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Verzweifelte Jugendliche in HamburgVorwürfe gegen Jugendeinrichtung

Bewohner einer Hilfeeinrichtung protestieren wegen mangelnder Versorgung. Ein Jugendlicher verletzte sich selbst. Der Träger bestreitet die Vorwürfe.

Unhaltbare Zustände? Bewohner der Unterkunft beschweren sich Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | „Alle jungen Menschen brauchen Hilfe, bitte, bitte, bitte“, und „Bitte hilf uns“, schrieb ein Jugendlicher aus der Hamburger Einrichtung Theodorstraße des Trägers Sternipark am Mittwoch an die taz. Er sendete dazu ein Video, das einen Rettungswagen vor Ort zeigt. Ein junger Mann habe sich selbst verletzt. Wie aus Gerichtsakten hervorgeht, soll er in Panik mit der Hand gegen die Wand geschlagen und sich diese dabei gebrochen haben. Im Video hört man einen Heulton. Vom Träger heißt es, Jugendliche, denen das Essen nicht zusagte, hätten die Brandmeldeanlage missbraucht. Das Geräusch habe bei dem Jungen eine Panikreaktion ausgelöst.

Laut Bundespolizei stand in der Nacht zum folgenden Freitag ein Jugendlicher aus einer Jugendeinrichtung, der vom Alter her passt, um zwei Uhr morgens auf dem Betriebsgleis 13 mitten im Hamburger Hauptbahnhof, zu dem sonst nur Bauarbeiter und Bahnbeschäftigte Zugang haben. Wie ein Sprecher der Bundespolizei berichtet, wurden die Gleise im Hauptbahnhof kurzfristig gesperrt, um den Jungen aus dem Gefahrenbereich heraus zu holen. „Da konnte dann auch gar kein Zug mehr fahren“. Weil er den Beamten der Bundespolizei „so ein bisschen abwesend“ schien, habe man ihn zunächst von einem Rettungswagen-Team untersuchen lassen. Weil aber alles in Ordnung schien, ihn nach Rücksprache mit den Betreuern per Taxi zurück in die Jugendeinrichtung geschickt. Der Junge habe keine Suizidabsicht geäußert, sagt der Sprecher. Gleichwohl ist die Frage, was der Junge dort suchte.

Schon am Mittwochvormittag waren rund 20 Jugendliche zum Fachdienst Flüchtlinge für Minderjährige gegangen, um sich zu beschweren. Als sie dort nichts wurden, zogen sie weiter zum Kinderschutzbund. Zurück im Heim drehten sie elf Videos auf Dari, die die taz übersetzen ließ. „Ich bin seit einem Jahr in dieser Einrichtung und wir sind ohne Vormund“, sagt ein Jugendlicher. „Wir haben kaum etwas zu essen, die Küche ist fast immer zu“, sagt er. Im Zimmer seien sie zu viert. „Wir können nicht lernen. Wir haben viele psychische Probleme.“

Die taz erhielt auch Videos aus Zimmern, in denen zusätzliche Etagenbetten stehen. Dazu ein Film vom Frühstücksraum, der zwei schlaffe Toast-Packungen und eine karge Tafel zeigt. Dienstag und Mittwoch habe es nichts Richtiges zum Frühstück gegeben, sagt ein Jugendlicher. Fast nur Toast und Orangensaft, kaum etwas zum Belegen wie Marmelade oder Käse. Und mittags gebe es für alle, die noch nicht zur Schule gehen und dort essen, nur etwas sehr Einfaches wie Milchreis. Von dem bekomme er Magenschmerzen, sagt ein Junge. „They dont give us protein“, sagt sein Kumpel.

Skepsis gegenüber dem Träger

Es war eigentlich eine gute Nachricht, als vor gut einem Jahr bekannt wurde, das der für seine Kitas bekannte Sternipark eine Erstversorgungseinrichtung für junge Geflüchtete in Hamburg-Bahrenfeld eröffnet. Denn der Stadt fehlten Plätze. Zuletzt mussten Minderjährige in einer Turnhalle schlafen.

Doch im Bezirk Altona, wo die Einrichtung mit ihren zunächst 48 Plätzen eröffnete, herrschte Skepsis. Die Bezirksversammlung stimme der Einrichtung zu, heißt es in einem Beschluss aus Dezember 2022. Die Trägerwahl werde allerdings „infrage gestellt“ und das Konzept als „unzureichend“ erachtet.

Im Mai hatte die taz von ersten Beschwerden über das Essen gehört. Zwei Jugendliche, die inzwischen nicht mehr dort wohnen, hatten gefordert, das Essensgeld ausgezahlt zu bekommen, um sich selber zu verpflegen. So war es in vergleichbaren Einrichtungen der Stadt damals üblich. Bei Sternipark wird für die Jugendlichen gekocht, was offenbar zu Reibung führte. Der Träger zeigte der taz einen abwechslungsreichen Speiseplan. Zudem war es den Bewohnern damals möglich, Essen aus der Speisekammer zu holen und in den Gruppenküchen selbst zu kochen. Das soll nun nicht mehr möglich sein, berichten die Jugendlichen. Die Kammer sei abgeschlossen.

Beim Träger hält man es indes für ausgeschlossen, dass die Jugendlichen kein Frühstück bekommen. Ihnen stehe von 6 Uhr bis 10.30 Uhr ein „reichhaltiges Frühstücksbuffet“ mit Käse, Wurst, Marmeladen, Honig, Gemüse, Cornflakes, Müsli und Getränken zur Verfügung. Das werde bei Bedarf aufgefüllt, erklärt Geschäftsführerin Leila Moysich. Allein in dieser Woche seien am Montag und Donnerstag zusammen 130,2 Kilo Brot geliefert worden, davon 100 Kilo Toastbrot.

