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Über Hitze, Klima und KlimakteriumGelobt sei der Herbst

Unsere Autorin ist leidenschaftliche Fußgängerin. Bei hohen Temperaturen ist das nicht schön. Nun gibt's Abkühlung.

Der Herbst hat auch seine schönen Seiten – vor allem ist es nicht mehr so heiß Foto: blickwinkel/imago

A ch, goldener Oktober, mein erfrischender Freund: Herzlich willkommen! Ich küsse deine goldgrünbraun gesprenkelten Augen und drücke dich an mein herbstlich kühles Herz. Endlich wieder schönes Wetter – endlich kann ich wieder richtig GEHEN! Vorbei die drückende Sommerhitze, die schwüle Luft, die kaum zum Atmen taugt. Statt dessen frische 18 Grad und ab und zu ein Regenschauer, der die Stadtluft reinigt und erfrischt.

Das ist die Zeit der Fußgängerin – und ganz besonders der Fußgängerin jenseits der 55, der sogenannten Walking Dead. Unsereine leidet in heißen Sommern nämlich doppelt: nicht nur unter der Klimakrise, sondern zusätzlich unter der des Klimakteriums. Es heizt quasi gleichzeitig von draußen und drinnen.

Dabei hatte es bei mir zunächst ganz praktisch angefangen mit diesen berüchtigten Hitzewallungen: Ich schwitzte nicht, ich begann zu glühen. Im vorletzten Winter, als ich noch Redakteurin bei der taz war, nahmen die Kol­le­g*in­nen mich deshalb gerne mit zum Rauchen auf den Balkon: Ich war ihr ökologisch einwandfreier, weil vollständig abbaubarer Heizpilz. War ihre Zigarette aufgeraucht, hatte ich wieder Normaltemperatur erreicht.

Doch in der Hitze des diesjährigen Sommers brachen die Staudämme meiner Schweißdrüsen. Und glauben Sie mir: Wenn Sie als Frau im postmenstrualen Alter in der U-Bahn bei über 30 Grad und hundertfach geatmeter Luft zwischen Hermann- und Moritzplatz einen Liter Flüssigkeit allein über das Gesicht verlieren (ja, man kann sogar unterhalb der Augen schwitzen!), dann ist mit Mitleid nicht zu rechnen. Dann will selbst in der U8 niemand mehr neben ihnen sitzen. Verständnisvolle Blicke gibt es höchstens von Frauen gleichen Alters.

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Gehen macht dann keinen Spaß

Hitze und Hitzewallungen, das geht nicht gut zusammen, wobei das Verb hier Doppelbedeutung hat; denn auch das Gehen macht dann keinen Spaß. Ja, ich war diejenige, die Ihnen von Juni bis September auf den Berliner Gehwegen immer nur in den schmalen Schatten der Hauswände gedrückt begegnete (aber nicht zu nah an der Wand, damit ich nicht festklebe!), die an der roten Ampel stets im dünnen Schattenstreifen des Ampelmastes wartete, den Kopf dabei möglichst auf der Höhe des etwas breiteren Schattens der Lichtanlage selbst.

Gelobt sei also der Herbst! Mit wohligem Frösteln hole ich meine Übergangsjacken und -mäntel, meine (nicht zu dicken!) Herbstpullover aus dem Schrank und kann mich endlich ganz ohne Hitzewellenverstärkungshitze wieder zu Fuß auf den Weg durch die Stadt machen.

Derzeit bin ich dabei übrigens oft unterwegs, um eine Frauenärztin zu finden, die mir hilft, den kommenden Sommer etwas kühler und trockener zu überstehen. Und es ist ganz erstaunlich, was man dabei so erleben kann! Die letzte Ärztin, die ich diesbezüglich um Rat bat, hatte immerhin einen trockenen Humor: Ich müsse mit den Hitzewallungen einfach noch einige Jahre klarkommen, erklärte sie mir, es hieße ja schließlich Wechseljahre, nicht Wechselwochen. Haha! Ach so: Zuvor hatte sie voller Entrüstung meine Vermutung zurückgewiesen, dass sie als Frauenärztin vielleicht auch Expertin für Wechseljahre sei.

Man ist im Klimakterium wohl tatsächlich irgendwie keine Frau mehr, vermute ich: Auch bei ihr hatte mich gleich hinterm Empfangstresen die obligatorische Wand voller glücklicher Babyfotos begrüßt. Nun denn, wohlan! Wenn Sie mich in diesem Herbst durch die Stadt streifen sehen, bin ich wahrscheinlich auf der Suche nach einer Frauenärztin, in deren Praxis mir eine Wand voller Fotos von wohltemperierten Frauen meines Alters entgegenlächelt.

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Kolumnistin taz.stadtland
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