piwik no script img

Kein Sieger im Hamburger DerbySt. Pauli rutscht im Schnee aus

Zunächst überlegene St. Paulianer müssen im Schneetreiben gegen den HSV den 2:2-Ausgleich hinnehmen. Der befürchtete Krawall blieb aus.

Hart gelandet: Auch St. Paulis Marcel Hartel gelang nach der Pause nicht mehr viel Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Es gibt also doch etwas, das den FC St. Pauli stoppen kann: Schnee. Schon von Beginn an waren beim Hamburg-internen Zweitliga-Gipfel Flocken vom Himmel gerieselt. Im Spielverlauf fielen sie immer dichter, immer größer – und der Rasen am Millerntor wurde immer weißer, bis irgendwann die Leute mit der Schneeschippe anrückten, um wenigstens die Strafraumlinien freizuschieben.

Rustikalere Mittel hat Coach Fabian Hürzeler dem FC St. Pauli gründlich ausgetrieben

Der HSV fand Gefallen am Wetter: Sein schnörkelloser Kraftfußball funktionierte auf Schnee bestens; durch Tore von Robert Glatzel und Immanuel Pherai innerhalb von zwei Minuten holten die Gäste im Stadtderby einen Punkt, verhinderten damit, dass der Lokalrivale an der Tabellenspitze enteilt.

Darauf hatte in der ersten Halbzeit überhaupt nichts hingedeutet. St. Pauli hatte den HSV mit seinem schnellen Kurzpassspiel gründlich überfordert, führte nach nicht mal einer haben Stunde souverän mit 2:0. Auch wenn das zweite Tor aus einer Slapstick-Einlage zwischen dem grobmotorisch disponierten Guilherme Ramos und HSV-Torwart Daniel Heuer Fer­nandes entstanden war, zudem regelwidrig wie mutmaßlich schon das 1:0 von St. Paulis Kapitän Jackson Irvine, – alles sah nach einer herben Abreibung aus für den bis dahin chancenlosen Tabellenzweiten.

Der Schnee dämpft die Atmosphäre

Nur verliert das von St. Pauli in den vergangenen Monaten perfektionierte Kombinationsspiel seinen Schrecken, wenn man ihm das Adjektiv „schnell“ raubt. Und genau das tut Schnee – und deckt damit eine Schwäche auf: St. Pauli gelang es nicht, seine Spielweise den Verhältnissen anzupassen. Den Ball einfach mal nach vorn zu bolzen, in der Hoffnung, dass sich ein Abnehmer findet oder der Gegner ausglitscht, – solche rustikaleren Mittel hat Coach Fabian Hürzeler seinem Team so gründlich ausgetrieben, dass sie nicht mehr ohne Weiteres abrufbar sind. Typisch für den Perfektionisten, dass er nicht alles auf den Schnee schieben wollte, sondern das Abwehrverhalten seiner Elf kritisierte.

Dabei schien der weiße Vorhang über dem Millerntor am Ende nicht nur St. Paulis Offensivdrang zu lähmen, sondern auch die Fans. Selten ist ein Derby so leise zu Ende gegangen wie in dieser vom Schnee gedämpften Atmosphäre. Nach dem Abpfiff herrschte für ein paar Augenblicke lang fast völlige Stille.

Irgendwie muss sich diese adventlich-träge Winterstimmung auch über das Stadion hinaus fortgesetzt haben. Jedenfalls ist nichts über Fankrawalle bekannt geworden, nicht mal Schneeballschlachten.

Dabei war die Partie im Vorfeld als „Hochrisikospiel“ eingestuft worden. Der FC St. Pauli hatte nach den schweren Auseinandersetzungen zwischen Gästefans und Polizei beim Heimspiel gegen Hannover 96 den Gästeblock mit neuen Drehkreuzen im Eingangsbereich und Fangnetzen vom Stadiondach bis zum Boden ausgerüstet. Bis zu 3.000 Po­li­zis­t:in­nen waren im Einsatz. Sogar das benachbarte Gymnasium gab am Nachmittag vorzeitig schulfrei, damit die Schü­le­r:in­nen nicht in die Fanmärsche beider Lager gerieten. Doch abgesehen davon, dass auf beiden Seiten Pyrotechnik brannte wie an Silvester, blieb alles ruhig.

Nicht auszudenken, was hätte passieren können an einem Freitagabend, mit dem gut besuchten Jahrmarkt „Hamburger Dom“ direkt neben dem Stadion. Es bleibt das Geheimnis der Deutschen Fußball-Liga, warum sie solche konfliktträchtigen Spiele auf den häufig aufgeheizten Freitagabend legt statt auf Sonntagnachmittag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare