Chemieprofessor über Batteriealternative: „Es ist schon ein Riesendurchbruch“

Sie sollen E-Autos antreiben und Strom aus Erneuerbaren speichern. Maximilian Fichtner erklärt, warum Batterien für die Energiewende so wichtig sind.

Verschiedene farbige Batterien

Nicht alle haben das Potenzial von neuen Batteriemodellen erkannt Foto: Zoonar/imago

wochentaz: Herr Fichtner, das Wichtigste zuerst: Wann gibt es endlich Smartphones, die man nur noch einmal die Woche laden muss?

Maximilian Fichtner: Aktuell sehe ich diese Entwicklung nicht. Bei Handybatterien sind kompakte Materialien sehr wichtig, sie können ein bisschen schwerer sein, aber dürfen eben nicht größer werden. Dort gibt es derzeit wenig Fortschritt, weil die verwendeten Rohstoffe schon eine sehr hohe Energiedichte haben. Dafür tut sich viel bei den Ladezeiten: Mein neues Handy ist in zwanzig Minuten vollständig geladen.

geboren 1961, forscht am Helmholtz-Institut in Ulm und am Karlsruhe Insitute of Technology zu neuen Batteriesystemen jenseits von Lithium-Ionen-Batterien.

Dann sprechen wir eben über große Batterien. Welche Rolle spielen die bei der Energiewende?

Eine wachsende. Stationäre Batteriespeicher sind ausschlaggebend für eine zuverlässige Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Vor einiger Zeit wurde ja fast noch kategorisch ausgeschlossen, dass sie eine bedeutende Aufgabe übernehmen können. Doch in solchen großen Anlagen benötigt man keine Hochleistungsmaterialien, wie Kobalt und Nickel. Das drückt den Preis.

Wann können riesige Batteriespeicher helfen?

Wenn große Verbraucher in kurzer Zeit viel Strom brauchen, kann das die Netzstabilität gefährden. Die zusätzliche Energie, mit der man solche Schwankungen ausgleicht, nennt man Regelenergie. Und dafür sind Batterien ideal geeignet. Mit ihnen kann man eine Viertelstunde locker puffern, bevor ein Gaskraftwerk einspringen muss. In diesem Bereich tut sich gerade sehr viel.

Von welchen Größen reden wir dabei?

Derzeit steht die größte Batterie in Monterey County im US-Bundesstaat Kalifornien. Da hat die Bevölkerung dagegen gestimmt, zwei ausgemusterte Gaskraftwerkblöcke neu zu bauen, die solche Zwischenlasten übernehmen. Also hat man die alten Kraftwerkhallen entkernt und einfach eine riesige Batterie reingestellt. Die Anschlüsse an das Stromnetz waren ja schon da. Die Batterie hat eine geplante Kapazität von sechs Gigawattstunden. Damit könnte man eine Million Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen. Das ist kein Kindergeburtstag mehr.

Und wie sieht es damit in Deutschland aus?

Aktuell sind die Speicher hier noch relativ klein. Nimmt man alle zusammen, kommt man auf etwas mehr als die Kapazität der Batterie in Kalifornien. Doch der Bereich wächst stark, im letzten Jahr ist die gesamte Kapazität um mehr als das Eineinhalbfache gestiegen.

Dabei kommen meist Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz, der heutige Goldstandard. Was macht sie so erfolgreich?

Dazu muss man erst einmal verstehen, wie so eine Batterie funktioniert. Eine Batterie hat einen Plus- und einen Minuspol. Die sind wie zwei Regale, zwischen denen das Lithium hin- und herwandert. Dabei ist auch immer ein Elektron involviert, welches im Stromkreis außerhalb der Batterie zwischen den Polen hin- und herwandert – wir wollen ja eigentlich kein Lithium speichern, sondern Elektrizität. Da Lithiumatome ziemlich klein sind, passt es zudem in großen Mengen in die kleinen Regalfächer. Diese Anordnung hat also eine sehr hohe Kapazität, das heißt: viele elektrische Ladungen pro Raum und Gewicht. Hinzu kommt, dass mit dem Lithium sozusagen der Höhenunterschied zwischen den Regalfächern – die Spannung – energetisch gesehen relativ hoch ist. Und Spannung mal Kapazität ist Energie. Mit Lithium-Ionen-Batterien bekommt man die größten Energien, die derzeit erreichbar sind.

