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Brücke von MessinaRechte bauen gerne Brücken

Italiens Rechtsregierung belebt ein Brückenprojekt vom Festland nach Sizilien neu. Für die Umwelt wäre das eine sehr schlechte Idee.

Protestplakat gegen den Bau einer Brücke in Messina Foto: Granata images/imago

Rom taz | Traum oder Albtraum? Mit der Vorlage des Staatshaushalts 2024 zieht Italiens Rechtsregierung unter Giorgia Meloni ein altes, eigentlich tot geglaubtes Projekt wieder aus der Schublade: die Brücke von Messina. Sie soll Sizilien mit Kalabrien und damit dem italienischen Festland verbinden.

Das Mega-Vorhaben mit geschätzten Baukosten von rund 12 Milliarden Euro ist das Lieblingskind Matteo Salvinis, Chef der stramm rechtspopulistischen Lega und Minister für Verkehr und Infrastrukturen in der Regierung Meloni. „Das ist nicht die Brücke von Messina, sondern die Brücke der Italiener“, schwärmt er immer wieder, „ein Bauwerk von weltweiter Bedeutung“, das 100.000 Arbeitsplätze schafft, für italienische Arbeiter, weil sie die besten der Welt sind“.

Mehr als ehrgeizig ist der Plan. Kalabrien und Sizilien sollen mit der längsten Hängebrücke der Welt verbunden werden, die 3.666 Meter messen, die aber vor allem die nirgendwo sonst erreichte Spannweite von 3.300 Metern zwischen den jeweils in Küstennähe zu errichtenden Pfeilern aufweisen würde, von Pfeilern, die 382 Meter in den Himmel ragen sollen.

Schon vor 20 Jahren hatte ein anderer Gigantomane dieses Projekt verfolgt: Silvio Berlusconi, der in den Jahren 2001 bis 2006 und 2008 bis 2011 Ministerpräsident war. Doch kaum war er über die Eurokrise gestürzt, hatte die Nachfolgeregierung im Jahr 2012 die Brückenpläne beerdigt, vorneweg weil kein Geld da war.

„Grünstes Projekt überhaupt“

Geld dürfte auch jetzt wieder zum Problem werden, denn Italien hat eine Staatsverschuldung von über 140 Prozent seiner Wirtschaftsleistung (BIP) und Wachstumserwartungen von weniger als ein Prozent pro Jahr. Jetzt sollen erst einmal 500 bis 700 Millionen Euro im Haushalt 2024 bereitgestellt werden, sollen die Bauarbeiten im nächsten Sommer beginnen. Ab 2032 dann könnten den Plänen zufolge täglich bis zu 60.000 Kraftfahrzeuge und bis zu 200 Züge die Brücke befahren, ohne wie bisher auf Fähren angewiesen zu sein. Schon die Einstellung des Fährbetriebs mache die Brücke „zum grünsten Projekt überhaupt“, behauptet Salvini.

Zahlreiche Ex­per­t*in­nen jedoch halten das Projekt für hellen Wahnsinn. Die Brücke entstünde in einer höchst erdbebengefährdeten Region; im Jahr 1908 hatte ein Beben in Messina und Reggio Calabria, begleitet von einem Tsunami, etwa 80.000 Opfer gefordert. Doch die Brücken-Befürworter*innen geben Entwarnung, schließlich solle das Bauwerk für Erdstöße bis zu 7,1 auf der Richterskala ausgelegt werden – akkurat die Stärke des Bebens von 1908.

Doch auch wenn sie nicht einstürzt, macht die Brücke Um­welt­schüt­ze­r*in­nen Sorge. Die Meerenge von Messina, die das Ionische mit dem Tyrrhenischen Meer verbindet, ist sowohl für Fisch- als auch für Vogelschwärme wichtig; Zugvögel gelangen auf ihren Nord-Süd-Reisen zwischen Europa und Afrika auf dieser Route von Sizilien nach Kalabrien – und die Mega-Brücke, so befürchten Vogelschützer*innen, könne diesen Reiseweg kompromittieren.

Alarmiert sind zugleich Anti-Mafia-Aktivist*innen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszurechnen, dass ein 12-Milliarden-Euro-Bauprojekt große Begehrlichkeiten sowohl bei der sizilianischen Cosa Nostra als auch bei der kalabrischen 'Ndrangheta wecken wird. Luigi Ciotti, Chef des großen Anti-Mafia-Netzwerks Libera, ist sich sicher, dass die Brücke von Messina „nicht nur zwei Küsten, sondern auch zwei Clans verbinden wird“.

Deshalb rufen jetzt die Komitees „No Ponte“ („Nein zur Brücke“) für den 27. Oktober zu einem ersten Aktionstag in Messina und diversen anderen Städten quer durch Italien. Am 2. Dezember dann soll eine große nationale Demonstration folgen. Derweil macht sich Melonis Rechtskoalition schon Gedanken über den Namen des Bauwerks. Gut möglich, dass es „Berlusconi-Brücke“ getauft wird.

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