Repräsentant aller Bauern ist. Ich will deswegen hier bekennen: Ich mag Bäuerinnen und Bauern. Wirklich. Gut, könnte man einwenden, wie kann es auch anders sein, ich bin ja selbst einer. Allerdings hat es bei mir eine ganze Weile gedauert, bis ich die Bauern lieb gewonnen habe.

Geboren wurde ich als eines von zwei Kindern einer Bauernfamilie. Weil mein älterer Bruder so was von überhaupt kein Bauer werden wollte und sich beruflich bereits mit 16 ganz woandershin orientierte, wusste ich schon mit elf, dass meine Eltern alle Hoffnung, die den Fortbestand des Betriebs betraf, in mich setzten.

Natürlich war ich in meiner Entscheidung, das Erbe anzutreten, frei. Niemand zwang mich dazu. Gleichzeitig wusste ich, dass es den Alten das Herz brechen würde, wenn es mit dem Hof nicht weiterginge. Also lernte ich nach der Schule Landwirtschaft und bereitete mich auf die Hofübernahme vor.

Meine Leidenschaft fürs Bauersein wuchs langsam. Aber sie wuchs.

Teil der bäuerlichen Welt

Mit 30, im Jahr 1998, übernahm ich den Hof mit 50 Milchkühen und 80 Hektar Land. Und fing an, „Bauer zu spielen“, wie meine Eltern immer sagten. Und ich mache das immer noch, seit bald 26 Jahren, seit 2002 als Mitglied bei Bioland. Seit 2003 schreibe ich nebenher Alltagsgeschichten übers Bauersein und das Landleben und trete damit bundesweit vor Publikum auf.

In diesen 20 Jahren auf Tour hatte ich mit Bäuerinnen und Bauern immer die schönsten Begegnungen am Rande meiner Lesungen. Immer wieder kommt es vor, dass mich nach meinem Auftritt jemand anspricht und sich dafür bedankt, dass ich sein Leben aufgeschrieben habe, und innerhalb von Minuten tauchen wir in ein vertrautes Gespräch ab, so, als würden wir uns seit Jahren kennen.

Geradezu plastisch erscheint dann der Hof der oder des anderen vor mir, und bis hin zur Familienkonstellation kann ich mir alles vorstellen, kann es sehen, spüren, riechen. Und wenn ich auf Höfen zu Lesungen eingeladen bin, hinterher eine Hofführung bekomme und dann mit den Bäuerinnen und Bauern am Esstisch sitze, öffnen wir uns unsere Herzen, und es ist einfach nur schön. Ein großes Gefühl der Zusammengehörigkeit durchfließt mich dann, und ich bin froh, dabei zu sein in dieser bäuerlichen Welt.

„I am a farmer“

Manchmal reicht es schon, einfach nur erkannt zu werden. Unvergessen die Begegnung im Flugzeug einst, auf dem Weg von Liverpool nach Berlin. Ein Brite, zwei Sitze neben mir, sprach mich an. Was denn mein Business sei, wollte er wissen. „I am a farmer“, antwortete ich. Das habe er sich gedacht, sagte er, bei den großen Händen, die ich habe. Und dann zeigte er mir seine, und ich sah, dass wir vom selben Schlag waren. Sieben Minuten später kannte ich alle seine Kinder beim Vornamen, und er erzählte mir unter Tränen vom Herztod seiner Frau. Als wir landeten, waren wir Freunde geworden.

Wenn Bauern Politiker, die man nicht mögen muss, niederbrüllen und -hupen, weil sie gar nicht zuhören wollen, bin ich raus

Das ist das Besondere unter Bauern. Wir öffnen unsere ­Herzen. Wenn wir unter uns sind.

Also: Ich mag Bäuerinnen und Bauern. Wirklich. Und ich liebe es, ein Teil dieser Welt zu sein. Wenn aber Bäuerinnen und Bauern in politischen Auseinandersetzungen auf stur schalten und meinen, mit ihren oftmals grotesk überdimensionierten Treckern das Land lahmlegen zu müssen, wenn sie Politiker, die man nicht mögen muss, die aber den Arsch in der Hose haben, vor ihnen aufzutreten, obwohl sie wissen, was sie erwartet, niederbrüllen und -hupen, weil sie gar nicht zuhören wollen, was diese zu sagen haben, bin ich raus.

Wenn also Bäuerinnen und Bauern schlechtes Benehmen zum Mittel der politischen Auseinandersetzung erheben und alles, was dabei rüberkommt, der endlose Sprechchor „Wir haben die Schnauze voll!“ ist, während in der Menge Bäuerinnen und Bauern lächelnd Selfies mit Alice Weidel machen, wenn in den bäuerlichen Whattsapp-Gruppen rechte Verschwörungserzählungen geteilt werden und die Bäuerinnen und Bauern rechtspopulistischen Hetzreden mancher ihrer Verbandsvertreter zujubeln, dann, das gebe ich zu, geht mir das tierisch auf die Nerven.

Aber eigentlich mag ich Bäuerinnen und Bauern. Ehrlich. Echt jetzt.

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