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Neue Partei Bündnis Sahra WagenknechtDie große Unbekannte

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Bisher weiß das BSW nur, wogegen es ist. Doch jetzt müssen schlüssige Konzepte für Klimaschutz, Zuwanderung, Außen- und Sozialpolitik her.

Sahra Wagenknecht spricht während der Pressekonferenz zum Gründungsakt ihrere neuen Partei mit Fabio De Masi Foto: Nadja Wohlleben/reuters

E inen großen Dienst hat das Bündnis Sahra Wagenknecht(BSW) der Demokratie schon erwiesen: Es weckt Interesse an Politik. Das mediale Echo auf die Neugründung ist gewaltig, die 1,4 Millionen Euro an gesammeltem Gründungskapital zeugen von einem Vertrauensvorschuss in Wagenknechts Politik-Start-up.

Das ist was in Zeiten, in denen sich Menschen von demokratischen Parteien ab- und rechtsextremen Bauernfängern zuwenden. Doch den Nachweis, dass es Menschen auch langfristig politisch binden kann, muss das Bündnis erst noch erbringen. Misstrauen ist angebracht, hat Wagenknecht mit der von ihr mitgegründeten Bewegung Aufstehen doch schon einmal eine Bruchlandung hingelegt.

Aber offenbar haben sie und ihr Team daraus gelernt. Anders als bei Aufstehen, steckten sie von Anfang an viel Kraft und Geld in Organisation und Aufbau und gehen die Mitgliedergewinnung vorsichtig an. Wer rein will, muss sich zunächst als Förderer oder Unterstützer beweisen. Das soll einer Unterwanderung von rechts vorbeugen.

Der Herbst wird ein Kraftakt

Der weitere Weg ist jedoch steinig. Ein Erfolg bei der Europawahl im Juni wird noch relativ einfach, wird die Wagenknecht-Partei doch vom Nimbus des Neuen zehren und kann auf Fabio De Masi, einst kompetentester Europapolitiker der Linken, als Spitzenkandidaten bauen. Doch schon die Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Brandenburg und Thüringen werden ein Kraftakt. Hier hat die Wagenknecht-Partei bislang kaum Personal und konkurriert sozialpolitisch mit der Linken und gesellschaftspolitisch mit der AfD.

Derzeit wissen Wagenknecht und Co. zwar sehr genau, wogegen sie sind: ein Verbot von Verbrennerautos, unkontrollierte Migration, Russlandsanktionen. Aber entscheidend wird das „wofür“, und da gibt es allenfalls vage Vorstellungen: irgendwie Frieden mit Russland schließen, Mi­gran­t:in­nen abschrecken und viel für soziale Gerechtigkeit tun. Doch erst mit schlüssigen Konzepten für Klimaschutz, Zuwanderung, Außen- und Sozialpolitik wird BSW die politische Landschaft nachhaltig bereichern.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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5 Kommentare

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  • „So was in Zeiten, in denen sich Menschen von demokratischen Parteien ab- und rechtsextremen Bauernfängern zuwenden.“



    Sahra Wagenknecht begrüßt auf Bundespressekonferenz mit subventioniertem Diesel betrieben bundesweite Bauern Traktordemonstrationen der Bundesregierung zum Hohn und Spott, es sei gut, dass die sich wehren. Diese sei auch ein Machtbeweis. Klima-, Umweltschutz geht anders



    „Wer rein will, muss sich zunächst als Förderer oder Unterstützer beweisen“



    Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) tritt gleichzeitig das Gas- und Bremspedal wie bei einem ausgelagertem Casting für einen Film Chor Gesangsverein. Ohne Meinungskontrolle geht hier gar nichts, das schmeckt wie Gesichts- Outfitkontrolle vor angesagten Fan Insider Clubs. Wie soll das geschehen, per Befragung durch demoskopisch geschultes Personal, das Kadergespräche führt? wenn ja, was für eine Ressourcenverschwendung an Personal, Material, Zeit am falschen Projekt?



    Freie Meinungs-, Willensbildung geht anders.



    Sache von Parteiprogrammen ist gerade in Gründungsphasen nicht zuerst und allein Sache von Experten, wie es sich Wagenknecht vorstellt. Wenn es dabei bleibt, droht das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu einem Einschüchterungs- und Kränkungsprojekt in alle politischen Richtungen zu werden, Sahra Wagenknecht & Co zum Fan Vorschuss Lorbeer Lob als Blackbox mit vielen Unbekannten

  • Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Wähler_innen dieser Partei nicht so sehr schlüssige Konzepte als vielmehr Streicheleinheiten für ihre von den Zumutungen einer pluralistischen Demokratie gekränkte Seele erwarten.

  • Na ja, De Masi war sicher der lauteste, aber ganz sicher nicht der kompetenteste Europapolitiker – da gibt es in der linken Delegation doch ein paar, die weitaus kompetenter und wirksamer sind. De Masi zeichnet sich vor allem durch Kurzatmigkeit aus: Er hat seine Wahlämter bisher immer sehr schnell wieder aufgegeben.

  • "Derzeit wissen Wagenknecht und Co. zwar sehr genau, wogegen sie sind: ... Aber entscheidend wird das 'wofür'"



    Weit gefehlt! Das haben sie sich von der AfD abgeschaut, die vielleicht viel in ihrem Programm stehen hat, aber öffentlich nur mit dem wahrgenommen wird, wogegen sie ankämpft. Da Wagenknecht im gleichen dumm-dumpfen Wählerreservoir fischen will, macht sie einfach das gleiche wie die AfD und wird Erfolg damit haben.

  • ihr taz- kollege schreibt im artikel zu dieser parteigründung:"Und statt Verbrennermotoren zu verbieten, sollten Automobilkonzerne Anreize bekommen, verbrauchsärmere Modelle zu entwickeln."



    wer von ihnen beiden hat denn nun recht?



    hier im o.a.artikel steht:



    "Derzeit wissen Wagenknecht und Co. zwar sehr genau, wogegen sie sind: ein Verbot von Verbrennerautos, ..."