piwik no script img

Holger Friedrich und PressefreiheitEr checkt's nicht mehr

„Berliner Zeitung“-Verleger Holger Friedrich verpfiff Julian Reichelt und fiel einem Autor in den Rücken. Journalistische Standards nerven ihn wohl.

Holger Friedrich, Verleger der Berliner Zeitung Foto: Reiner Zensen/imago

S chon lange nichts mehr von Julian R. gehört! Gut so, auch wenn er mit seinem Müll im Netz leider viel zu viele Menschen erreicht. Doch halt, gerade läuft die Meldung, dass sie bei Reichelts neuer Heimat Nius den Schritt in den Rundfunk planen.

Im Oktober hatten sie beim Stern-Preis mitgeteilt, dass die Spiegel-Geschichte „Warum Julian Reichelt gehen musste“ trotz einer nachträglichen Korrektur „Geschichte des Jahres bleibt“. Reichelt hat außerdem gegen Springer gewonnen, zumindest ein bisschen. Das hat was vom guten alten Spion-gegen-Spion-Comic im längst untergegangenen Mad.

Der Konzern warf seinem Ex-Lieblingschefredakteur Betrug vor, weil der noch Unterlagen aus seiner Bild-Zeit hatte. Mit einigen davon war Reichelt zur Berliner Zeitung (BLZ) gelatscht, worauf deren Verleger, Holger Friedrich, persönlich Reichelt bei Springer verpfiff. Die Springer-Klage fußte in Teilen auf diesem Vorgang beziehungsweise Material.

Doch am 30. Oktober stellte die Berliner Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Der Konzern habe Reichelt ausdrücklich gebeten, bestimmte Unterlagen zu behalten, weil sie vielleicht noch gebraucht würden. Daher sei Springer bewusst gewesen, dass Reichelt noch was hatte, so das Gericht. Rumms macht die Bombe, und weg sind alle verrückten Spione.

Kuschen vor dem Shitstorm

Bis auf einen, und der hat gegen Reichelt in ganz anders gelagerten Verfahren bislang leider gewonnen. Es geht um Holger Friedrich und die Frage, ob er einfach zu Springer marschieren durfte. Ja, urteilten im Sommer das Berliner wie das Hamburger Landgericht in erster Instanz. Sitzen in deren Kammern auch nur noch Mad-Spione? Auch wenn Reichelt natürlich ein schlechtes Beispiel ist, müssen uns diese Urteile weiter aufregen. Wenn sie Bestand haben, kriegt der Informantenschutz Löcher, die größer sind als die Zahnlücke von Alfred E. Neumann.

Holger Friedrich, der ob der ganzen Aufregung die Welt oder genauer gesagt den Journalismus nicht versteht, murkst derweil unbeirrt weiter. Mitte Oktober hatte Thilo Mischke in einer Kolumne in der BLZ festgestellt: „Antisemitismus ist nicht nur ein muslimisches Problem – sondern auch ein deutsches.“

Zur völlig korrekten Aussage gab es einen veritablen Shitstorm, und für Friedrich Post vom Ex-Linken MdB Dieter Dehm. Darin bat der nach rechts gerückte Schwurbler um umgehende Distanzierung von der „regierungsamtlichen Antifa-Pose“. Und was macht Friedrich, der verrückte Hund? Post mal wieder als publizistischer Underdog und schreibt zurück, es sei ein „Unfall“, ja, eine „Entgleisung“ gewesen. „Insofern stimme ich Ihrer Einschätzung zu“, schreibt Friedrich an Verschwörungsdieter, und dass der Text „nicht meiner Ansicht entspricht“.

Wann kommt im Spiegel eigentlich die Geschichte „Warum Holger Friedrich gehen musste“? Oder steht die dann in Mad? Egal, ’nen Nannen-Preis mit Stern gäb’s dafür auf jeden Fall!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ganz, ganz furchtbar ist die Facebook-Seite der Berliner Zeitung. Nirgendwo wird so deutlich, dass sich die Zeitung seit der Friedrich-Übernahme zum Schlechteren entwickelt hat: rechtsoffen, querdenkerisch und querfrontig, russlandaffin. Die Leserkommentare verschlagen einem manchmal den Atem - verrohter Diskurs pur.

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Wenn ich ihren negative Kritik richtig verstehe dürfte in Zukunft kein Journalist, wenn ihm Infos über Dritte angeboten werden, diesen Dritte nicht mehr kontaktieren um deren Stellungnahme dazu zu erfragen?!

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Im Artikel steht:

      "Der Konzern warf seinem Ex-Lieblingschefredakteur Betrug vor, weil der noch Unterlagen aus seiner Bild-Zeit hatte. Mit einigen davon war Reichelt zur Berliner Zeitung (BLZ) gelatscht, worauf deren Verleger, Holger Friedrich, persönlich Reichelt bei Springer verpfiff."

      Das ist etwas völlig anderes. Friederich hat Springer nicht die Information zur Stellungnahme vorgelegt, sondern dazu auch den Informanten genannt.