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Stahlbranche schlägt AlarmUmbau der Industrie in Gefahr

Nach dem Haushaltsurteil des Verfassungsgerichts ist vieles offen. Die Stahlbranche fordert von der Regierung Ansagen zum Umbau der Wirtschaft.

Stahlarbeiter bei ThyssenKrupp in Duisburg: Noch sind die Co2-Emissionen gewaltig Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Berlin taz | Die Stahlbranche macht Druck auf die Bundesregierung, nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts rasch zu entscheiden, wie es mit der Förderung des klimagerechten Umbaus der Industrie weitergeht. Unternehmen brauchten Planungssicherheit, sagte Bernhard Osburg, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl am Donnerstag vor Jour­na­lis­t:in­nen.

„Die Politik ist aufgefordert, schnell und verlässlich Antworten zu finden, wie die Transformation der Industrie verlässlich finanziert werden kann“, sagte Osburg, der auch Chef des größten deutschen Stahlkonzerns ThyssenKrupp Steel Europe ist. Ohne eine Anschubfinanzierung für Unternehmen drohe der Verlust industrieller Substanz, warnte er. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Erneuerbaren Energien (BEE) fordert er von der Bundesregierung die Einberufung eines „Transformationsgipfels“, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

In der vergangenen Woche hat das Bundesverfassungsgericht das Verschieben von Kre­dit­ermächtigungen für Coronahilfen in Höhe von 60 Milliarden in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) untersagt. Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen, etwa auf weitere Finanzierungstöpfe und die Bundeshaushalte 2023 und 2024 – welche genau, ist noch unklar. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine Haushaltssperre verhängt. Die Stahlbranche und der BEE fürchten, dass infolge des Urteils die Finanzierung des klimagerechten Umbaus der Industrie insgesamt ins Wanken gerät. Die Stahl­indus­trie ist ein wichtiger Faktor auf diesem Weg. Ein Drittel aller industriellen CO2-Emmissionen stammen laut Osburg aus der Stahlproduktion.

Über den KTF sollten ursprünglich bis 2027 rund 212 Milliarden Euro für den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft zur Verfügung stehen. Durch das Urteil ist mehr als ein Viertel davon weggebrochen. Es sei völlig unklar, welche Projekte für die Industrie bestand haben und welche nicht, kritisierte Osburg. Bewilligte Förderungen sind nicht gefährdet. Das gilt aber nur für ein Projekt von ThyssenKrupp und eines von der Salzgitter AG.

Umstieg von Kohle auf Strom

Die Branche fürchtet, dass unter anderem die sogenannten Klimaverträge zur Disposition stehen, die bislang über den KTF finanziert werden sollten. Bei diesen Verträgen unterstützt der Staat unter bestimmten Voraussetzungen Investitionen in klimafreundliche Technologien, bei Erfolg fließt Geld zurück. Bei der konventionellen Stahlproduktion gehe es darum, in den kommenden Jahren den Umstieg von Kohle als Energieträger auf Strom zu bewältigen, sagte Osburg. „Wenn das nicht finanziert wird, hat das Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit und die Klimaziele.“ Die Unternehmen müssten jetzt Investitionsentscheidungen treffen. Dazu bräuchten sie schnell Planungssicherheit.

In der Stahlbranche arbeiten nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung direkt 80.000 Beschäftigte. Weil viele Produkte aus Stahl hergestellt werden, biete die Branche den Angaben zufolge indirekt 4 Millionen Jobs. Zwei Drittel aller Exporte stehen in enger Verbindung mit Stahl, sagte Osburg. „Stahl ist ein zentrales Produkt für die Transformation insgesamt“, betonte er.

Das sieht auch BEE-Präsidentin Simone Peter so. „Die Erneuerbaren-Industrie in Deutschland braucht zentrale Grundstoffe wie Stahl und die Industrie eine bezahlbare und zuverlässige Energieversorgung“, sagte sie. Windräder etwa bestehen aus Stahl, auch Rohre für den Wasserstofftransport. Bei dem von Peter und Osburg geforderten Transformationsgipfel soll es darum gehen, die verlorene Planungs- und Investitionssicherheit für die Unternehmen wiederherzustellen. An dem Gipfel sollen Ver­tre­te­r:in­nen von Unternehmen, Gewerkschaften, Bund und Ländern teilnehmen.

