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Fankrawalle in GriechenlandStändige Gewaltspiele

Nach jüngsten Fanausschreitungen in Athen kämpft ein Polizist um sein Leben. Bis Februar gibt es nun in der ersten Fußballliga nur Geisterspiele.

Polizeieinsatz bei der Partie zwischen Olympiakos Piräus und AEK Athen im April Foto: imago

Die abgefeuerte Leuchtkugel schlug zuerst auf der Straße auf, durchdrang seine Uniform und durchschlug schließlich seinen Oberschenkel. Der 31-jährige Polizist brach am vorigen Donnerstag um 21.30 Uhr vor der Sporthalle „Melina Merkouri“ im südwestlichen Athener Vorort Renti sofort zusammen. Er erlitt einen Herzstillstand, verlor schnell viel Blut und fiel ins Koma. Seither liegt er auf der Intensivstation in einem Athener Krankenhaus. Er musste mehrmals operiert werden. Sein Zustand bleibt kritisch. Die Ärzte kämpfen um sein Leben.

Der Täter, gerade 18 Jahre alt, schmächtige Statur, ist geständig. Ihm wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Er hatte, wie Videoaufnahmen zeigen, mit rund 150 Hooligans die Sporthalle während des Volleyball-Spitzenspiels zwischen den Erzrivalen Olympiakos Piräus und Pa­nathinaikos Athen verlassen, um sich draußen mit der Polizei anzulegen. Die Polizei setzte massiv Tränengas ein. Die Partie wurde abgebrochen. „Ich wollte die Leuchtkugel hochwerfen“, sagte der Täter hernach, wie sein Anwalt mitteilte. Sein Mandant wünsche, dass der Polizist gesund werden möge.

Der jüngste Vorfall hat die Regierung in Athen unter dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis auf den Plan gerufen. Ab sofort und bis zum 12. Februar 2024 werden in Griechenlands bester Fußballliga, der Super League, nur noch Geisterspiele stattfinden, wie ein Regierungssprecher am Montag in Athen verkündete.

Auch das Europa-League-Spiel von Piräus gegen den serbischen Club Backa Topola am Donnerstag werde vor leeren Rängen ausgetragen. Die Uefa sei informiert worden und damit einverstanden, fügte der Regierungssprecher hinzu.

Kritik an zu laxen Maßnahmen

Am Montag fanden in Athen, Thessaloniki und Patras Protestkundgebungen von Polizisten statt. Sie übten scharfe Kritik an der Regierung. Die Maßnahme sei „viel zu lax“. Der Tenor der wütenden Ordnungshüter lautete: „Wir wollen nicht den Kopf für die Sicherheit bei Sportveranstaltungen hinhalten, wofür doch die Clubs zuständig sein müssten.“ Ferner schäumt die Athener Opposition. Sie wirft der Regierung Mitsotakis grobe Unfähigkeit vor.

In Griechenland ist die ausufernde Fangewalt eine Seuche. Maßgeblich ist der Fußball betroffen. Zuletzt wurde am 7. August 2023 der 29-jährige Mi­cha­lis Katsouris vor dem AEK-Stadion im Vorfeld der Partie zwischen AEK und Dinamo Zagreb von den berüchtigten Dinamo-Ultras Bad Blue Boys (BBB) sowie verbrüderten griechischen Hooligans attackiert. Ein Messerstich traf Katsouris am Arm. Er starb an seinen Blutungen.

Der Kreislauf der Gewalt begann hierzulande vor vierzig Jahren. Am 9. September 1983 starb der 18-jährige Aris Dimitriadis vor dem Harilaou-Stadion in Thessaloniki an seinen Stichwunden. Ihm folgten zwölf weitere Todesfälle, den AEK-Fan Katsouris inbegriffen. Hinzu kommen unzählige Verletzte sowie hohe Sachschäden in Stadien und anderswo.

Stets beteuerten die Regierungen in Athen, Verbandsvertreter sowie Fußballclubs, die Fangewalt beseitigen zu wollen. Vergeblich. Weder teils wochenlange Unterbrechungen der Meisterschaft, Geisterspiele oder die Keule aller Keulen, nämlich der drohende Ausschluss der Clubs aus den europäischen Wettbewerben, können das Unwesen stoppen.

Abermals geraten die Besitzer der vier Topclubs ins Kreuzfeuer der Kritik, allesamt griechische Oligarchen. Sie kontrollieren in bester Berlusconi-Manier zudem die Massenmedien. Der Vorwurf gegen sie: Sie würden die Fans nicht mäßigen und trügen daher an der Misere eine Mitschuld.

Gleichwohl dürften die ansonsten allmächtigen Reeder Vangelis Marinakis (Piräus), Jannis Alafouzos (Panathinaikos) sowie Dimitris Melissanidis (AEK) und der Großunternehmer Ivan Savvidis (Paok Saloniki) mittlerweile eher die Kontrolle über die Fans ihrer Vereine verloren haben.

Ins Visier der Konkurrenz ist jedenfalls Piräus-Eigner Marinakis geraten, dem auch der englische Premier-League-Club Nottingham Forest gehört und obendrein noch das Präsidentenamt der Super League innehat. Panathinaikos, AEK, Paok sowie Aris Saloniki fordern laut griechischen Medienberichten seine sofortige Absetzung als Super-League-Präsident.

Den sportlichen Niedergang der griechischen Clubs belegt derweil eindrücklich die Uefa-5-Jahres-Wertung. Griechenland rangiert derzeit auf Platz 19.

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