Trotzdem hat die Lithium-Ionen-Batterie inzwischen einen ziemlich schlechten Ruf.

In den letzten fünf bis zehn Jahren ist die nachhaltige Zusammensetzung der Batteriematerialen immer wichtiger geworden. Aber mit der Nachhaltigkeit der Lithium-Ionen-Batterie ist das so eine Sache. Viele Menschen meinen etwa, dass sich darin seltene Erden befinden.

Stimmt das etwa nicht?

Nein, diesen Mythos haben Thinktanks der Ölindustrie in die Welt gesetzt. In anderen Batterien gibt es seltene Erden, aber nicht in Lithium-Ionen-Akkus.

Bei der Kritik an Lithium-Ionen-Akkus geht es nicht nur um ihren Inhalt. Die Kobaltminen im Kongo sind berüchtigt für Kinderarbeit.

1991 brachte Sony die erste Lithium-Ionen-Batterie auf den Markt – mit einem Pluspol aus Kobalt. Das Metall ist für große Batterien aber keine besonders gute Lösung, es ist teuer, giftig und kann Sicherheitsprobleme verursachen. Deshalb versucht man es seit Anfang der 90er Jahre zu ersetzen. Ende der 90er hatte der Pluspol noch 30 Prozent Kobaltanteil. Seit 2019 produziert Tesla Batterien mit einem Kobaltanteil von 2,8 Prozent. Ein Großteil der neuen E-Autos fährt bereits jetzt ohne Kobalt.

Trotzdem gehen Ex­per­t:in­nen davon aus, dass die Nachfrage nach Kobalt in den nächsten Jahren noch wachsen wird.

BASF hat im brandenburgischen Schwarzheide gerade ein Werk für die Herstellung von Materialien im Minuspol von Batterien eröffnet. Das ist die größte Fabrik in Europa, dort wird immer noch Kobalt verbaut. Allerdings kommt die Hälfte davon aus Finnland und die andere Hälfte aus dem Recycling. Es gibt nach wie vor Kinderarbeit im Kongo, aber dieses Kobalt landet größtenteils in chinesischer Billigelektronik.

Die Lithium-Ionen-Batterie steht auch wegen des hohen Wasserverbrauchs in der Kritik.

Chile ist der zweitgrößte Lithium-Produzent weltweit und zum dortigen Abbau gibt es wirklich erschreckende Dokus. Ich habe aber selbst mal beim chilenischen Bergbauministerium nachgefragt, die die Wasserrechte vergeben. Der Li­thium­abbau verbraucht ungefähr so viel Wasser wie die Hotels in der Region, das ist achtmal weniger als für den Kupferabbau. Der Lithiumabbau für einen modernen Auto-Akku benötigt etwa 4.000 Liter Wasser; das entspricht der Wassermenge, die man braucht, um ein T-Shirt herzustellen – oder eine halbe Jeans.

Nun ist es aber so, dass in Chile das Lithium aus den Salzseen der Atacama-Wüste gewonnen wird. Sie gilt als eine der trockensten Regionen der Erde und der Wassermangel in der Region nimmt zu.

Ja, die Grundwasserbestände sinken – allerdings schon seit den 1960er Jahren. Damals gab es noch keinen Lithiumabbau, wohl aber Kupferproduktion. Die Lithiumproduktion trägt sicherlich zum Süßwasserverbrauch bei. Sie als Verursacher dieses Wassermangels zu brandmarken, ist aber falsch und widerspricht dem Sachstand.

Und was hat es mit der drohenden Lithiumknappheit auf sich?

Theoretisch liegt in der Erde noch eine große Menge Lithium. Im Augenblick wird es aber nur an wenigen Orten abgebaut, etwa in Chile oder Aus­tralien. Andere Lagerstätten werden jetzt erst erschlossen. In den USA wurde gerade ein riesiges Depot entdeckt. Von der Entdeckung bis zur Förderung dauert es allerdings ungefähr zehn Jahre. Wenn es zu einer Knappheit kommt, liegt das daran, dass zu wenig gefördert wurde und auf dem Markt ist.

Lustig: Ausgerechnet von einem Forscher für Lithiumalternativen hören wir hier ein Plädoyer für den Lithium-Ionen-Akku. Warum brauchen wir dann überhaupt alternative Batterietechnologien?

