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Vor Landesparteitag am 9. DezemberGrüne ringen um neue Führung

Beim Realo-Flügel ist die Lage auch nach einer Vorabstimmung unklar. Dort setzte sich Tanja Prinz knapp gegen Noch-Landeschefin Susanne Mertens durch.

Grünen-Landeschefin Susanne Mertens bekommt mit Tanja Prinz eine Gegenkandidatin Foto: dpa/Monika Skolimowska

Berlin taz | Drei Wochen vor der Landesvorstandswahl der Berliner Grünen am 9. Dezember ist trotz einer Vorabstimmung unklar, wer dort für den Realo-Flügel der Partei antreten wird. Das sollte eigentlich eine Abstimmung bei einem Realo-Treffen in Mitte klären. Doch obwohl sich dabei Herausforderin Tanja Prinz gegen die amtierende Landeschefin Susanne Mertens mit 83 zu 78 Stimmen durchsetzte, ist offen, ob sie beim Parteitag die Kandidatin der Realos sein wird. Mertens selbst gab am Sonntagnachmittag bekannt, dass sie dort nicht kandidiert. Für den vom linken Parteiflügel besetzten Co-Vorsitz in der Doppelspitze des Verbands tritt erneut und bislang ohne Gegenkandidatur Philmon Ghirmai an.

Am Freitagabend war es in Hauptbahnhofsnähe zum Show-down zwischen den beiden Frauen gekommen, als sich im vom SOS Kinderdorf geführten Hotel Rossi die Parteirealos trafen. Prinz hatte Anfang November ein Bewerbungsvideo online gestellt. Darin arbeitet sie sich nicht an Mertens ab, sondern stellt ihre Ansätze dar. Etwa: Die Grünen sollten eine „eigenständige Stimme“ sein und bündnisfähig.

Bei Letzterem hatte Prinz schon bei einem Kleinen Parteitag im März deutlich gemacht, was das für sie heißt: bündnisfähiger Richtung bürgerliche Mitte, nicht Richtung Linkspartei. Wenig goutiert von der Parteilinken forderte sie dort, die grüne Blase zu verlassen und beispielsweise „zu den Kolpingsfamilien“ zu gehen, sozial engagierten Gruppen in katholischen Kirchengemeinden.

Bei dem parteiinternen Treffen am Freitagabend setzte sich Prinz zwar durch. Schnell aber zweifelten zumindest Einzelne den Wert der Abstimmung an: Tanja Prinz habe mehr Stimmen als Mertens bekommen, aber nicht die absolute Mehrheit. Als loser Vereinigung ist aber bei den Realos gar nichts in dieser Richtung festgelegt. Andere kritisierten, Prinz habe „Stimmvieh“ organisiert. Dem widersprach gegenüber der taz ein langjähriges Parteimitglied: Er habe vier Fünftel der Anwesenden gekannt. Das sollen 167 gewesen sein – der Landesverband hat rund 12.500 Mitglieder.

Die Realos wollen im Landesverband sichtbarer sein

Eine eindeutige Aussage, was das Ergebnis bedeutet und ob Prinz nun die offizielle Realo-Kandidatin ist, gab es bis Redaktionsschluss nicht, auch nicht vom Koordinationskreis der Realos. Prinz hatte zuvor gegenüber der taz angekündigt, sie würde bei einer Niederlage zurückziehen und erwarte das auch von Mertens. Für den Abgeordneten Andreas Otto ist die Sache am Sonntag klar: „Mehrheit ist Mehrheit“, sagt er der taz. „Ich verstehe das so, dass Tanja Prinz die Realo-Kandidatin ist.“

Laut einem wichtigen Realo-Mitglied gab es in dem Parteiflügel unabhängig von Prinz' Kandidatur Kritik an Mertens. Die kommt zwar aus Steglitz-Zehlendorf, wo die Grünen lange mit der CDU koalierten, war dort Kreischefin und 2021 auch in herzlicher Begrüßung des ebenfalls im Südwesten wohnenden Berliner FDP-Fraktionschefs Sebastian Czaja zu beobachten. Was aber offenbar nicht dazu führte, die innerparteiliche Position der Realos zu stärken: „Ich finde, wir müssen in diesem Landesverband sichtbarer sein“, sagte ein führendes Realo-Mitglied der taz.

Das aber muss nach dessen Auffassung nicht zwangsläufig heißen, Prinz zu unterstützen. Deren Mobilisierung für den Freitagabend war manchen offenbar zu offensiv. Bei Redaktionsschluss galt es auch als möglich, dass die Realos am 9. Dezember nicht mit Prinz, sondern einer dritten Frau antreten. Ein weiterer einflussreicher Grüner sagte der taz dazu: „Tanja Prinz muss jetzt auf die Leute zugehen, die Susanne Mertens unterstützt haben.“

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