Cis-Frau gewinnt Drag-Wettbewerb: „Ohne ‚Drag Race‘ gäb's uns nicht“
Pandora Nox ist Gewinnerin der ersten Staffel „Drag Race Germany“. Sie spricht darüber, wie sie mit Gender-Stereotypen umgeht und wie sie zu Drag kam.
Pandora Nox war die einzige cis-Frau in der ersten Staffel „Drag Race Germany“. Sie ist eine AFAB-Queen – das heißt „assigned female at birth“, also „bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen“.
taz: Wie fühlt es sich an, „Drag Race Germany“ gewonnen zu haben, Frau Nox?
Wienerin, studierte Medizinerin, Tänzerin, Choreographin, Contortionist, Make-Up-Artist, DJ und Gewinnerin von “Drag Race Germany“.
Pandora Nox: Es fühlt sich alles noch vollkommen surreal an. Ich bin gerade bei meiner Familie und habe das Wochenende zum ersten Mal frei gehabt. Es war so viel und so stressig. Erst jetzt sickert es langsam durch, was alles die letzten Wochen passiert ist.
Was bedeutet der Gewinn für Sie als erste queere AFAB-Dragperformerin?
Da gibt es zwei Komponenten. Zum einen bedeutet es mir persönlich etwas, denn ich gucke schon lange „Rupaul’s Drag Race“ und dachte immer, wie cool es wäre, wenn ich dort mitmachen könnte – aber ich bin nicht aus den USA und nun mal eine Frau. Ich glaube aber auch, dass es einen riesigen Einfluss auf andere Frauen hat. Ich sehe das auf Social Media, denn ich bekomme viele Nachrichten von AFAB-Queens, die sagen, ich gebe ihnen Mut, in Drag zu Events zu gehen. Aber auch Frauen, die keinen Drag machen, realisieren, dass man als Frau in einer von Männern dominierten Welt sehr wohl erfolgreich sein kann.
Bekommen Sie auch Kritik?
Ja. Das war mir aber schon bewusst. Es hätte mich gewundert, wenn ich keine Kritik bekommen hätte. Bei den meisten Menschen ist das so: Was sie nicht kennen, mögen sie nicht. Aber das ist eben eine 50/50-Sache – entweder du liebst es oder du hasst es. Ich bin den Leuten nicht egal, ich löse etwas in ihnen aus. Genau das will ich eigentlich auch.
Haben Sie Druck verspürt, mit Ihrer Performance Frauen repräsentieren zu müssen?
Natürlich war mir klar, was ich repräsentiere. Aber ich habe mir keinen Druck gemacht. Repräsentation ist zwar wichtig, aber eigentlich will ich dem Genderthema nicht so viel Beachtung schenken. Denn gerade bei Drag geht es darum, Genderstereotypen zu durchbrechen. Und wenn immer darauf verwiesen wird, dass ich vier Schamlippen habe, dann ist das eher kontraproduktiv.
Wie kam’ s zum Drag?
Drag war keine bewusste Entscheidung. Ich habe Drag gemacht, bevor ich wusste, was das ist. Als Jugendliche habe ich mich im Bad meiner Eltern eingeschlossen und mit dem Make-up meiner Mutter viel ausprobiert. Das sah furchtbar aus, ich bin froh, dass es keine Fotos gibt. Jahre später habe ich durch Social Media erfahren, dass es dafür auch einen Namen gibt. Irgendwann habe ich ein Tanzvideo mit meinem Tanzpartner von uns in Drag hochgeladen, das dann in Wien viral ging. Dadurch bekam ich dann Auftritte, die immer mehr wurden, sodass ich mich nach meinem Studium selbstständig machen konnte.
Neben dem Drag sind Sie auch studierte Medizinerin und Contortionist. Wie schaffen Sie das alles?
Mein Tagesablauf war natürlich der Horror, aber ich wollte meine Leidenschaft priorisieren. Morgens um fünf musste ich aufstehen, um meine Schicht im Krankenhaus anzutreten. Nachmittags hatte ich Seminare an der Uni. Danach musste ich zum Tanztraining und nachts hatte ich Auftritte. Ich hatte kein typisches Student*innenleben, keine Partys oder Treffen auf einen Kaffee mit Kommiliton*innen. Meine Priorität war es nicht, Freund*innen an der Uni zu finden, zumal ich irgendwann gelernt hatte, dass Club und Feiern für mich Arbeit bedeutete. Trotzdem hat es mir Spaß gemacht und mir war es wichtig, dafür Zeit zu finden.
Wie würden Sie Ihren Drag heute beschreiben?
Es ist definitiv etwas Unmenschliches, etwas ein bisschen Mysteriöses und auf jeden Fall umweltfreundlich, denn alles, was ich trage, ist vegan.
Hatten Sie einen Lieblingslook?
Die Vagina! Es heißt natürlich eigentlich das Vulvakleid, aber ich mag das Wort Vagina einfach so gerne.
Was denken Sie von Formaten wie „Drag Race“ und der damit verbundenen Kommerzialisierung von Drag?
Ich find’s super. Genau wegen dem Format „Drag Race“ bekommen wir eine Bühne. Das ist genau das, was wir wollen. Klar ist Drag auch eine Nische, aber wir wollen Akzeptanz und Toleranz auch im Mainstreampublikum. Im Umkehrschluss bedeuten größere Bühnen und mehr Reichweite auch, dass Leute wie ich von ihrem Drag leben können. Natürlich gab es Kontroversen rund um „Drag Race“, auch durch die Repräsentierung von Frauen, aber letztendlich sind wir heute an einem Punkt, an dem wir ohne „Drag Race“ nicht wären.
Drag, wie wir ihn bei „Drag Race“ kennen, wird stark von der Glam-Drag-Kultur aus den USA beeinflusst. Warum orientiert sich Drag in Deutschland nicht an seinen Vorgängern, den Polittunten?
Darüber habe ich noch nie wirklich nachgedacht. Man muss aber auch sagen, dass „Drag Race“ nicht das einzige Format ist – es gibt auch zum Beispiel „The Boulet Brothers Dragula“, wo es viel um Horror-Drag und Halloween-Drag geht. Ich habe aber auch nicht das Gefühl, dass Glam-Drag forciert wird. Es hat sich einfach weiterentwickelt über die Jahre. Ich mache ja selber auch keinen Glam-Drag. In der Wiener Szene gibt es auch recht wenige Glam-Queens. Da ist es auf jeden Fall punkiger. Selbst beim Cast der ersten Staffel von „Drag Race Germany“ hatte ich den Eindruck, dass es unter den Glam-Queens auch viele andere Stile gab.
Was erhoffen Sie sich von Formaten wie „Drag Race“?
Ich hoffe, dass Drag noch mehr integriert wird in die Mainstream-Community und dass es einfach normalisiert wird, auch wenn ich dieses Wort hasse. Das Format bringt den Menschen Drag auf eine harmlose, lustige Weise näher, das ermöglicht Sichtbarkeit. Dann könnte man diese Plattform auch zukünftig für politische Arbeit nutzen, was natürlich auch Zweck von Drag ist.
Was kommt als nächstes für Pandora Nox?
Ich muss das alles erst einmal verarbeiten. Ich möchte dann schon meine Drag-Karriere weiter ausbauen. Mal sehen, wohin die Reise geht. Ich nehme alles so, wie es kommt. Aber einen Hundegnadenhof in den nächsten Jahren aufzubauen, das steht ganz oben auf meiner Liste.
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