München-“Tatort“ mit Ferres und Fierek: Wenn Frauen zu Wurst gemacht werden

Überraschend perfektes Setting, aber am Ende doch nur ein herbeigezuzeltes Mordmotiv: Trotzdem lohnt sich der bayerische Königinnen-“Tatort“ sehr.

Szenenfoto aus dem Tatort "Königinnen"

Josef Gehrling und die Altöttinger Mehlkönigin, die Tirschenreuther Teichnixe, und die Gunzenhausener Krautkönigin Foto: Luis Zeno/Odeon Fiction/BR

„Hey, Spargel!“, „Wo ist die Milch?“, „Weißwurst, komm mal her“: kein surreales Alice-im-Wunderland-Stück, nur das sogenannte „Königinnen“-Treffen irgendwo in der bayerischen Provinz.

„Spargel“, „Milch“, „Weißwurst“ vertreten als Botschafterinnen ihre Region, ihre Stadt und deren landwirtschaftliche Erzeugnisse, 50 sind es insgesamt, auch „Zwiebel“ oder „Honig“, einmal quer durch den Bauernmarkt, alle mit hochgeschnürten Dirndl-Dekolletés und Krönchen. Ein verblüffend surreales Setting, in dem dieser BR-Tatort spielt. Und mittendrin der Organisator mit Loch im Kopf vom Bolzenschussgerät.

Dabei scheinen die Voraussetzungen auf den ersten und auch auf den zweiten Blick nicht die besten zu sein für diese Münchner Tatort-Folge. Da sind zum einen die Episoden-Hauptrollen von „Königinnen“: außergewöhnlich prominent besetzt mit Veronika Ferres und Wolfgang Fierek als Organisations-Duo der Veranstaltung – aber mal ehrlich, wer hat schon Bock auf 90 Minuten, die wirken, als seien wir in den prallsten Neunziger Jahren hängen geblieben.

Und dann ist da noch der Drehbuchautor: Robert Löhr. Der Name muss einem nix sagen, nur: Wer den auf Weihnachtsevent gebürsteten Feiertags-Tatort im vergangenen Jahr gesehen hat, mag schon jetzt keine Lust mehr haben. Die Folge „Mord unter Misteln“ – ebenfalls mit den Münchnern, ebenfalls von Löhr – war aus der Kategorie „Lass uns lieber Rommé spielen“.

München-“Tatort“: „Königinnen“, Sonntag, 20:15 Uhr, ARD und in der Mediathek

Junge Frauen, sexistisches Setting

Es fällt mit Blick auf das Genre Sonntagabendkrimi daher sehr leicht, sich auszumalen, wie populistisch, sottisentriefend und insgesamt desaströs sich dieses Thema in einen 90-Minüter pressen ließe: junge Frauen, sexistisches Setting, ein Organisator, der sich Jahr um Jahr an den „Königinnen“ bedient, mitunter auch vergeht.

Stattdessen liefert Löhr, unterstützt von der Regie von Rudi Gaul und Michael Hammons Kamera, die perfekte Inszenierung von der Frau als Produkt – und der Rebellion der Frauen dagegen.

Dazu gehört das feiste Grinsen, mit dem die Ermittler Leitmayr (Udo Wachtveitl), Batic (Miroslav Nemec) und Kalli (Ferdinand Hofer) durch die Frauengrüppchen schlendern; und sich von der Nördlinger Zwiebelkönigin unterstützen lassen, Annelie, eine Polizeischülerin (Daria Vivien Wolf).

Dazu gehört die geschäftsmäßige Nonchalance mit der die Ferres als Organisatorin Sylvia auftritt (übrigens großartig). Oder die unverwüstliche Schmierigkeit, die Fiereks Königinnentag-Imperator an den Tag legt (und nicht ganz unpassend mit dieser Besetzung an seine „Zwei Münchner in Hamburg“-Zeiten erinnert und damit an eine bräsige Welt voller Uschi Glas und Elmar Wepper ).

Ebenso gehören dazu Szenen, die den #metoo-Topos „alte Männer im weißen Hotelbademantel“ zitieren. Und Momente, in denen die „Königinnen“ Frauen-Alltag erholsam trocken kommentieren: etwa dass Leitmayr und Batic erwachsene Frauen „Mädchen“ nennen, oder: „Nachnamen haben hier nur die Männer“.

Nur waren Buch und Regie offenbar zu verliebt ins Setting. Denn der Fall selbst bleibt halbgar: Das finale Motiv für den Mord wirkt herbeigezuzelt, die Auflösung dauert am Ende gefühlt nur ein paar Sekunden. Und wer’s war, ist allen, die regelmäßig Krimis schauen, eh relativ schnell klar. Oder wie eine der „Königinnen“ sagt: „Der Aufschrei ist abgesagt.“

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