Bure wird Endlager

Das französische Verfassungsgericht erlaubt, in dem Weiler ab 2035 unterirdisch Atommüll zu lagern. Das geschieht trotz vieler Proteste

Aus Paris Rudolf Balmer

Der französischen Regierung fällt ein Stein, oder besser gesagt ein Betoncontainer, vom Herzen. Das französische Verfassungsgericht hat am Freitag eine bedeutsame Entscheidung für das ungelöste Problem der Entsorgung hochradioaktiver Rückstände aus den französischen Atomkraftkraftwerken getroffen. Nach Ansicht der Verfassungsrichter steht dem umstrittenen Projekt Cigeo der staatlichen Behörde Andra in Bure juristisch nichts im Wege.

Das heißt: Trotz des lokalen Widerstands der Bevölkerung und trotz aller Proteste von Umweltschutzorganisationen seit Beginn der Diskussionen über die „Endlagerung“ vor 30 Jahren darf in Bure der Bau einer unterirdischen Anlage zur Lagerung der Brennstäbe in einer Tiefe von 500 Metern beginnen. Der Weiler liegt etwa 200 Kilometer von der deutschen Grenze in Ostfrankreich.

In seinem Urteil erwähnt das Gericht allerdings auch ausdrücklich die Rechte kommender Generationen. Das ist in der Weise für die französische Rechtsprechung ein bedeutsames Novum. Der Gesetzgeber müsse nämlich bei solchen sehr langfristigen Lösungsvorschlägen darauf achten, dass „die gewählte Antwort auf Bedürfnisse der Gegenwart nicht die Fähigkeit zukünftiger Generationen oder anderer Völker, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, schädigen“, sagen die drei Frauen und sechs Männer des Gerichts.

In Bezug auf Bure jedoch meinen sie, dass die Forderung von nachhaltigen Vorsichtsmaßnahmen für die nachfolgenden Generationen ausreichend respektiert werde. Für die Cigeo-Gegner, die vor dem Verfassungsgericht geklagt hatten, stellt das Urteil eine Niederlage dar. Die Interessen der kommenden Generation werden dennoch erstmals verankert. In anderen ökologische Streitfragen können sich Ak­ti­vis­t*in­nen nun auf dieses Präzedenzurteil beziehen.

Bislang steht in Bure seit dem Jahr 2000 ein Testgelände mit einem unterirdischen Laboratorium, auf dem noch kein Atommüll vergraben wurde. Falls nun mit dem Bau begonnen werden sollte, könnten frühestens ab 2035 hochradioaktive Rückstände in diesen als geologisch stabil bezeichneten Erdschichten „endgelagert“ werden.