Die Stahlhersteller treibt die Furcht um, dass die Bundesregierung nun die Mittel zur Dämpfung der hohen Stromkosten in der Industrie streicht, die sie nach langem Ringen beschlossen hat. Schon vor dem Urteil des Verfassungsgerichts war die Lage für zahlreiche Unternehmen schwierig. Aufgrund hoher Energiekosten ist die Produktion in Elektrostahlwerken, die Schrott verarbeiten, massiv eingebrochen. Im Oktober 2023 wurde nach Angaben des Branchen­verbands fast ein Drittel weniger Stahl in diesen Werken produziert als im Oktober 2020.

Die Bundesregierung ist derzeit nicht dazu in der Lage, den Sorgen der Industrie etwas entgegenzusetzen. Unter Federführung des Finanzministeriums wertet sie das Urteil weiterhin aus. Auch die Aufstellung eines neuen Finanzplans für den KTF dauert an. „Das erfordert angesichts der komplexen Aufgabe Sorgfalt und etwas Zeit“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Zu „spezifischen Fragen und Programmen“ könnten aktuell keine Angaben gemacht werden.

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3 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Bei der konventionellen Stahlproduktion gehe es darum, in den kommenden Jahren den Umstieg von Kohle als Energieträger auf Strom zu bewältigen,"" sagte Osburg.

    ==

    Umstellung auf Strom reicht nicht.

    Stahlherstellung ist ein chemischer Prozess - statt Kohle/Koks kommt künftig Wasserstoff als Reduktionsmittel in der Roheisenproduktion zur Herstellung von Stahlschwamm zum Einsatz. Ersetzt werden die alten Hochöfen durch eine sogenannte Direktreduktionsanlage, die zunächst mit Erdgas und später mit Wasserstoff betrieben wird. Diese stufenweise Umstellung der Stahlproduktion ist zumindest der Plan der Stahlwerke in Dillingen/Saarland.

    Das bedeutet: Derzeit wird von der Ampel die Versorgung mit grünem Wasserstoff vorbereitet. Dabei werden Erdgasleitungen zu Wasserstoffleitungen umgewidmet und gleichzeitig fehlende Wasserstoffleitungsnetze geplant und gebaut.

    Pioniere sind derzeit in der Planung und mit dem Umbau beschäftigt. Grüner Wasserstoff, der aus Kapazitätsgründen nicht vollständig in der Bundesrepublik hergestellt werden kann wird importiert - deshalb hat vorgestern das Treffen von Meloni/ Italien mit Olaf Scholz stattgefunden.

    Über den KTF - unter anderem- sollten auch diese Projekte - Stahlproduktion mit Wasserstoff und Erstellung von Wasserstoffleitungsnetzen vorfinanziert werden. Sollte das durch CDU oder FDP verhindert werden diese notwendigen Subventionen



    zu blockieren wäre das das Ende der Stahlproduktion in der Bundesrepublik. (siehe Arbeitsplätze und siehe Schaffung von Abhängigkeiten in der Schlüsselindustrie)

  • "Bei der konventionellen Stahlproduktion gehe es darum, in den kommenden Jahren den Umstieg von Kohle als Energieträger auf Strom zu bewältigen."

    Irgendwie macht das keinen Sinn..., auch wenn ich nicht in der Stahlproduktion bin und ich mir vorstellen kann, das Kohle verbrannt wird für den Prozess der Schmelzung und diese durch Strom ersetzt werden soll ist nicht ausgeschlossen, dass an anderer Stelle Kohle usw. verbrannt wird. Würde es nicht eher Sinn machen von (vorausgesetzt das ist eigentlich gemeint), "Weg von Kohle hin zu erneuerbaren Energien, wie Wind, Solar usw." zu schreiben/reden?

    • @Wayko:

      Das macht tatsächlich keinen Sinn weil man für die Stahlproduktion kontinuierlich Energie benötigt.