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Die WahrheitStraßenkampfnamen

Neues aus Neuseeland: Seit die neue konservative Regierung im Amt ist, soll manche Errungenschaft, auf die Aotearoa stolz ist, abgeschafft werden.

D ie Zeiten, als die heilige Jacinda unserem bikulturellen, feministischen und coronaresistenten Inselreich progressiven Glanz verlieh, sind vorbei. Diese Woche wurde die neu gewählte Regierung unter der Führung des christlich-konservativen Glatzkopfs Christopher ­Luxon eingeschworen. Ab jetzt geht es gefühlt zurück in die Fünfziger.

Viele der politischen und sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, auf die Aotearoa stolz ist, drohen abgeschafft zu werden. Die Liste ist lang und das Entsetzen riesig. Sexualkunde und Konsensunterricht in Schulen, Förderung für Minderheiten, für Frauenrechte, für indigene Kultur – alles woker Kokolores. Her mit dem Rotstift. Selbst die Tabakreform, die vor allem der Gesundheit von Maori dient, soll gestoppt werden.

Auch die stärkste Säule des indigenen Selbstverständnisses von Aotearoa wird von der National-Partei angesägt: der hart erkämpfte Vertrag von Waitangi, das Partnerschaftsabkommen von 1840 zwischen Briten und Ureinwohnern. Der führte unter anderem dazu, dass die indigene Sprache neben Englisch offizielle Landessprache ist. Sie ziert öffentliche Gebäude, Webseiten und Briefköpfe.

So heißt das Gesundheitsministerium Te Whatu Ora, das Jugendamt Oranga Tamariki und die Verkehrsbehörde Waka Kotahi. Das sei zu verwirrend für Alte und Weißhäute, tönten ­Luxon und seine populistischen Wegbegleiter. Ihre Parole „Wir holen uns das Land zurück“ löste einen Aufschrei bei Antirassisten aus, aber heimliche Genugtuung bei der schweigenden Mehrheit. Die zankt sich erbittert darum, welche Orte und Straßen in ihren Ursprung umbenannt werden sollen.

Im Strandort Whakatāne entbrannte der Streit in einem Neubaugebiet, wo die frisch angelegte Straße Papakangahorohoro Street getauft wurde. Unaussprechlich? Da sie ins Englische übersetzt „Sich schnell im Kampfgang der Krabbe bewegen“-Straße heißen würde, war der Zungenbrecher sicher die bessere Entscheidung. Doch so sehen das nicht alle.

Der Highway entlang der Kāpiti-Küste ist ein solches Politikum. Sechs Jahre und 100.000 Dollar Beratungskosten später beschloss man, die 18 Kilometer lange Straße in sieben Abschnitte zu teilen, die neue Namen bekamen, von Kākākura bis Hurumutu. „Politisch korrekter Wahnsinn“ war die Reaktion der Anlieger. Sie machten deshalb ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel für Christopher Luxon.

Der bekommt für seinen Radikalkurs bereits den ersten Backlash – nicht nur, weil er fälschlicherweise behauptete, dass es dank des umstrittenen Nikotingesetzes nur noch einen einzigen Tabakladen im hohen Norden geben würde. Als das neue Parlament am Dienstag in Wellington antrat, gab es dort einen kraftvollen Haka. Zigtausende Maori und ihre Unterstützer blockierten ab dem Morgen im ganzen Land Verkehrsknotenpunkte.

Der Kampf um die Straßen geht weiter, egal wie sie heißen.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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1 Kommentar

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  • Na ja, die politischen Hintergründe, warum um alles in der Neuseeländischen Welt ein konservativer Politiker dort plötzlich "auf Kulturkampf macht", die kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich weiß kaum, eigentlich nichts über Neuseeland. Aus der Ferne wirkt dieser Straßenkampf aber doch erstmal komisch. Neuseeland ist also ein zweisprachiges Land. Es müssen deshalb doch nicht gleich alle Straßen in beiden Sprachen benannt werden. Aber da, wo es um traditionsreiche Orte der Maori geht....dann ist das eben die Papakangahorohoro Street. Und drunter steht auf Englisch „Sich schnell im Kampfgang der Krabbe bewegen“-Straße". Könnte sogar sein, dass noch ein Krabbenfischer im Watt vor Ostfriesland sich was dabei denken könnte. Wenn es auch nicht unbedingt das meint, was die Maori damit verbinden. Aber es wäre doch interessant, wenn diese Vorstellungen vermittels des Straßennamens bekannter würden.

    Das Problem dürfte die Länge der Namen sein. In D. ist die oft begrenzt. Es bleibt halt bei Astern Weg und Amsel Weg. Das ist nett aber doch irgendwie auch langweilig. Sollten wir über all auf der Welt von den Maori lernen? Wie wäre es zum Beispiel mit einer "Straße des lieblichen Gesangs der Nachtigall"? Das ist lang aber klangvoll...

    ???

    Schon gut. Ich bin ja schon still. Nur eines noch: Wer glaubt in D. denn ernsthaft, daß in der Lindenallee noch Linden stehen. ABGEHOLZT. Und die Nachtigallen können wir sowieso vergessen.