Berliner Wald: Berliner Wald gesundgelächelt
Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) bringt frohe Kunde: Den Bäumen geht’s ein bisschen besser – wohl wegen des etwas feuchteren Jahres.
Dann rattert sie ihre Satzbausteine zum Waldzustandsbericht 2023 mit festgefrorenem Lächeln im Gesicht herunter. 30 Prozent der Bäume zeigten „deutliche Schäden“, referiert sie und schiebt die „gute Nachricht“ gleich hinterher: In Berlin sterbe der Wald „nicht flächig wie in anderen Bundesländern“, etwa dem Harz, sondern nur vereinzelt.
Das aber mehr denn je: Die „Mortalitätsrate“ der Berliner Wälder, führt der Leiter der Berliner Forsten, Gunnar Heyne, in Anschluss an Schreiner aus, ist von 0,4 Prozent (2022) auf 1,6 Prozent gestiegen und hat damit einen Höchststand erreicht. Konkret heißt das: Von 100 beobachteten Bäumen sind im vergangenen Jahr 1,6 gestorben. „Ein Ergebnis der vielen Jahre, in denen der Niederschlag unter dem langjährigen Mittel blieb“, heißt es im Waldzustandsbericht.
Der Wald soll sich wandeln
Doch erst einmal macht Schreiner weiter in Optimismus: Man arbeite ja daran, dass sich der Wald wandelt und den neuen Bedingungen anpasst, statt zu sterben. Und das Berliner Mischwaldprogramm, mit dem seit 2012 der Waldumbau – weg von der ollen Kiefer, hin zu mehr Laubbäumen – forciert wird, sei unter den „Top 10“ der deutschen Projekte zur UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen, verkündet sie.
Auch dieses Jahr würden wieder 500.000 Laubbäume gepflanzt, „denn es ist unsere Verantwortung, den Berliner Wald für uns und unsere Kinder zu erhalten“, säuselt die Senatorin, im Hauptberuf Retterin von Autostellplätzen. 1,6 Millionen Euro lasse sich das Land die Pflanzungen pro Jahr kosten. Und noch eine „positive“ Zahl: Der Anteil der gesunden Bäume sei „leicht“ von 4 auf 6 Prozent gestiegen.
Wie die Zahlen zu verstehen sind, erklärt Oberförster Heyne. Tatsächlich seien die „deutlichen Schäden“ an den Bäumen von 40 Prozent (2022) auf 30 Prozent gesunken. Ob das aber „wirklich eine Trendwende“ sei und sich der Wald erhole, hänge vom lokalen Wetter in nächster Zeit ab. „Es gab dieses Jahr reichlich Regen, auch der Schnee jetzt ist wirklich wichtig“ – der sickere nämlich langsam in die immer noch zu trockenen tiefen Bodenschichten.
Wichtig zur Einordnung dieser Nachricht: Nur der Kiefer geht es besser, die mit 60 Prozent weiterhin die Mehrheit in den Berliner Forsten stellt, im Zuge des Waldumbaus aber eigentlich weniger werden soll. Der Forstamtsleiter führt aus: In diesem Jahr seien nur noch 14 Prozent „deutlich geschädigt“ (2022: 33 Prozent), und der Anteil an Kiefern ganz ohne sichtbare Kronenschäden stieg auf 6 Prozent (2022: 2).
Bei den Eichen dagegen sei es „schlimmer geworden“, sagt Heyne: Der Anteil der Bäume mit „deutlichen Schäden“ stieg in einem Jahr von 49 auf 60 Prozent. Der Forstleiter weist auf die Kronen zweiter Bäume vor ihm, 20 Hälse von Journalist*innen und Forstmitarbeitenden drehen sich in die gezeigte Richtung: „Sie sehen hier bei den Eichen keinen Feinreisig“, erklärt er. Will sagen: Diese Bäume bekommen keine neuen Triebe mehr.
Der Zustand der Eichen beunruhigt den Naturschutzbund
Der Zustand der Eichen beunruhigt auch den Naturschutzbund Nabu, wie dieser am Mittwoch aus aktuellem Anlass mitteilte: „Keine Stieleiche ist ohne Schäden! Das macht uns große Sorgen, denn Eichen sind für unsere heimische Artenvielfalt unverzichtbar.“ Die Naturschützer fordern daher „noch bessere Erfassung der Artenvielfalt dieser Bäume im Mischwaldprogramm“ sowie „mehr alte, charakteristische Bäume und mehr Totholz“ im Wald.
Und warum geht es den Kiefern jetzt besser? „Das kann ich nicht sagen“; gibt der Förster zu – „vermutlich“ aber wegen der größeren Niederschlagsmenge. Dass schon ein relativ feuchtes Jahr reicht, damit sich die Kiefer erholen kann, habe ihn überrascht. Denn einmal abgefallene Nadeln „sind für immer weg“, die „Lunge des Baumes“ sei damit dauerhaft geschädigt, der Baum könne weniger „assimilieren“, fachsimpelt Heyne – und meint, dass ein Baum mit weniger Nadeln weniger Nährstoffe produzieren kann.
Zur Illustration hält er zwei Kiefernzweige hoch und zeigt, wo die diesjährigen Triebe anfangen. Beim gesunden hat der ganze Zweig, auch in den vorjährigen Trieben, Nadeln. Beim „kranken“ dagegen sind die vorjährigen Triebe kahl. Warum? Heyne hebt ratlos die Schultern: „Umweltbelastungen, Schadstoffe in der Luft, die Trockenheit.“
Die Kiefer hat sich erholt
Zum Schluss darf Manja Schreiner den Tegeler Forst noch ein wenig umwandeln helfen: Zusammen mit acht Azubis der Forstbetriebe schaufelt sie fotogen Erde in zwei Pflanzlöcher mit Vogelkirschen-Setzlingen. 1.000 dieser Bäumchen sollen in den nächsten Tagen gepflanzt werden.
Auf die Frage der taz, ob Vogelbeeren im Kampf mit der Klimakrise besonders geeignet seien, weicht Heyne aus. Die Art habe früher zum hiesigen Wald gehört, erklärt er – bevor er vor 250 Jahren der Land- und Holzwirtschaft zuliebe abgeholzt und dann mit schnell wachsenden Kiefern wieder aufgeforstet worden sei. Nun versuche man, die alte Vielfalt wiederherzustellen.
Gepflanzt wird hier und heute aber weiter in Reih und Glied wie in alten Nutzwald-Zeiten. Warum das? „Die Azubis sollen lernen, wie das geht“, erklärt der Förster. Obwohl man es heute, findet auch er, lieber „natürlich-unordentlich“ hätte im Wald.
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