Ich kann nicht ausschließen, dass es zwischenzeitlich einen Lithiummangel geben wird. Um Druck aus der Rohstoffsituation zu nehmen, werden wir Alternativtechniken brauchen. Außerdem gibt es eine politische Komponente: Es geht darum, weniger von anderen Ländern abhängig zu sein und die Rohstoffe für die Energie- und Verkehrswende auch bei uns zu finden. Und schließlich ist die Suche nach Lithiumalternativen auch eine faszinierende Wissenschaft.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Woran arbeiten Sie da?

Wir sind damit beschäftigt, neue Speicherprinzipien und die dazugehörigen Materialien zu entwickeln. Dabei spielt neben der Performance auch die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.

Und gibt es einen lokalen und nachhaltigen Ersatz für den Lithium-Ionen-Akku?

Aktuell geht es hauptsächlich um die Natrium-Ionen-Batterie. Da sind keine kritischen Rohstoffe drin, sondern hauptsächlich Natrium und Aluminium. Natrium ist ein Bestandteil von Kochsalz und Aluminium ist das dritthäufigste Element auf der Erde.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Entwicklungen?

Es ist schon ein Riesendurchbruch. Ich glaube zwar nicht, dass der Natrium-Ionen-Akku die Lithium-Ionen-Technologie komplett verdrängen wird, aber er wird wichtige Aufgaben übernehmen, etwa bei den stationären Speichern. Es wird in Kürze mehrere Autos chinesischer Hersteller geben, die mit Natriumbatterien fahren.

Wie sieht es in Europa aus?

Die Hauptakteure sind derzeit Faradion aus Großbritannien und Tiamat aus Frankreich. Faradion wurde jetzt von einem indischen Investor aufgekauft, der die Firma finanziell kräftig unterstützt. Sie baut derzeit eine Batteriefabrik und möchte demnächst in größeren Stückzahlen Natrium-Ionen-Akkus produzieren.

In Deutschland sorgte eine Kooperation zwischen dem Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme und der Altech Group für Schlagzeilen: Sie wollen 2024 Natriumbatterien im großen Stil produzieren.

Ihre Idee dafür basiert eigentlich auf einer alten Erfindung, der Zebra-Batterie. So eine Batterie muss man bei erhöhter Temperatur betreiben. Es kann sein, dass das für den stationären Bereich ein sinnvoller Beitrag ist, man kann solche Batterien aber nicht in ein Auto packen. Für Natriumbatterien im Bereich der E-Mobilität gibt es hierzulande derzeit noch nichts. Ansonsten muss man aber sagen, dass sich Deutschland bei der Batterieproduktion vom großen Zauderer zum Musterknaben entwickelt hat. Bis 2030 ist eine Produktion in 14 sogenannten Gigafactorys auf deutschem Boden geplant, das wäre etwa die Hälfte des europäischen Bedarfs.

Süddeutschland geht dabei relativ leer aus.

Die großen Fabriken gehen alle in den Norden oder in den Osten Deutschlands, weil dort vor Ort erneuerbare Energien verfügbar sind. Die Firmen wollen ihren CO2-Fußabdruck möglichst gering halten und dafür grünen Strom nutzen. Baden-Württemberg und Bayern sind da vergleichsweise schlechter aufgestellt.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Batterie der Zukunft muss sich auch beim Recycling noch viel tun. Wie sieht es in diesem Bereich aus?

Traditionell werden Batterien geschreddert und im Hochofen geschmolzen, um Leicht- und Schwermetalle zu trennen. In Zukunft sollen Roboter sie in ihre Einzelteile zerlegen. Wirklich wichtig sind die großen Recyclingkapazitäten aber erst in den 2030er Jahren. Eine Batterie in einem Elektroauto schafft heutzutage ungefähr 2.000 Ladezyklen, bis sie auf 80 Prozent ihrer ursprünglichen Leistung runter ist. Bei einer Reichweite von 500 Kilometern sind das eine Million Kilometer. Und danach bekommt die Batterie ja noch ihr sogenanntes zweites Leben, wo sie noch einmal zehn Jahre arbeitet, in einem Windpark oder eine Photovoltaikanlage. Im Augenblick haben wir eigentlich zu viele Recyclingunternehmen in Europa, die eher zu wenig Batterien kriegen. Trotzdem ist es natürlich wichtig, sich auf die wachsende Nachfrage vorzubereiten.

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