Ausstellung über Minenarbeit: Leben im giftigen Rauch

Die Hamburger Ausstellung „Man & Mining“ widmet sich eindrücklich dem weltweiten Rohstoffabbau. Aber nicht alle Arbeiten beleuchten aktuelle Missstände.

Zwei Mädchen im giftigen Rauch der Kohleflöze von Jharia

Seit die Kohleminen in Jharia 1916 still gelegt wurden, strömt giftiger Rauch aus den Flözen. Die Menschen holen trotzdem Kohle Foto: Jonny Haglund/Museum

HAMBURG taz | Es ist ein bizarrer Reflex: Sobald man erfährt, dass die drei Steingutvasen in Hamburgs Museum der Arbeit radioaktive Abfälle enthalten, nimmt man Abstand. Fühlt sich hilflos, überrumpelt angesichts der unsichtbaren Bedrohung und beäugt die Vitrine aus sicherer Entfernung. Obwohl man weiß, dass die paar Meter im Zweifel nichts ändern.

Auf genau diesen emotionalen Link zu jenen, die beim Abbau seltener Erden mit radioaktivem Schlamm arbeiten müssen, zielt die Installation des Design-Forschungsstudios „Unknown Fields“. Die Abfälle stammen aus China, dem Quasi-Monopolisten für den Abbau seltener Erden. Und die verschieden großen Vasen stehen für die Menge radioaktiven Abfalls, der bei der Herstellung eines Smart­phones, eines Laptops und einer E-Auto-Batterie anfällt.

Platziert ist die durch ein Video ergänzte Installation in der Ausstellung „Man & Mining“. Diese gemeinsam mit dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte und der Körber-Stiftung konzipierte Schau will Asymmetrien im weltweiten Rohstoffabbau aufzeigen und dessen Auswirkungen auf Land und Menschen des globalen Südens mit dem Konsumverhalten im globalen Nordens kontrastieren. Dafür hat man Fotos, Videos und Installationen aus mehreren Kontinenten versammelt.

Allerdings beleuchten nicht alle Arbeiten aktuelle Missstände. Der brasilianische Fotograf und Umweltaktivist Sebastião Salgado etwa bezieht sich auf den Goldabbau der 1980er-Jahre in der längst verlassenen Mine Serra Pelada, wo bis zu 100.000 Freiwillige schürften. Seine Schwarz-Weiß-Fotos, die 1986 um die Welt gingen, zeigen ein Gewimmel von Menschen, die an Abhängen auf wackligen Leitern balancieren und schwere Säcke nach oben tragen. Obwohl alle freiwillig dort sind, wirken sie wie Sklaven, etwa auf einem Relief des alten Ägyptens. De Lohn der brasilianischen Goldschürfer war übrigens gering, verdient haben die Claim-Besitzer.

Schürfen im giftigen Rauch

Auch vom schweißtreibenden, streng reglementierten Diamantenabbau auf Madagaskar, 2018 von Toby Smith fotografiert, profitieren nicht die Arbeiter, sondern lokale Warlords. „Die größten Diamantenhändler in der Zentralafrikanischen Republik haben Diamanten im Wert von mehreren Millionen Dollar gekauft, ohne vorab zu klären, ob sie damit bewaffnete Gruppen finanzieren“, schrieb etwa Amnesty International 2015.

Dass der Abbau zudem oft gesundheitsschädlich ist und Menschen im globalen Süden kaum geschützt – auch das ist im Grunde bekannt. Aber die Fotos des norwegischen Journalisten Jonny Haglund bringen nochmals schmerzhaft nahe, wie brutal etwa die Menschen im ostindischen Jharia dem giftigen Rauch brennender Kohleflöze ausgesetzt sind. Entstanden durch unzureichende Abdichtung der 1916 stillgelegten Minen, brennen die schwer zu löschenden Feuer aus über 70 Erdspalten.

Die verarmten BewohnerInnen holen trotzdem weiter Kohle da heraus, um heizen zu können. Fatal: Bei diesem Wühlgraben dringt Sauerstoff in die Erdspalten, der weitere Feuer entfacht. Umsiedlungspläne der Regierung stocken seit Jahren. Haglunds Fotos mit den vielen Feuerchen im Nebel wirken zunächst pittoresk, erinnern an William Turners idyllische Gemälde. Dann begreift man, dass das kein lieblicher Nebel ist, sondern Kohlenmonoxid-Rauch, und die Romantik vergeht.

