Britisches Parlament für Ruanda-Gesetz: Rishi Sunak kommt noch einmal davon

Großbritanniens Premier setzt sich gegen innerparteiliche Kritiker durch. Nun wandert das Ruanda-Gesetz in die Ausschüsse.

Rishi Sunak tritt auf die Straße

Rishi Sunak am Dienstag vor 10 Downing Street Foto: Hannah McKay/reuters

LONDON taz | Wenn es um Drama geht, spielen die britischen Konservativen auf Shakespeare-Niveau. Eine gute Woche lang dominierten ihre innerparteilichen Querelen sämtliche britischen Nachrichtenkanäle, trotz UN-Klimakonferenz und der Kriege auf der Welt.

Die drei Hauptdarsteller hießen diesmal „One Nation Conservatives“, „New Conservatives“, European Research Group“, und es gab Nebendarsteller wie die „Common Sense Group“, die „Northern Research Group“ und die „Growth Group.“ Gespielt wurde in mehreren Akten, ob Partei- und Regierungschef Rishi Sunak bald das Schicksal seiner Vor­gän­ge­r:in­nen Liz Truss, Boris Johnson und Theresa May teilen muss.

Es wurde gewettet und geeifert. Statt seiner Regierungsverantwortung nachzukommen, musste Rishi Sunak am Montag zu allem Überfluss auch noch vor dem Corona-Untersuchungsausschuss aussagen und am Dienstagfrüh schließlich alle Gruppen und ihre Mit­strei­te­r:in­nen persönlich zum Gespräch treffen, damit sie im Unterhaus nicht sein derzeit wichtigstes Vorhaben kippen: das neue Gesetz, das den neuen Staatsvertrag mit Ruanda über die Abschiebung von Asylsuchenden in das afrikanische Land umsetzen soll.

Am Ende gewann Sunak die Abstimmung am Dienstagabend souverän: 313 zu 269 Stimmen, keine einzige Gegenstimme in der eigenen Fraktion und nur 37 konservative Enthaltungen. Genau vier Jahre seit dem kolossalen konservativen Wahlsieg Boris Johnsons im Dezember 2019 hat Rishi Sunak scheinbar die Kurve gekriegt.

Ruanda ist noch weit weg

Der Sieg ist ein kleiner Schritt weiter im Vorhaben, Asylsuchende, die ohne Einreiseerlaubnis auf kleinen Booten von Frankreich aus den Ärmelkanal nach Großbritannien überqueren, nach Ruanda abzuschieben, bevor sie in Großbritannien Asyl beantragen können. Asyl sollen sie dann in Ruanda beantragen und erhalten.

Ruanda wird dafür per Gesetz als sicherer Drittstaat definiert. Dies widerspricht zwar der Auffassung des Supreme Court in London, das den ersten Ruanda-Deal im November gekippt hatte. Aber laut Innenminister James Cleverly hat der neue Staatsvertrag mit Ruanda, den er vergangene Woche in der ruandischen Hauptstadt Kigali unterzeichnete, die vom Supreme Court identifizierten Mängel alle beseitigt, mit neuen Garantien und internationaler Überwachung für die ruandischen Asylverfahren.

Auf dieser Grundlage brachte Cleverly nach seiner Rückkehr aus Ruanda einen Gesetzentwurf ins britische Parlament ein. Die Gefechte innerhalb der Tories waren da schon in vollem Gange, da der Staatsminister für Einwanderung im Innenministerium, Robert Jenrick, direkt darauf zurücktrat und damit der einige Wochen vorher rausgeworfenen Innenministerin Suella Braverman folgte. Beide waren sich sicher, dass Cleverlys Maßnahmen nicht ausreichen, um tatsächlich bald mit den Deportationen beginnen zu können.

Zwar sind diese auch so bereits umstritten, weil sie die Anwendung von Teilen des britischen Menschenrechtsgesetzes und der europäischen Menschenrechtskonvention außer Kraft setzen würden. Aber sie lassen in bestimmten Fällen Klagen gegen die Deportation nach Ruanda zu.

Man müsste diese Möglichkeit komplett streichen, so der rechte Flügel um Jenrick und Braverman. Er sammelte sich in denselben fraktionsinternen Gruppen, die bereits zu Zeiten Theresa Mays 2018/19 immer wieder auf einen harten Kurs beim Brexit gedrängt und damit Mays Fall herbeigeführt hatten. Es kamen historische Assoziationen auf.

Auf dem linken Flügel konnte die moderate „One Nation Group“ mit dem Gesetzentwurf gerade noch leben, aber eigentlich ging er ihr schon zu weit. Konservative Politik halte sich an internationale Verträge, so ein Sprecher der Gruppe.

Blitz und Donner über London

Die Frage war somit, ob bei der Abstimmung zum Gesetzentwurf am Dienstag sowohl der rechte als auch der linke Tory-Flügel dagegen stimmt und Sunak damit seine parlamentarische Mehrheit von derzeit 56 Stimmen verliert – denn eines war gewiss: Labour und die anderen Oppositionsparteien würden dagegen stimmen.

Nachdem am Dienstagmittag Blitz und Donner über das Regierungsviertel gezogen waren, stimmte das Unterhaus schließlich nach mehrstündiger Debatte mit einer Mehrheit von 44 Stimmen für den Ruanda-Gesetzentwurf. Eine Niederlage hätte Sunaks politische Zukunft als Premierminister bedroht, vielleicht auch die Zukunft der konservativen Regierung insgesamt.

Doch es ist keineswegs das Ende der Rangeleien. Mit den 313 „Ayes“ geht der Gesetzentwurf lediglich in den zuständigen Parlamentsauschuss, wo er Zeile für Zeile debattiert werden wird und wo das Verfahren des Einbrigens von Änderungsanträgen beginnt. Dann ist das Oberhaus dran und danach geht es mit oder ohne Änderungen zurück ins Unterhaus, wo wieder über die Gesetz- und Änderungsvorschlägen abgestimmt werden muss.

Das alles geschieht erst im nächsten Jahr. Zahlreiche Abgeordnete haben gesagt, dass Sunak Verschärfungen zugesagt habe. Sollten diese nicht eintreffen, wird es noch einmal lebendig. Doch zumindest über die Winterfeiertage herrscht erstmal Waffenruhe bei den Tories.

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