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Nachruf auf Franz MichalskiVom Flüchtling zum Zeitzeugen

Franz Michalski wurde als jüdisches Kind verfolgt. Er überlebte versteckt und erfuhr auch nach der NS-Zeit Antisemitismus. Er starb mit 89 Jahren.

Franz Michalski 2020 in Berlin Foto: Hayoung Jeon/epa

Es ist rund 17 Jahre her, da saß der Rentner Franz Michalski zusammen mit seiner Frau im Publikum einer Veranstaltung und hörte Evy Woods zu, die die NS-Verfolgung als jüdischen Kind versteckt überlebt hatte. Als Woods davon berichtete, wie schwer es Überlebende auch nach der NS-Zeit hatten, sprudelte es aus Michalski heraus: „Wem sagen Sie das“, rief er. Das war der Beginn eines neuen Lebens für ihn – als Zeitzeuge sprach er fortan über sein Leben.

Zuletzt, nach einem Schlaganfall, sprach seine Frau Petra für ihn. Es sei „sehr wichtig, unsere Geschichte zu erzählen“, sagte sie. Es ginge ihnen darum „mehr Verständnis für unseren heutigen Flüchtlinge“ zu wecken.

Zum Juden war Michalski von den Nazis gemacht worden. Sein Vater Herbert war katholisch, ebenso wie Mutter Lilli. Doch sie war erst 1933 vom Judentum konvertiert; den Nazis galt sie deshalb als „Volljüdin“, ihr Sohn wurde zum „Mischling“.

Der Vater verlor seinen Job. Er sollte sich scheiden lassen – was er verweigerte. Franz durfte ab 1942 keine Schule mehr besuchen. 1944 tauchte die Familie unter – zunächst bei jugoslawischen Partisanen in der südlichen Steiermark, dann in einem Dorf bei Görlitz, schließlich versteckten sich die Eltern in Slowenien. Im Mai 1945 wurden die Michalskis im Sudetenland befreit.

Berlin verlassen wegen Antisemitismus

Die Macht der Nazis war gebrochen, doch der Antisemitismus nicht verschwunden. In der Schule erfuhr Franz judenfeindliche Schmähungen. Er kehrte Berlin den Rücken und kam erst als Rentner wieder in die Stadt zurück. Nach seinem Outing als Verfolgter 2006 erinnerte die Gedenkstätte „Stille Helden“ an die Michalskis und gab die Autobiografie von Franz heraus.

Wenn es um die Erinnerung an die NS-Verfolgung ging, waren Petra und Franz Michalski eine feste Größe. Auf ihre Unterstützung konnte man bauen, ebenso wie auf ihre immerwährende Freundlichkeit. Kurz vor dem Jahreswechsel ist Franz Michalski im Alter von 89 Jahren in Berlin verstorben.

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