Das Schicksal des Fotografen Lu Guang wird nicht erwähnt

Fast harmlos wirken dagegen Haglunds Fotos von erschöpften Kohle-Arbeitern auf Spitzbergen. Die Bilder stammen von 2019. Leider verschweigt der Ausstellungstext, dass Norwegen den dortigen Kohleabbau 2023 aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen beenden wollte – was auf Betreiben des deutschen Chemieunternehmens Clariant nun erst 2025 geschieht. Dieser Kontext wäre durchaus interessant gewesen.

Und der Rohstoffabbau schädigt ja nicht nur Menschen, sondern auch Landschaften: Man wünscht, es wäre ein surreales Gemälde, eine Dystopie – aber das Foto, das der chinesische Journalist Lu Guang von der chinesischen Hulunbuir/Baorixile-Kohlemine machte, ist real: Ratlos wandern Kühe auf den Resten ihrer Weide. Der Kohleabbau hat riesige Krater gerissen und die Erde bis auf die Eingeweide entblößt. Mit Blick auf einen Fabrikarbeiter mit kohlegeschwärztem Gesicht hat Lu Guang laut National Geographic einmal gesagt, die meisten Arbeiter in dem Werk in der Inneren Mongolei würden nach ein bis zwei Jahren krank.

Diese Fotos stammen von 2014. Was man nicht erfährt: Lu Guang, wegen des Anprangerns gesundheitlicher und ökologischer Folgen der chinesischen Industrialisierung im Visier des Regimes, wurde 2018 in Xinjiang verhaftet. Nach internationalen Protesten soll er seit 2019 wieder zu Hause sein, wohl unter Arrest: Verlässliche Nachrichten gibt es nicht.

Das Fehlen dieser Information in der Ausstellung ist befremdlich; abermals informieren die KuratorInnen unzureichend. Leider betrifft das auch Lisa Raves Video-Installation „Europium“, eigentlich so gut gemacht und so schockierend: Mit dem bis heute gültigen Muschelgeld auf Papua-Neuguinea fängt es an, mit Reflexionen über Form und Aura besagter Nautilus-Muschel geht es weiter. Doch dann wird die Muschel Objekt kalter Labortests, die zeigen: Ihre Schale enthält Europium, jene fluoreszierende seltene Erde, die für Smartphone-Displays und zur Markierung von Euro-Scheinen genutzt wird.

„Chirurgischer“ Eingriff am Meeresgrund

Die Muschel ist also Indikator großer Vorkommen am Meeresgrund – vermutlich ihr Todesurteil: In der nächsten Sequenz erklärt eine männliche Stimme, wie effektiv ein Roboter den Meeresboden abmähen könnte. Der Vorrat an Gold, Nickel, Kupfer, seltenen Erden reiche mindestens fünf Jahre, bei 6.000 Tonnen täglich. Dann sagt er noch, das Abschürfen des Meeresbodens sei eine „Chi­rurgie in 1.600 Metern Wassertiefe“, als gehe es um einen medizinischen Eingriff. Er lacht, weiß selbst, wie zynisch das ist. Aber er buhlt um Investoren, da werden die Witze über die einstige britische und deutsche Kolonie schon mal etwas gröber.

Ausstellung Man & Mining“, Museum der Arbeit, Hamburg.

Tägl. außer dienstags, 10–17 Uhr

am Wochenende bis 10-18 Uhr, montags von 10-21 Uhr.

Bis 1. 5.

Was man nicht erfährt: Jenes Vorhaben – laut Greenpeace das Projekt „Solwara 1“ der kanadischen Firma Nautilus Minerals – gilt inzwischen als gescheitert. Das Unternehmen soll Insolvenz beantragt haben. Das ist aber nur ein Aufschub. Der nächste Investor wird sich schon finden.

Trotz solcher Lücken bietet die Ausstellung – changierend zwischen Dokumentation und Kunst – eine wichtige Zusammenschau, könnte Movens individueller Veränderung sein. Diese Illusion nimmt einem dann der partizipative Bereich namens „Man without Mining“ mit Tafeln, Zetteln und Arbeitstischen. Dort gibt es unter anderem eine digitale Spontan-Befragung zu Rohstoffabbau und Konsumverhalten, und siehe da: Sobald es darum geht, weniger Auto zu fahren oder den gefährlichen Lithium-Abbau in der Oberrheinische Tiefebene zu forcieren – da stimmt das Ausstellungspublikum großteils mit „nein.“

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