Selbstzerlegung der Syriza-Partei: Eine griechische Tragödie

Die Selbstzerfleischung der Syriza in Griechenland geht weiter. Grund ist Parteichef Kasselakis. Für die moderne griechische Demokratie ist das Gift.

Stefanos Kasselakis umringt von Fotografen und Pressevertretern - es ist schon dunkel, er lächelt

Der Hoffnungsträger Stefanos Kasselakis wurde in kürzester Zeit der Totengräber von Syriza Foto: Yorgos Karahalis/ap

Der Aderlass bei Syriza geht weiter. Unvermindert. Täglich. Am Montag sagten 85 Funktionäre und Mitglieder „Tschüss“. In einer gemeinsamen Erklärung ätzten sie zum Abschied: „Leider verwandelt das derzeitige Führungsteam Syriza in ein rückgratloses, vages, populistisches, führungsloses Gebilde. Syriza, das trotz seiner Schwächen und Fehler regiert hat, gibt es nicht mehr.“

Geradezu exponentiell verläuft der Zerfallprozess bei Syriza. Mehr als ein Drittel der 302 Mitglieder des Zentralkomitees der Partei haben Syriza zuletzt verlassen, 32 Mitglieder des 51-köpfigen Zentralrats der Partei­jugend kehrten ihr den Rücken. Elf Abgeordnete, darunter Ex-Finanzminister Euklid Tsakalotos sowie die Frontfrau Efi Achtsioglou, haben sich von Syriza verabschiedet. Syriza zählt nun nur noch 36 Abgeordnete im 300-köpfigen Parlament, der „Boule der Hellenen“.

Der Auslöser der Syriza-(Ab)spaltungen, ob gewollt oder ungewollt, ist Stefanos Kasselakis. Im September von der Parteibasis nach dem Abgang der Ikone Alexis Tsipras sensationell zum Parteichef erkoren, wird der Emporkömmling, ein reicher US-Grieche ohne jegliche Parteierfahrung, von der Rumpf-Syriza als Messias betrachtet.

Wohl ein Trugschluss. Dahin deutet Kasselakis’ autoritärer und grobschlächtiger Führungsstil, gepaart mit purer politischer Unkenntnis. Die Abtrünnigen sehen im „Albtraum Kasselakis“ Syrizas Totengräber, keinen Heilsbringer. Für sie ist er schlicht ein Fremdkörper, der Syriza in einem Blitzkrieg gekapert habe und in einer Hauruckaktion nach rechts bewegen will.

Das Gros der Griechen wählte in der Griechenlandkrise in den Zehnerjahren nicht rechts oder rechtsextrem, sondern links. Links war die Hoffnung. Heute haben sich rechts von rechts, also rechts der regierenden ND, drei Parlamentsparteien etabliert. Mit der in Trümmern liegenden Syriza werden noch mehr Leute den Urnen fernbleiben. Hellas droht ein weiterer Rechtsruck. Kein Kasselakis, kein Tsakalotos und keine Achtsioglou scheinen diese beiden fatalen Tendenzen verhindern zu können. Das ist die (neue) griechische Tragödie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.