Es ist „voller geworden“

„Es ist in der Einrichtung voller geworden“, räumt Moysich ein. Das Haus sei statt mit 48 jetzt mit 67 Jugendlichen belegt. In den sechs größeren Zimmern stünden jetzt zwei statt eines Hochbetts. Man versuche mit der Stadt weitere Kapazitäten zu schaffen, „damit die jungen Menschen nicht in Zelten oder Turnhallen übernachten müssen“.

Es gäbe zudem häufiger Wechsel, weil Jugendliche volljährig werden oder in Anschlussmaßnahmen kommen. Da müsse sich jeder erst einleben und mit den Regeln vertraut machen, sagt Moysich. „Das ist ein Lernprozess.“ Dass Jugendliche noch keinen Vormund haben, liege Außerhalb der Zuständigkeit der Einrichtung. Arztbesuche fänden statt, im letzten Quartal seien es fünf pro Jugendlichem gewesen.

Lisann Mayer von der Hamburger Ombudsstelle für Kinder- und Jugendhilfe sagt, an ihre Fachstelle wendeten sich seit Mai immer wieder junge Menschen aus der Theodorstraße. „Die Beschwerden gehen ums Essen, aber auch um Diskriminierung, um mangelnden Gesundheitszugang und die Beschreibung psychischer Notsituationen.“ Die Fachstelle habe Ende Mai ein Fachgespräch mit Sternipark geführt, würde aber gern an Gruppenabenden im Haus teilnehmen. „Dazu ist es bislang nicht gekommen.“ Nach Ansicht der Sozialarbeiterin brauchen die Jugendlichen dringend Gehör. Mayer hält auch die Vierbettzimmer für zu eng und „nicht tragbar“. „Das ist keine Alternative zu Zelten und Turnhalle“, sagt Mayer, „da muss eine dritte Lösung her.“

Die Sozialbehörde erklärt dazu, man müsse die gesamte Lage der Stadt beachten, es gehe darum, noch weniger Zumutbares abzuwenden. Der Kinderschutzbund bestätigt, dass 20 Jugendliche bei ihm waren, will sich zu Details nicht äußern.

Transparenz hinweis: Wir haben diesen Text aus rechtlichen Gründen an verschiedenen Stellen überarbeitet und aktualisiert.

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6 Kommentare

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  • Sternipark ist ein Unternehmen, die machen Gewinne. Wie sie das machen, das ist evtl. ein Problem.

    Ich muss aber leider sagen, dass ich alle Beschwerden von jungen unbegleiteten Flüchtlingen selber gehört habe, unabhänging davon wer für sie gekocht hat und was gekocht wurde, wieviel gekocht oder zur Verfügung gestellt wurde. Beschwerden übers Essen waren immer da, eigentlich täglich. Und leider haben auch einige Nahrungsmittel mitgenommen und ihren Freunden gegeben. Deswegen kenne ich das leider auch, dass Nahrungsmittel nicht komplett frei zugänglich sind.

    Grundsätzlich wird aber eine Einrichtung nur dann Jugednlichen gerecht werden, wenn da maximal 14 bis 18 Personen leben, sobald es 20 oder 30 sind, wird es sehr sehr schwierig.



    Und dann müssen immer mehr Regeln her, es muss immer mehr Aufsicht geführt werden, Kontrollen müssen dann alle drei Tage gemacht werden und das verhärtet das Ganze extrem. Besuch muss eingeschränkt werden. Der Ablauf wird immer immer mehr komplex und regelhaft.

    Eine Wohngruppe soll immer familienanalog sein, bei so eine Anzahl ist das hier eher wie bei der Armee oder in einem Gefängnis. Aber das stand ja hier auch, die sollen eben nicht in Zelten leben.

    In diesem Sinne sollte schnell die Kapazität geschafft werden, damit diese Menschen passend untergebracht sind. Und immerhin haben die genug Sinn und Verstand aufgewendet, sich zu beschweren, wäre aber gut, wenn das in der Einrichtung passiert und die dann reagiert. Dass es in einer Zeitung steht, spricht nicht für Sternipark.

  • Wieder so eine Firma, die mit der Not Kasse macht. Wieviel Geld gibt es pro Kind?



    Habe gerade auch den Artikel der Taz gelesen, als die aufgemacht haben.. da war wohl etwas zu viel Euphorie im gange...



    Wenn sich unsere lieben Politiker beschweren, wie viel Flüchtlinge den Staat kosten, sollte man mal die Energie aufbringen, solchen Firmen, die nur Geld abzocken wollen, auf die gierigen Fingerchen zu klopfen.



    Aber wer weis, vielleicht ist das ja genau so gewollt??

  • Mit Kindern Kasse machen (programm.ard.de/?s...=2810613932810271) und Einhaltung des Kindeswohls geht halt nicht zugleich, auch wenn es gute Menschen so zurecht klagen können (taz.de/Archiv-Such...SuchRahmen=Print/).

  • Tja, siehst'te.



    Die Alberichtsmäntel gehen nicht aus.

    Wenn so massive Anschuldigungen im Raum stehen und nichts geschieht - was ist dann ?

    Deutsche Bürokratie.

    • @Bolzkopf:

      Korruption?



      Mit solchen Sachen lassen sich in kürzester Zeit Hunderttausende verdienen.

  • Danke, dass sie dieses Thema immer wieder aufgreifen.

    Mit Schrecken denke ich immer wieder z.B. an die Hasenburg Berichte.

    Und die von dem Mädchenheim an der Küste.......



    Wo das genau war hab ich leider nicht mehr im Kopf.